Maxim Biller

Der gebrauchte Jude

Selbstporträt
Cover: Der gebrauchte Jude
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2009
ISBN 9783462037036
Gebunden, 176 Seiten, 16,95 EUR

Klappentext

Geboren wurde er in Prag, mit zehn Jahren kam er nach Deutschland, mit siebzehn fing er an zu studieren - die Deutschen, ihre Bücher, ihre Frauen, ihre Fehler. Billers autobiografisches Buch erzählt wie ein Roman die tragikomische Geschichte eines Juden, der in einem Land Schriftsteller wird, in dem es keine Juden mehr geben sollte. Dieses Selbstporträt zeigt, wie man sich selbst auf die Spur kommt - und seinen Freunden und Feinden. Bei Maxim Biller sind es die Juden und die Deutschen, die Reihenfolge spielt keine Rolle. Er erzählt von einem jungen Mann, der immer wieder hört, er solle nicht darauf bestehen, der zu sein, der er ist, und spätestens dann allen klarmacht, dass er nicht zu bremsen ist, als er mit dem Schreiben beginnt. Was der Leser bekommt, ist die Geschichte vom Künstler als jungem Mann, der nach seinem Ort im Leben sucht. Billers erster Roman wird auf einer Reise nach Israel zusammen mit dem Autor bei einem Anschlag beinahe in tausend Stücke gerissen und erscheint zum Glück trotzdem nie. Biller ist also längst Schriftsteller, als er Journalist wird, er schreibt in der "Zeit", im "Spiegel" und sagt nicht Nein, als für ihn die Tempo-Kolumne "100 Zeilen Hass" erfunden wird, was er später manchmal bereut, manchmal nicht. Mit diesem Buch kommen die frühen achtziger Jahre zurück, München, die heimliche Hauptstadt, der Abendhimmel über dem Schumann's, der Eisbach im Englischen Garten, Pop und New Wave, und immer wieder Bücher...

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 03.12.2009

Als ausgesprochen bemerkenswertes Buch über die Frage, wie man am Ende des 20. Jahrhunderts als Jude in Deutschland leben kann, hat Florian Illies dieses "Selbstporträt" untertitelte Buch gelesen. Denn die Art, wie Maxim Biller darin über die psychologisch unauflösbare Rolle als deutsch-jüdischer Autor schreibt, hat ihn ebenso gefesselt wie berührt. Nicht nur, dass Illies während der Lektüre Zeuge einiger "verstörender Erkenntnismomente" des Autors Biller über seine Rolle wird. Besonders dem Versuch, als Nachgeborener mit dem Holocaustüberlebenden Marcel Reich-Ranicki in einen Dialog zu treten, spricht der Kritiker eine große literarische Bedeutung zu. Selbst noch die anstrengendsten Momente des Buchs, in denen Biller sein auswegloses Schicksal als Märtyrer zelebriert, haben augenscheinlich Erkenntniswert für Illies. Auch gefällt ihm der klare, reine Stil dieses Autors, seine hektische Tragik und Wehmut, seine Rasanz sowie ein rücksichtsloser Humor. Auch weist Illies vorsichtshalber darauf hin, dass es sich um einen Roman, also ein literarisches (Kunst)werk handelt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.11.2009

Dies ist erklärtermaßen ein "Selbstporträt" des Autors als Jude in Deutschland. Und also ein Buch, so die sich ohne Vertun auf Maxim Billers Seite schlagende Rezensentin Viola Roggenkamp, übers "Judesein" in der Post-Shoah-Generation. Was wiederum eine Selbstbehauptung in zwei Richtungen impliziere: den ermordeten (oder überlebenden) Vorfahren gegenüber wie auch der Täterkinder-Mitwelt. Ganz und gar hingerissen zeigt sich Roggenkamp von Maxim Billers Kunst der "literarischen Verdichtung". Da werde es dann ganz unwichtig, ob Einzelheiten mit der Realität übereinstimmen (siehe zum Beispiel Henyrk Broders Hund, der nach dessen Auskunft ganz anders aussah als von Biller beschrieben) - wie die Dinge wirklich liegen und die Personen wirklich ticken, das nämlich werde bei Biller immer überdeutlich. Als Prinzip der "Kenntlichmachung" beschreibt es die Rezensentin, die es nachgerade für das "Gegenbild zur Verleugnung" hält und darin die große Leistung Maxim Billers erkennt.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.10.2009

Joachim Kaiser ist seinem ersten Reflex, das "Selbstporträt" von Maxim Biller sofort fulminant zu verreißen, nicht gefolgt und hat es sich stattdessen ein zweites Mal vorgenommen. Und da ist es dem Rezensenten aufgegangen, unter der zornigen, arroganten, "streitsüchtigen" Schale liege ein tief unglücklicher Kern, die Wut mit der sich Biller insbesondere gegen seine jüdischen Mitmenschen wende, indem er ihnen vorwerfe, nach dem Holocaust zur Tagesordnung überzugehen, sei eine "forciert-aggressive Attitüde". Bei all dem könnte einem entgehen, was für ein brillanter Wortkünstler Biller ist, streicht Kaiser heraus, der nun wahre Lobeshymnen auf den Autor niedergehen lässt. Er preist dessen geradezu "fabelhafte" Fähigkeit, seine Leser mit knappen Sätzen in den Bann zu schlagen und Überraschendes mit Einleuchtendem zu großartigen Passagen zu verschmelzen. Er feiert das untrügliche Gefühl für Rhythmus und Pointe und bescheinigt der Biller'schen Prosa gar Suchtpotential. Und deshalb findet der Rezensent am Ende auch, wer derart wunderbar schreibt, der "kann sich auch einen Tick erlauben", wie seine "pauschale" Ablehnung Thomas Manns beispielsweise.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 10.10.2009

Mit Gewinn, vor allem in Bezug auf die Erkenntnis, was das Judesein für Maxim Biller und sein Verhältnis zur Literatur bedeutet, hat Rezensent Peter Unfried, der auch bei der Vorstellung des Buchs im Deutschen Theater war, "Der gebrauchte Jude" gelesen. Doch obwohl das Buch zweifelsfrei autobiografisch sei, sollte man es nicht so lesen, empfiehlt er mit Nachdruck. Biller himself habe den Begriff "Selbstbildnis" gewählt. Denn das Buch verfolge zwar Billers Leben und Karriere, über die Redaktion, seine Abstoßungsphase von Thomas Mann ("der Fritzl der deutschen Literatur") bis zu seiner Zeit als 100-Zeilen-Hass-Produzent bei der Zeitschrift "Tempo" und darüber hinaus. Doch interessant wird es für Unfried erst wirklich, wenn man die Personen, die meist mit Klarnamen aufträten, von Henryk M. Broder bis Biller-Verleger Helge Malchow, ignoriert und über das nachdenkt, was Biller an ihrem Beispiel sagen wolle: Dass in Deutschland gerade auch der Bildungsbürger sich abschotte vor allem, was er als fremd empfindet.