Niklas Luhmann

Liebe

Eine Übung
Cover: Liebe
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008
ISBN 9783518585047
Gebunden, 95 Seiten, 8,00 EUR

Klappentext

Individuen kann man bekanntlich daran erkennen, dass sie einen Knick in der Optik haben. Sie gewinnen allen öffentlich zugänglichen Dingen und Ereignissen einen zweiten Sinn ab, der zunächst einmal nur für sie selbst zugänglich ist. In dieser höchst persönlichen Optik mag dann etwa als Langsamkeit eines Mitmenschen erlebt werden, was dieser der Ungeduld des Erlebenden selbst zurechnen würde. Besonders konsensfähig ist diese individualisierte Art des Erlebens also nicht. Immerhin kann der Fall eintreten, dass ein anderer, statt einfach nur mit dem Kopf zu schütteln, sich in meine Weltsicht hineinversetzt und dann sogar anfängt, sie durch eigenes Handeln zu bestätigen: Statt mir Ungeduld vorzuwerfen, handelt er selbst etwas schneller. Für die anderen ist mein Erleben dann immer noch unmaßgeblich, aber für den anderen hat es offenbar die Kraft eines starken Motivs. So wird es mir leichter gemacht, der zu sein, der ich bin.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 17.02.2009

Rezensent Jakob Schrenk versichert, dass Niklas Luhmann in diesem Band mitnichten als der abgehobene Systemtheoretiker auftritt, über dessen hermetisches Vokabular man sich weidlich amüsieren kann. Luhmann schreibt hier absolut verständlich und erweist sich als "radikaler Empiriker". Was Schrenk von Luhmann über die Liebe lernt, ist vor allem, dass der Einzelne in der modernen Paarbeziehung als "Ganzer Mensch" in Erscheinung tritt, nicht nur als Rollenträger in einem Teilsystem, wodurch die Zumutungen des Alltags erträglicher werden. Denn: "Alles Erlebte ist auch für den Geliebten relevant."
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 16.10.2008

Erfreut zeigt sich Christine Pries über dieses aus dem Nachlass stammende Buch von Niklas Luhmann mit dem Titel "Liebe". Sie warnt allerdings Romantiker und mit der Luhmannsch'en Systemtheorie unvertaute Leser vor der Lektüre, geht es in dem Buch doch keineswegs um Gefühle, was sie mit Luhmanns Bestimmung der Liebe ("Liebe übermittelt Selektionsleistungen durch Orientierung an dem individuellen Selbstverständnis und der besonderen Weltsicht eines anderen oder einiger anderer Menschen") gleich unter Beweis stellt. Wie Pries berichtet, handelt es sich bei dem Buch um einen ursprünglich als Seminarvorlage dienenden Text aus dem Jahr 1969. Luhmann-Kenner werden ihrer Einschätzung nach darin nichts Neues finden. Gleichwohl scheint es ihr faszinierend zu sehen, dass der Text in knapper Form alle zentralen Gedanken von Luhmanns Klassiker "Liebe als Passion" von 1982 bietet.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.10.2008

Was ihm Niklas Luhmanns aus dem Nachlass publiziertes kleines Liebes-Traktat eingebracht hat, vermag Christian Geyer nur schwer zu bezeichnen. Der konkreten Liebeserfahrung jedenfalls, versichert uns der Rezensent fast erleichtert, wird mit diesem Buch und seinem Hinweis auf die kulturelle Prägung der Liebe weder etwas genommen noch hinzugefügt. Gewonnen hat er immerhin die Einsicht, dass Luhmann nicht nur selbstgenügsam zu theoretisieren, sondern auch fundiert theoriekritisch auf "lebensweise Assoziationen" hin zu arbeiten vermag - und das virtuos wie keiner. Für Geyer allemal ein Genuss, der die Theorie nicht weniger liebenswert macht.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 09.10.2008

"Jetzt ist Niklas Luhmann tatsächlich drauf und dran, zum Geschenkbuch zu werden," ruft Rezensentin Elisabeth von Thadden angesichts dieses "auffallend roten" und "ratgeberhandlichen" Büchleins aus. Kenntnisreich ordnet sie hernach Luhmanns darin zusammengefasste, für das Sommersemester 1969 formulierte Thesen und Theoreme in den Diskursspiegel der 60er Jahre ein. Sie referiert Luhmanns Begriff von der Liebe als "symbolischen Code", weil die Menschen das, was sie fühlten, nur in den jeweiligen "Bildern und Metaphern" ihrer Zeit erfahren könnten. Mit dieser "kleinen Theorie der Liebe" sei damals ein "theoretisches Riesenvorhaben" in Gang gesetzt worden, das die Transformation in die "Komplexität moderner Gesellschaften" und deren Eigenheiten formulieren sollte, deren Startschuss einst die Erfindung der Liebe gewesen sei. Die Rezensentin spürt einen "Hauch von neuer Freiheit" der 60er Jahre durch das Buch wehen, und etwas "Lachendes" darin, weshalb sie dem "Ironiker" Luhmann wünscht, das Geschkenbuchschickal möge ihm erspart bleiben.