Lorenz Jäger

Heidegger

Ein deutsches Leben
Cover: Heidegger
Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2021
ISBN 9783737100366
Gebunden, 608 Seiten, 28,00 EUR

Klappentext

Martin Heidegger zählt zu den wirkmächtigsten Denkern des 20. Jahrhunderts - zugleich ist er einer der umstrittensten, nicht zuletzt aufgrund seiner Parteinahme für den Nationalsozialismus 1933. Basierend auf neuesten Quellen erzählt Lorenz Jäger das Leben des Philosophen, der den Menschen und sein Dasein in der Welt auf ganz neue Weise gedacht hat - von der katholischen Kindheit in Meßkirch und den geistigen Auseinandersetzungen der zwanziger Jahre über den Nationalsozialismus bis weit in die Jahre des Wiederaufbaus hinein. Dabei begegnen uns Lehrer wie Edmund Husserl, dem 1936 die Lehrerlaubnis entzogen wurde, Vertraute wie Karl Jaspers und Hannah Arendt, deren so schwieriges wie intensives Verhältnis zu Heidegger über historische Brüche hinweg anhielt, Intellektuelle und Dichter wie Ernst Jünger und Paul Celan, die ihn in seiner Schwarzwaldhütte besuchten, bis hin zu späten Interpreten wie Lacan und Derrida.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 23.10.2021

Micha Brumlik mag nicht entscheiden, ob Lorenz Jägers unterhaltsame Biografie dem "Skandal" Heideggers gerecht wird oder eher nicht. Jäger geht jedenfalls nicht unkritisch zu Werke, versichert Brumlik auffallend häufig. Und damit meint der Rezensent nicht nur die akribische Aufzählung von Heideggers Affären im Buch, sondern auch Jägers Beschäftigung mit dem spezifischen Judenhass des Philosophen. Hier besteht der Autor laut Brumlik allerdings auf einer nicht rassistischen Deutung von Heideggers Antisemitismus. Eine flüssig sich lesende Nacherzählung des Philosophenlebens, so Brumlik.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.10.2021

Rezensent Karl-Heinz Ott hätte es gern gesehen, dass in einer Heidegger-Biografie einmal Derrida auftritt und Heideggers "etymologisierendes Sinnieren" als "Rustikalkitsch" entlarvt. Bei Lorenz Jäger kann er da lange suchen. Jäger folgt Heideggers Lebens- und Denkensweg (im Grunde ein und dasselbe, findet Ott), ja sogar seinen Affären mit Wohlwollen, stellt der Rezensent naserümpfend fest. Zwar lässt der Autor laut Ott Heideggers Abwehr des Jüdischen nicht unerwähnt, doch konzentriert er sich lieber auf Heideggers bäuerliche Herkunft, den daher rührenden Widerstand gegen die Meinungsmacht eines "urbanen Milieus" und Heideggers Philosophie der Erregung, die der Autor für radikaler hält als etwa das Denken der Frankfurter Schule, so hält Ott fest. Als Einführung in Heideggers Leben taugt das Buch trefflich, nur setzt es eben auf Einfühlung, gibt der Rezensent zu bedenken.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 14.10.2021

Gut lesbar ist das Buch über den dunklen Künder schon mal, konstatiert der hier rezensierende Politologe Reinhard Mehring. Jäger habe Heideggers Leben vor allem von den Briefeditionen her erschlossen. Auf große Referate von Heideggers Werken lasse er sich gar nicht erst ein. Und vielleicht entsteht darum der Eindruck, dass Heidegger vor allem als ein Philosoph des Eros erscheint, als einer, der eine "Sprache der Lebe" und ein "anderes Denken" sucht und dabei auf den Spuren der Jugendbewegung wandelt. Die vielen Affären kommen vor und rühren laut Mehring geradezu an den Kern seines Denkens, das ein "avoir à faire" mit der Welt sei. In gewisser Hinsicht erscheint Heidegger in dem Buch als "Salon- und Bettkantenphilosoph ", so Mehring. Jäger beschönige dabei Heideggers krasse politische Irrtümer nicht, sie erscheinen Mehring nur wie nebensächlich. Aber er hat das Buch mit Gewinn gelesen, notiert vor allem die wichtige Rehabilitierung von Heideggers Frau Elfride, die Heidegger bei seiner Abwendung vom Katholizismus geholfen habe. Ein weiteres Verdienst sei, dass sich Jäger ausführlich mit der französischen Heidegger-Rezeption beschäftigt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 02.10.2021

Thomas Meyer findet Lorenz Jägers Heidegger-Biografie trotz einiger Einwände unbedingt lesenswert. Das Buch scheint ihm gut geschrieben und komponiert und in seinen Schwerpunkten überzeugend. Über den jungen Heidegger, die Bedeutung der Herkunft für sein Denken, Karl Jaspers, Hannah Arendt und Hölderlin hat der Autor Wissenswertes zu sagen, versichert Meyer. Die Coolness, mit der Jäger Heidegger betrachtet, scheint Meyer ambivalent. Die bloße Zurkenntnisnahme von Heideggers "nationalsozialistischem Engagement" kippt für den Rezensenten ins "Unheimliche", wenn der Autor in Passagen über den deutschen Überfall auf Polen "im Ungefähren" bleibt. Ärgerlich findet Meyer zudem Jägers Bemerkungen zu Marcuse und über die "jüdische Armee".
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 28.09.2021

Rezensent Hans Ulrich Gumbrecht hält den Beginn einer Auseinandersetzung mit Heideggers Philosophie für möglich nach der Lektüre von Lorenz Jägers Biografie. Der Autor schaut nicht in Werk-Zusammenhängen zurück wie sein Vorgänger Safranski, erklärt Gumbrecht, sondern konfrontiert den Leser mit der "Kühnheit" von Heideggers Denken und dessen Tendenz zum Unsagbaren. Letzteres entwickelt der Autor laut Rezensent gekonnt aus Episoden von Heideggers Leben, der Begegnung mit Hannah Arendt etwa oder dem Messkircher Glockenschlag. Heideggers Denken erscheint hier als potenziell gegenwärtig, findet Gumbrecht. Dass der Autor durchaus auch hart mit seinem Gegenstand verfahren kann, etwa wenn er Heideggers Begegnung mit Paul Celan schildert, gefällt dem Rezensenten gut.