Miljenko Jergovic

Freelander

Roman
Cover: Freelander
Schöffling und Co. Verlag, Frankfurt am Main 2010
ISBN 978389561393
Gebunden, 232 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Aus dem Kroatischen von Brigitte Döbert. Der pensionierte Gymnasiallehrer für Geschichte Karlo Adum erhält ein Telegramm, das ihn zu einer Testamentseröffnung in seine Geburtsstadt Sarajevo zitiert. Widerwillig und eigens mit einer Pistole bewaffnet, verlässt er Zagreb und begibt sich auf eine abenteuerliche Reise.
Je näher er in seinem treuen alten Volvo dem Ziel seiner Reise kommt, desto mehr Erinnerungen steigen in ihm auf: an seine hübsche, grausame "Mama Cica", die gern mit deutschen und italienischen Offizieren flirtete; an den verrückt gewordenen Vater; an die von der Ustascha erhängten Kommunisten vor der Kathedrale; an die Fahrt zum Meer in einem Bus mit geistig behinderten Kindern und an seine eigenen Verfehlungen in einer Welt voller nationaler Animositäten.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 21.07.2010

Christoph Bartmann kann sich angesichts Miljenko Jergovics Roman "Freelander" kaum vorstellen, dass dem Autor in Zagreb, in Belgrad oder Sarajewo die Sympathien entgegenschlagen werden. Der in Sarajewo geborene und während der Belagerung nach Zagreb geflohene Autor lässt nämlich einen pensionierten, einsamen Geschichtslehrer wegen einer Erbschaft und mit vielen Erinnerungen im Gepäck in einem alten Volvo quer durch das ehemalige Jugoslawien fahren und dabei auf ein vom Krieg und von ethnischen Auseinandersetzungen verheertes Land blicken. Mit unfehlbarem Griff zeigt uns der Autor die schönen, schrecklichen und komischen Seiten Ex-Jugoslawiens und es gelingt ihm dabei, Themen wie "Identität, Herkunft und ?Kultur'" anschaulich werden zu lassen, wie der Rezensent preist. Dass sich bei der schonungslosen, "krassen" Perspektive dennoch Zuneigung für seine zerrissene Heimat zwischen den Zeilen lesen lässt, beeindruckt Bartmann und lässt ihn auf weitere Bücher Jergovics gespannt sein.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.06.2010

Stefanie Peter drängen sich angesichts des Romans von Miljenko Jergovic massiv Parallelen zu Clint Eastwoods letztem Film auf. Wie in "Gran Torino" wirkt in diesem Roman der Krieg der Vergangenheit bis in die Gegenwart fort, erklärt die Rezensentin. Im Gegensatz zum amerikanischen Regisseur und Schauspieler lässt der 1966 in Sarajewo geborene Autor, der seit 1993 in Zagreb lebt, allerdings seinen alten Protagonisten Karlo Adum noch einmal aufbrechen und zwecks einer Testamentseröffnung über neue Grenzen hinweg in seine Geburtsstadt Sarajevo reisen. Die Fahrt in seinem alten Volvo Baujahr 1975 entpuppt sich als eine Reise durch die - häufig quälende - Erinnerung und dabei spiegelt sich die gewaltsame Geschichte Jugoslawiens eindrucksvoll wider, wie die Rezensentin beeindruckt lobt. Gleichzeitig aber lässt sie sich von der anhaltenden Spannung, der durchdringenden Komik und der Phantasie des Autors begeistern, und sie schreibt diesem Roman einen starken Sog zu, der es unmöglich macht, ihn aus der Hand zu legen.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 10.04.2010

Deutliches Unbehagen hat die Lektüre dieses Romans bei Doris Akrap hervorgerufen, was unbedingt als Kompliment an das Buch zu verstehen ist. Denn dieses "Roadmovie" von Miljenko Jergovic kann es ihrer Ansicht nach, was Gewalt, Psychopathologie oder Mythenkritik betrifft, mühelos mit Büchern von Thomas Pynchon oder den "Natural born Killers" aufnehmen. Das Buch führt nach Sarajevo und in die Vergangenheit, schreibt sie, in eine Landschaft und zu Menschen, in denen Kriege und andere Verwüstungen ihre Narben hinterließen. Schrecken, Verdrängung und Schweigen allenthalben, Figuren, hinter deren blutleeren, grauen Masken die Kritikerin Mörderseelen lauern spürt. Immer wieder jagen brillante Schilderungen menschlicher und anderer Abgründe der Kritikerin Schauer über den Rücken.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 09.03.2010

Tief beeindruckt und etwas mitgenommen wirkt Andreas Breitenstein von dieser rabenschwarzen Roadnovel, in der Miljenko Jergovic den pensionierten Gymnasiallehrer Karlo Adum aus seinem Zagreber Hochhausghetto in seine Heimatstadt Sarajevo in einem alten Volvo seinem Untergang entgegenfahren lässt. Nicht nur die jüngere gewaltsame Geschichte des Balkan wird hier heraufbeschworen, bis vor dem Zweiten Weltkrieg reichen die beklemmenden, von Gewalt geprägten Erinnerungen des vollkommen zerrütteten Adum, stellt der Rezensent fest. Eindrucksvoll beschreibt der kroatische Autor, "souverän" übersetzt von Brigitte Döbert, die "postapokalyptische" Landschaft und die sich zunehmend verfinsternden Gedanken und Ängste seines Protagonisten, preist der Rezensent. Er erkennt in Adum einen "Homo Jugoslavicus", in dem sich die ganzen Widersprüche und Ressentiments des untergegangenen Jugoslawien bündeln. Damit gelinge es Jergovic das äußerst beeindruckende Bild einer Landschaft, in der der Krieg immer noch nicht zu Ende ist. Und die "virtuosen Ketzereien", mit denen der Roman verstört, sind angesichts der nach wie vor üblichen Berufung auf eine gewaltsame "archaische Kultur" auf dem Balkan immer noch "nötig", findet Breitenstein.

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