Paul Brodowsky

Väter

Roman
Cover: Väter
Suhrkamp Verlag, Berlin 2023
ISBN 9783518431030
Gebunden, 302 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Erst als der Sohn ihn danach fragt, spricht der Vater, Jahrgang 1933, von der NS-Zeit. Von der Napola, der Nationalpolitischen Lehranstalt, vom jüdischen Fellhändler am Markt und von seinem Onkel. Jenem Onkel Paul, nach dem der Sohn benannt ist und der NSDAP-Kreisgeschäftsführer war. Im Bundesarchiv findet der Sohn, als jüngstes von acht Kindern 1980 geboren, nur eine schmale Akte. Doch ihn lassen die Fragen nicht los: Wie setzen sich nationalsozialistische Prägungen auch in seiner Familie fort? Welche überkommenen Ideale, welche patriarchalen Vorstellungen haben sich in ihn eingeschrieben und gibt er vielleicht selbst weiter? In welchen Konflikten treten sie bis heute zutage? Er stellt fest, wie herausfordernd es ist, im Umgang mit den eigenen Kindern seine Rolle als progressiver Vater zu finden, zumal ihm klare Vorbilder dafür fehlen.Paul Brodowsky erzählt in seinem Roman Väter von einem Jahrhundert deutscher Geschichte. Er verdichtet Erinnerungen, Recherchen und Reflexionen zu einem Bild der BRD nach der Zeit des Nationalsozialismus - er arbeitet auf, was in vielen Familien bis heute verschwiegen wird, und spannt so den Bogen von den dreißiger Jahren bis zur Gegenwart. Eine schonungslose Selbstbefragung und Spurensuche nach den Prägungen durch die Großväter und Väter.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.11.2023

Als Roman noch nicht ganz ausgereift, aber mit den richtigen Fragen und Beobachtungen ausgestattet: So liest Rezensent Sascha Feuchert das Debüt von Paul Brodowsky, in dem er sich mit dem "Fortwirken des NS-Erziehungserbes" befasst. Sein Vater war auf die NS-Eliteschule Napola gegangen, erfahren wir, der mit dem Autor mindestens namensidentische Protagonist entdeckt immer mehr Prägungen aus dieser Zeit im Familienleben. Der Protagonist macht sich Sorgen, diese "Ideen von Überlegenheit" könnten sich auch in seiner eigenen Kleinfamilie niederschlagen und tritt vehement gegen alles ein, was ihm ein Gefühl von Wir gegen die Anderen vermittelt, erfahren wir. Als literarischer Text manchmal etwas zu akademisch, aber es werden die richtigen, nachdenklich machenden Schlüsse gezogen, schließt Feuchert.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.06.2023

Rezensent Christoph Schröder ist ziemlich genervt von Paul Brodowskys Roman zum Thema Vatersein. Über dieses denkt der Autor hier in einem Mix aus "Familiengeschichte, Selbsterkundung und Erziehungsratgeber" nach, wie der Kritiker erklärt. Brodowsky wolle herausfinden, wie ihn seine Kindheit prägte und welche eventuell problematischen Schemata er von seinem während der NS-Zeit aufgewachsenen Vater übernommen hat. Dagegen hat Schröder zunächst nichts einzuwenden, ihm missfällt aber der "pseudoakademische und bürokratische" Schreibstil des Autors, der höchstens durch "zeitgeistige Buzzwords" aufgelockert werde. Geradezu abgestoßen ist der Rezensent von der moralischen Überheblichkeit, die der Autor anderen gegenüber an den Tag  lege. Mitunter sieht Schröder die Grenze zum Verleumderischen überschritten.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 26.04.2023

Auf eine "herausfordernde Expedition" begibt sich Rezensentin Leonie Gubela mit Paul Brodowskys autofiktionalem Roman, in dem dieser das Verhältnis zu seinem cholerischen Vater aufarbeitet und kritisch auf sein eigenes Vatersein blickt. Die Geburt des ersten Kindes ist für den Ich-Erzähler der Anlass, sich mit seiner schwierigen Kindheit und mit der Täter-Vergangenheit in der Familie auseinanderzusetzen, die unter den ideologisch "eingeimpften" patriarchalen Strukturen litt, resümiert die Kritikerin. Auf dieser Such nach Identität werden die Leser Zeugen wichtiger Momente der Erkenntnis, versichert Gubela, manchmal verliere man sich aber auch zwischen "Jugenderinnerung, historischer Aufarbeitung" und akademischer Analyse. Der Kritikerin wundert sich ein bisschen über die kompromisslose Ernsthaftigkeit des Romans, findet diese bei genauerer Betrachtung aber "auf eigene Art erfrischend".

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 21.04.2023

Rezensentin Meike Feßmann begegnet Paul Brodowskys ambitioniertem literarischen Programm in "Väter" gewogen, während das Thema seines Romans gleichzeitig einige Vorbehalte bei ihr wachzurufen scheint. Transgenerationelle Traumata - darin vermutet Brodowskys Alter Ego die Erklärung für seine als unverhältnismäßig empfundene Wut angesichts der Differenzen zwischen seinen eigenen Interessen und der Kinderversorgung. Feßmann zeigt sich moderat genervt von der "zweifelhaften Inanspruchnahme dieser Opferrolle". Transgenerationelle Traumata seien ja als Begründung für alles Mögliche gerade sehr en vogue. Aber immerhin, die literarische Form, mit der sich Brodowsky seiner eigenen Vergangenheit zu nähern versucht, ist durchaus spannend, so Feßmann. Statt chronologisch zu erzählen, schichtet der Autor fragmentartige Textschollen zusammen und kombiniert sie mit Fotografien und anderen Abbildungen aus seiner eigenen Kindheit und Jugend. Doch ein gutes Programm macht noch keinen Roman. Ja, am geringen "Mehrwert" dieses Debüts ändert es wenig, so die eher enttäuschte Rezensentin.