Per Olov Enquist

Die Ausgelieferten

Roman
Cover: Die Ausgelieferten
Carl Hanser Verlag, München 2011
ISBN 9783446236325
Gebunden, 480 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Aus dem Schwedischen von Hans-Joachim Maass. Neuausgabe mit einem aktuellen Nachwort des Autors. Im Mai 1945 waren dreitausend deutsche und 167 baltische Soldaten der deutschen Wehrmacht von der Ostfront nach Schweden geflüchtet. Ende Januar 1946 lieferte Schweden - trotz heftiger Proteste der Internierten - die Mehrzahl der Deutschen und Balten an die Sowjetunion aus. Um das Schicksal der aus dem Baltikum stammenden Soldaten rankten sich bald politische Legenden, denen der Autor in diesem Buch auf den Grund geht. Seit Enquist in "Ein anderes Leben" über die Hintergründe der Arbeit an diesem frühen Dokumentarroman berichtet hat, ist der Ruf nach einer Neuausgabe nicht verstummt. Jetzt ist dieses lange vergriffene Buch mit einem aktuellen Nachwort des Autors wieder lieferbar.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 25.02.2012

Rezensent Thomas Fechner-Smarsly freut sich über diese Neuauflage von Per Olov Enquists Roman "Die Ausgelieferten" von 1968. Dieses frühe Werk bezeugt für ihn das große literarische Können des schwedischen Schriftstellers. Er beschreibt das Buch als Dokumentarroman, der die Umstände, den Verlauf und die Folgen der von der schwedischen Regierung beschlossenen Auslieferung einer Gruppe baltischer Flüchtlingen an die Sowjetunion 1946 untersucht. Der Autor schildert für ihn nicht nur die gesellschaftliche Debatte um die Auslieferung der Balten, die im Krieg mit den Deutschen kollaboriert hatten, sowie deren Widerstand, sondern auch wie es den Ausgelieferten später ergangen ist. Das Buch lässt sich nach Fechner-Smarsly als Fallstudie über Widerspruch von Moral und politischen Kalkül lesen. Er vergleicht das Verfahren des Roman mit der Methode der teilnehmenden Beobachtung und hebt zugleich hervor, dass Enquist mehr leistet, nämlich eine "anteilnehmende Beobachtung".

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 24.08.2011

Erweiterung der Kunst, keine Kleinigkeit, aber Katharina Granzin fühlt sich auch sonst beschenkt von diesem Autor, der in diesem nun auf Deutsch wieder aufgelegten Erstlingsroman von 1968 nicht nur ein heißes Eisen der schwedischen Geschichte anpackt (es geht um die Auslieferung baltischer Offiziere nach 45' an die Sowjets), sondern auch noch seine Rolle als Autor skeptisch reflektiert, mit allen Zweifeln und Fragen an die Historie, wie Granzin begeistert feststellt. Für sie birgt das so gemachte Buch dreierlei Gewinn: die gut recherchierten Fakten eines klassischen historisch-dokumentarischen Romans, zugleich die Hinterfragung des historisch verbürgten Wissens und nicht zuletzt die daraus resultierende Spannung, die sich beim Lesen einstellt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 14.04.2011

Mit Per Olov Enquists "Die Ausgelieferten" von 1970 ist nach Christoph Bartmann ein meisterhaftes Stück Dokumentarliteratur mit überragenden literarischen Qualitäten neu aufgelegt worden. Der schwedische Autor untersucht darin mit minutiöser Akribie die Auslieferung von 3000 deutschen Soldaten und baltischen SS-Söldnern an die Sowjetunion, die bis heute ein moralisches Problem in Schwedens Geschichte darstellt, erklärt der Rezensent. Enquists Untersuchung, die auch Selbstversuche beinhaltet - er begann beispielsweise 1967 einen Hungerstreik in Anlehnung an den Widerstand der Balten gegen ihre Auslieferung -, hat bis heute Gültigkeit, betont der Rezensent. Dass bei allem dokumentarischen Wert auch der unverkennbare Enquist-Ton bereits in diesem frühen Roman ausgeprägt ist, untermauert für den Rezensenten auch seine Geltung als großes literarisches Werk. Und die Frage des "Spiegel"-Kritikers 1970, ob der "Aufwand", den Enquist hier betreibt, sich "lohnt", beantwortet auch Bartmann noch überzeugt mit einem Ja.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.03.2011

Dieses Buch ist ein Klassiker, erstmals 1968 erschienen, damals bereits ins Deutsche übersetzt. Per Olov Enquist, der mit dem Werk berühmt wurde und heute ein wichtiger Autor der Weltliteratur ist, hat das zwischen Dokumentation und Roman schwankende Buch für die Neuausgabe mit einem Nachwort versehen. Er konstatiert darin - und zwar, wie Heinrich Detering findet, ganz zurecht -, wie wenig die Darstellung gealtert sei. Die Ausgelieferten, deren Schicksal hier mit beigefügtem Dokumentarmaterial geschildert wird, sind von Nazis in ihren Dienst genommene lettische Söldner, die von Schweden nach dem Krieg an die Sowjetunion ausgeliefert und damit potenziell dem Tod preisgegeben werden. Das Buch ist eine Anklage, die das Selbstbild Schwedens als sozialdemokratisches "Volksheim" gewaltig erschütterte. Keineswegs, konstatieren Enquist und Detering, habe sich freilich diese Mentalität der Erschütterung zum Trotz bis heute grundlegend gewandelt.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 16.03.2011

Christian Staas begrüßt die endlich wieder erhältliche Neuausgabe des 1968 erstmals erschienenen dokumentarischen Schlüsselwerks von Per Olov Enquist. Der Text handelt einerseits von der im Mai 1945 durch die schwedische Regierung erfolgten Auslieferung von 3000 nach Schweden geflohenen Wehrmachtssoldaten, darunter 167 zum Teil zwangsrekrutierte Balten, und SS-Männern an die Sowjetunion, andererseits macht er die Recherchearbeit selbst im Text sichtbar und ist somit "eine Art Geschichtsschreibung mit den Mitteln der erzählenden Literatur". Der als "Untersucher" in der dritten Person agierende Enquist schaut sich bei der Abfassung selbst über die Schulter und legt eine skrupulöse Genauigkeit in der Bewertung der historischen Quellen an den Tag, der gerecht zu werden fast unmöglich ist. Enquists Buch ist eine "zeitlose Parabel über historische Aufklärung als Selbstaufklärung", so der Rezensent.