Philip Roth

Das sterbende Tier

Roman
Cover: Das sterbende Tier
Carl Hanser Verlag, München 2003
ISBN 9783446202733
Gebunden, 164 Seiten, 16,90 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Dirk van Gunsteren. David Kepesh, ein in Ehren ergrauter bekannter Kulturkritiker, der regelmäßig im Fernsehen auftritt und eine Dozentur an einem New Yorker College hat, ist über sechzig, als er die wohlerzogene Studentin Consuela Castillo kennen lernt, Tochter reicher kubanischer Exilanten, die sein Leben in erotische Turbulenzen stürzt. Als in den sechziger Jahren die sexuelle Revolution begann, hat Kepesh Frau und Kind verlassen, und seither hat er mit einer Lebensweise experimentiert, die bestimmt ist durch das, was er als "männliche Emanzipation" bezeichnet. Im Lauf der Zeit hat er den Protest und die Freizügigkeit dieser Jahre in ein geordnetes Leben integriert, das ganz und gar seinen erotischen und ästhetischen Leidenschaften gewidmet ist. Doch Consuela stellt mit ihrer Jugend und Schönheit all seine Gewissheiten in Frage, und eine quälende sexuelle Besessenheit stürzt ihn in die Abgründe einer verzehrenden Eifersucht.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 18.03.2003

Am Ende, es sei hier vorweggenommen, wird es Gerrit Bartels doch zu arg: schlüpfrige Altmännerfantasien, urteilt er, ohne gleich den ganzen Roman damit verdammen zu wollen. Denn Altmännersexualität, Altmännerbegierden und Altmännerfantasien sind das Thema dieses Romans, der in einem großen Bogen bis in die sechziger Jahre zurück von einem höchst umtriebigen Literaturprofessor erzählt, der sich im Zuge der sexuellen Revolution einen promisken Lebensstil zugelegt hat. Jetzt im Alter passiert es ihm, dass er sich in eine seiner Eroberungen verliebt und in der Folgezeit viel leidet, was ihm wiederum Anlass zu vielerlei Rückblenden gibt, in welchen die sexuelle Revolution und ihre Folgen sowie die Frage von unmöglichen Liebesbeziehungen überhaupt erörtert werden, erklärt Bartels. Männer dürften "ihre Liebes-, Tod- und Altersdiskurse zur vollen intellektuellen Zufriedenheit verhandelt wissen", schreibt er, Frauen kämen dagegen eher schlecht weg. Entweder seien sie anständig und naiv oder befreite Lustobjekte oder unerfüllte Karrierefrauen, hält Bartels fest. Dazu passe dann auch der schlechte Schluss, der die einst jugendliche Geliebte an Brustkrebs erkranken lässt.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 06.03.2003

Jens Jessen wundert es gar nicht, dass Philip Roth sich nicht scheut, kurz vor seinem siebzigsten Geburtstag die Geschichte eines Schürzenjägers zu erzählen, der einer großbusigen Kubanerin verfällt: Den genialen Autor machten schließlich nicht seine Themenvielfalt aus, sondern seine Obsessionen, weiß Jessen. Auch wenn dem Rezensenten die Liebesgeschichte zwischen den beiden durchaus gefallen zu haben scheint, macht sie für ihn nicht einmal den größten Vorzug des Buches aus. Denn im Grunde genommen zeige der Roman nicht die Liebe von Individuen, meint Jessen, sondern die Liebe einer Epoche, oder vielmehr einen erotischen Epochenbruch: "Der alte Schürzenjäger ragt als trotziger Dinosaurier der freien Liebe in eine Zeit hinein, die Techtelmechtel zwischen Professoren und Studenten nicht mehr gern sieht."

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 21.02.2003

Geben wir es zu: In der Nacherzählung durch die Kritiker klingt die Fabel dieses Romans reichlich verschmockt. Ein 62-jähriger, mäßig berühmter Professor, der unter Herzkranzgefäß- und Prostataproblemen leidet, hat irgendetwas an sich, das "atemberaubend schöne" 24-jährige Studentinnen zum "reinen Ficken" veranlasst. Am Ende des Romans hat das Mädchen Brustkrebs, und der kranke Professor, der auch im philosophischen Sinne Sex ohne Liebe predigt, wird sie als Liebender zu Tode pflegen. Zwar klagt der Rezensent Ijoma Mangold, dass der Roman stellenweise "allzu parabelhaft, holzschnittartig" sei, aber der Atemlosigkeit, mit der er ihn nacherzählt, entnimmt man, dass er hingerissen ist. "Alles hat schließlich seinen Preis - auch die kalte Wahrheit", lautet für Mangold am Ende die Moral der Geschichte. Fasziniert hat er in seiner Kritik zuvor nacherzählt, wie der kalte Zyniker, indem er das Menstruationsblut der schönen Studentin leckte, bei der Metaphysik angelangt sei und einsehen musste, dass es kein "reines Ficken" gibt. Man wird den Roman wohl lesen müssen, um diese Faszination nachzuempfinden.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 13.02.2003

Thomas David ist absolut hingerissen von diesem Roman, in dem der aus vorangegangenen Büchern Roths bekannte Protagonist Kepesh erfährt, dass die bildschöne junge Studentin, mit der er einst eine Affäre hatte, an Brustkrebs erkrankt ist. Dieser "grandiose Monolog" Kepeshs ist nicht nur die Geschichte einer Liebe, das Dokument einer "ungezügelten Leidenschaft" und Erzählung von überwältigender Eifersucht von "beachtlichem Format", schwärmt der Rezensent, sondern gleichzeitig auch eine Analyse der historischen Entwicklung, die mit der sexuellen Revolution der 60er Jahre begann. Insbesondere die Entwicklung von einem erotischen Abenteuer zu einer Obsession sieht der begeisterte David auf "brillante Weise" dargestellt und das Ende des kurzen Romans preist er gar als "eine der wirklich atemberaubenden Schlusspassagen" der neueren Literatur.