Michel Foucault

Hermeneutik des Subjekts

Vorlesung am College de France (1981/82)
Cover: Hermeneutik des Subjekts
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004
ISBN 9783518583883
Gebunden, 280 Seiten, 39,90 EUR

Klappentext

Michel Foucaults Vorlesung "Hermeneutik des Subjekts", die er 1981/82 am College de France hielt, war ein zugleich umstrittenes wie einflussreiches Ereignis. Foucault bestimmt hier die historischen wie theoretischen Voraussetzungen eines seiner wirkmächtigsten Konzepte: der Sorge um sich. Der Entwurf einer Ästhetik der Existenz, von dem auch derjenige einer Philosophie der Lebenskunst ihren Ausgang nimmt, gewinnt hier in einer Interpretation klassischer antiker Texte seine Konturen.Foucaults Lektüre kanonischer Texte von Platon, Mark Aurel, Epikur und Seneca zielt dabei auf eine neue und überraschende Theorie des Subjekts, die sich keineswegs auf eine historische Rekonstruktion beschränkt, sondern vielmehr versucht, eine andere Perspektive auf die Konstitution des modernen Subjekts zu gewinnen. Seine Arbeit besteht darin, einen historischen Blick auf das zu gewinnen, was für uns keineswegs der Geschichte unterworfen zu sein scheint: die Art und Weise, wie wir uns als Subjekte zu uns selbst verhalten.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 14.09.2004

Von Januar bis März 1982 hielt Michel Foucault im College de France Vorträge zur "Hermeneutik des Subjekts". Diese liegen nun, liebevoll ediert, auf Deutsch vor. Foucault wendet sich in seinen Vorlesungen der "Sorge um das Selbst" zu, einer nicht-egoistischen Moral, nun auch betrachtet außerhalb des sexualhistorischen Kontexts. Dabei weist der Philosoph nach, dass das Postulat der Selbstsorge jenem anderen, berühmteren des "Erkenne dich selbst" vorgeordnet war. Die Vorträge zeichnen die Wandlungen der "Sorge um das Selbst" durch die Antike hindurch nach, vom politisch grundierten sokratisch-platonischen Anspruch bis zur römischen Kunst der Lebensführung. Gute Nachrichten hat der Rezensent Wilfried Nippel für Foucaults Fans: nicht weniger als einen Blick in die Werkstatt stellen in seinen Augen diese Texte dar, die, da das Wort des Starphilosophen sakrosankt ist, auch Klagen über die Qualität des Mikrophons oder die Ankündigung von Pausen getreulich protokollieren. Weniger Enthusiasmierte werden allerdings beklagen, argwöhnt Nippel, dass man das, was hier gesagt wird, auch auf weniger als 600 Seiten hätte sagen können, wenn man auf die "Wiederholungen und ständigen Abschweifungen" verzichtet hätte. Da Foucault nicht mehr dazu kam, den sozialhistorischen Kontext der verschiedenen Ausprägungen der Selbstsorge zu entfalten, bleibt es bei einem "Diskurs über Diskurse".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.07.2004

Beeindruckt zeigt sich Joseph Hanimann von dieser Vorlesung, die Michel Foucault 1981/82 am College de France hielt. Im Mittelpunkt sieht er das Thema der Selbstkultur und Selbstpraxis, das Konzept der Sorge um sich selbst, das Foucault im Rückgriff auf die griechisch-römische Antike und deren Problematisierung des Subjekts entwickle. Wichtig erscheint ihm Foucaults Feststellung, das bekannte Prinzip des "Erkenne Dich selbst" sei eine kognitive Verengung der wesentlich weiter gefassten Sorge um sich. Bei Epikur und der Stoa sehe Foucault das Sich-um-sich-selbst-Kümmern nicht mehr nur als Selbstanalyse in Vorbereitung auf ein politisches Amt, sondern als Motor der Selbstbildung mit kritischem Potential, das zur fortwährenden Korrektur der eigenen Lebensführung ansporne. Dabei spiele die politische Dimension, die Frage nach dem Verhältnis zum anderen in der radikalen Selbstpraxis, eine zentrale Rolle. Auch wenn der Autor hier zu keiner abgerundeten Theorie gelange, werfe er doch "faszinierende Streiflichter auf Einzelaspekte". Hanimann nimmt Foucault dabei auch vor jenen Zeitströmungen in Schutz, "die sich als dandyhafte Egozentrik oder subjektivistische Weltflucht in seiner Theorie oft wiederzuerkennen glaubten." Foucaults "Hermeneutik des Subjekts" ziele nicht auf "Selbsterfahrungskitsch oder kuschelige Auspolsterung des Ich", stellt der Rezensent klar, "sondern auf scharfe und unablässige Wachsamkeit im Ausdeuten der winzigen Wechselfälle, die jeden Tag neu durch ein ganzes Leben gesellschaftlich das Selbst am Selbst reiben." Ein großes Lob hat er nicht nur für die "ausgezeichnete" Übersetzung von Ulrike Bokelmann übrig, sondern auch für die Aufmachung des Bandes, der mit Namenregister, Literaturverzeichnis und einer ausführlichen Situierung der Vorlesung von Frederic Gros aufwartet.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 15.07.2004

Die "performative Bescheidenheit" ist Rezensent Rene Aguigah bei der Lektüre der ersten veröffentlichten Vorlesung Michel Foucaults besonders aufgefallen. Die Vorlesungen, in denen Foucault die internen Bedingungen von Subjektivität untersucht hat, ergeben mehr als 600 Seiten voller Zitate, detaillierter Kommentare und ungezählter Wiederholungen; auf jene "Molotowcocktails" und "schneidenden Formulierungen" der früheren Werke wird verzichtet, ohne dass der Autor selbst aber verschwindet. Wer die "mangelnde Dichte" des Bandes in Kauf nimmt, kommt der "Werkstatt" Foucaults so nahe wie nie zuvor und findet "mitten im Grau" der analysierten Texte unverwechselbare "Orientierungsmarken", weiß der Rezensent. Auch gewinnen die Aussagen in diesem zum Spätwerk gehörenden Band an Allgemeinheit, da Foucault Subjekt-Formen untersucht, ohne sie "beständig auf den Beispielkomplex Sexualität" beziehen zu müssen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 08.07.2004

Dem "spannenden, auch spannungsvollen Umdenken" Michel Foucaults hat sich Rezensent Manfred Frank gewidmet. Dieser Wandel - weg von der Vorstellung, das Subjekt spiele nur die "traurige Rolle" eines Endprodukts von "Abrichtungs- und Unterdrückungstechniken" und hin zur Idee, dass das Subjekt sich selbst konstituiert - ist in der Niederschrift des Foucaultschen Vorlesungszyklus von 1982 nachzulesen, der jetzt auch "zuverlässig" ins Deutsche übersetzt worden ist. Die These einer gelungenen Identitätsfindung gefällt dem Rezensenten ebenso wie Foucaults Stärke, seine Ideen in "anregendem, leicht lesbarem" Stil auszubreiten. Kritisch betrachtet er dagegen die Definition des Foucaultschen Subjekts: Völlig "verflochten" in die Lebenspraxis" könne man aus ihm keine Einsicht in seine "interne Struktur gewinnen", wie es die zeitgenössische Philosophie des Geistes anstrebe.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 24.06.2004

Bernhard Dotzler hat sich mit großem Interesse in die Gedanken vertieft, die Freund und Feind Foucaults in helle Aufregung versetzten, als 1984 kurz vor dessen Tod der letzte Band von "Sexualität und Wahrheit" erschien. Mit "Hermeneutik des Subjekts" sind jetzt nämlich in aller Ausführlichkeit die Vorlesungen dokumentiert, deren geraffte Aussage Foucault seinerzeit im Kapitel "Die Kultur seiner selber" vorstellte - und die seine Gegner jubelnd konstatieren ließen, er sei "gerade noch rechtzeitig vom Irrweg des Antihumanismus auf den rechten Pfad ursprünglicher Wahrheitssuche zurückgekehrt". Doch Dotzler korrigiert: Foucault habe sich mit der "Umkehr zu sich selbst" beschäftigt, doch war sie sein Gegenstand und keineswegs seine Botschaft. Auch wenn seine emphatische Rekonstruktion der Praktiken, mit der die antiken Philosophen das "Selbst" - also die unhintergehbare "Wahrheit" - finden wollten, geistige Sympathien nahe lege, so untersuche er diese "Subjektivitätspraktiken" doch wie eh und je mit historischem Blick. Was ihn interessierte, war die (diskursive) Geschichte der Wahrheitsfindung, und es spricht für ihn (für seine anti-ideologische Haltung), aber gegen den voreiligen Triumph seiner Gegner aus dem Lager der Metaphysik, dass er dabei nie ausschloss, vielleicht doch irgendwann einem transzendentalen "Rest" gegenüberzustehen, der sich der Historisierung verschließt. Findet Dotzler und empfiehlt die Lektüre.