Maxim Biller

Biografie

Roman
Cover: Biografie
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2016
ISBN 9783462048988
Gebunden, 896 Seiten, 29,99 EUR

Klappentext

Der jüdische Schriftsteller Soli Karubiner muss Deutschland verlassen, nachdem er in einer Sauna einen Skandal verursacht hat und ein deutscher Jungautor droht, das dabei aufgezeichnete Überwachungsvideo online zu stellen. Gleichzeitig taucht im Internet ein anderes Video auf: Es zeigt Soli Karubiners besten Freund Noah Forlani, den Hamburger Millionärssohn, der im Sudan von einer Islamistengruppe entführt wurde. Soli Karubiner und Noah Forlani sind nicht die einzigen Figuren dieses epochalen Romans, deren Leben in Unordnung gerät. Da ist Tal 'The Selfhater' Shmelnyk, der israelische Elitesoldat, Friedenskämpfer und Mossad-Spion, da sind Schloimel Forlani, Noahs weiser Gangstervater, und Solis Vater Wowa, der russisch-jüdische Ex-Kommunist, der ganz allein den Sturz des Kommunismus im Jahr 1989 herbeigeführt hat. Und da sind natürlich die Frauen: Die schöne, traurige Natascha Rubinstein, die mal Noah liebt, mal Soli; die perverse Ethel, die keine Jüdin mehr sein will; und die Familien-Tyrannin Merav, Noahs klammernde Ehefrau.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 26.04.2016

Rainer Moritz ist enttäuscht von Maxim Biller. Dass der Autor mit Witz erzählen, seitenlang über Potenzstörungen fabulieren kann und Stilvermögen besitzt, bezweifelt er nicht. Das Problem des Romans liegt laut Moritz jedoch darin, dass der Autor sich dessen offenbar weniger sicher ist und daher zu nervender Kraftmeierei neigt. Darüber, so Moritz, tanzen dem Autor leider die Erzählfäden davon. Mehr Struktur, weniger auftrumpfende Metapherngewitter und Pirouetten und das mittels Rückblenden ein ganzes Jahrhundert, das Judentum, den Holocaust, den Stalinismus und allerhand mehr durchmessende Buch, das vordergründig von einem jüdischen Schriftsteller, seinem besten Freund, einem millionenschweren Mäzen, und beider Familien handelt, hätte Moritz durchaus gut gefallen.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 09.04.2016

Maxim Biller ist ein Moralist, schreibt Jana Hensel. Er wolle zeigen, wie es zum Holocaust kommen konnte und dass die Schuld daran niemals verjährt. Das tue er nun mit einem Buch, das in den Augen der Rezensentin "in jeder Zeile so jüdisch sein will, dass ich mich manchmal frage, ob ein Ultraorthodoxer aus Mea Shearim, direkt bei Gott angestellt und mit 15 Kindern, ob dieser Mann auch sooo jüdisch ist wie Billers Roman". Der Autor spiele unentwegt mit antisemitischen Klischees und fordere seine Leser damit heraus. All jene, die das nur schwer aushalten könnten, seien diejenigen, die Billers Bücher am dringendsten lesen sollten, findet Hensel. Doch hinter den Provokationen rund um Sex und Nazis und hinter dem Humor Billers versteckt sich für die Kritikerin "wunderbare, kluge, feine, wirklich große Literatur".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 07.04.2016

Rezensent Ijoma Mangold ist geteilter Meinung über Maxim Billers Roman "Biografie". Die ersten paar hundert Seiten hat sich der Rezensent amüsiert und das grelle Personal genossen, das Biller zwischen Berlin, Moskau, L.A. und Tel Aviv hin und her schickt und mit reichlich Neurosen und Sex versieht. Von Anfang an sind Billers Figuren radikal ehrlich und breiten ihr Seelenleben aus, das häufig zynisch ist, fast immer witzig, aber untergründig immer schwermütig genug, um eine gute Mischung zu erzeugen, erklärt Mangold. Leider wird diese Offenheit aber zum Problem, verrät der Rezensent, wenn die Tiefe der Dinge ihre Oberfläche ist, dann bleibt kein Raum für eigene Spekulationen, und den hätte Mangold gerne gehabt. Und so sind die letzten fünfhundert Seiten dieses Romans nur mehr Makulatur, bedauert Mangold.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.03.2016

Maxim Billers literarischen Höhenflug kann sich Rezensent Andreas Platthaus leider nur vorstellen. Was er auf immerhin 900 Seiten tatsächlich geboten bekommt, nennt er eine große Farce nach Karl Marx, die Fabulierlust (getarnt als Sprachflapsigkeit) aber auch eine für den Rezensenten schwer verständliche Einförmigkeit auszeichnet. Dass Biller bei der Identifizierbarkeit seiner Figuren vorsichtig ist, kann Platthaus gut verstehen. Weshalb er ihnen jedoch keine eigenen Sprachregister zugesteht, vermag er nicht zu erraten. Davon abgesehen aber bietet ihm der Autor eine Familiengeschichte mit Holocaust-Trauma und (diese Kombination scheint von Biller ausdrücklich gewollt) jede Menge "sexuell bedingte" und weniger bedingte Aufmerksamkeit für Ärsche.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 30.03.2016

Rezensent Christian Schlüter stöhnt über diesen "dicken Brocken". Dass die dauernden pornografischen Schmankerl im neuen Roman von Maxim Biller das einzig Erfreuliche bleiben würden, hätte er sich nicht vorgestellt. Schade, findet er, sichtlich genervt von Billers gnadenlosem Herumfuchteln mit Figuren, Namen, Umständen und Orten. Wenn die Geschichte um zwei jüdische Familien endlich doch noch "losrumpelt" und Biller zwischen Holocaust und Masturbation sogar witzig wird und die "penible" Langatmigkeit der Identitätsgeschichten in seinem Buch vergessen lässt, ist der Rezensent schon am Schnarchen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 30.03.2016

Die Sympathie, die Rezensent Lothar Müller für Maxim Biller hegt, reicht in jene Zeit zurück, als der Erzähler Biller (nicht der Tempo-Kolumnist) in die deutsche Literatur einen jüdischen Ton zu bringen versuchte, der sich sowohl an amerikanische Autoren wie Saul Bellow oder Philip Roth orientierte als auch an europäische wie Bruno Schulz und Samuel Joseph Agnon. Von dieser Ambition ist nicht mehr viel zu spüren, muss Müller einräumen, der den Roman im Aufmacher des SZ-Feuilletons bespricht, auf den neunhundert Seiten des Romans "Biografie" findet er nur wenige Sätze, in denen ein Erzähler durchschimmert. Ansonsten herrsche hier "hochtouriger Leerlauf". Zwischen Hamburg und Tel Aviv, Berlin und Los Angeles, New York und Prag jagen Billers jüdische Protagonisten von Pointe zu Pointe, von Cybersex zu irren Netzaffären, vom Holocaust zum Terrorattentat. Einen erzählerischen Zusammenhang kann Müller nicht erkennen und findet sich auch irgendwann nicht mehr zurecht in diesem "Gewühl von Gefickten und Ungefickten". Echtes Leben gibt es hier nicht. Hohes Tempo, angestrengt coole Vergleiche und viele gekoppelte Substantiv-Reihen mit nervigen Präfixen in der Manier von "nicht unwitzig": Wenn das Sitcom sein soll, winkt Müller ab, dann höchstens deutsche.
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