Rafael Chirbes

Am Ufer

Roman
Cover: Am Ufer
Antje Kunstmann Verlag, München 2014
ISBN 9783888978678
Gebunden, 432 Seiten, 24,95 EUR

Klappentext

Aus dem Spanischen von Dagmar Ploetz. Die Immobilienblase in Spanien ist geplatzt, die Profiteure haben ihr Geld rechtzeitig in Sicherheit gebracht. Zurückgeblieben sind nur noch Verlierer. Ihnen gilt Rafael Chirbes Interesse und seine Empathie. Esteban hatte sich als junger Mann ein anderes Leben erträumt, ist dann aber doch in der Familienschreinerei hängengeblieben. Aber anders als sein sozialistisch strenger Vater, der nach der Maxime lebt: Wir beuten niemanden aus, wir leben von dem, was wir erarbeiten, wollte Esteban wie alle anderen auch sein Stückchen vom großen Immobilienkuchen. Und als sein Vater alt und nicht mehr handlungsfähig ist, investiert er das im Familienbetrieb erarbeitete Geld in eine Baufirma. Zu spät.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 26.04.2014

Viele Leute reden viel und durcheinander in diesem Roman, der die spanische Immobilienblase mit Sumpfbildern aus der Natur engführt und als Endpunkt eines für Spanien strapaziösen Jahrhunderts setzt, schreibt Rezensent Jörg Magenau. Er hat zum Teil seine liebe Not, sich in dem hier aufgeschichteten Stimmenwirrwarr zurecht zu finden und räumt ein, sich bei der Lektüre eher wenig vergnügt zu haben. Dass Chirbes zu den großen Gesellschaftskritikern der spanischen Literatur zählt, rechnet er ihm zwar hoch an; auch deutet er "Am Ufer" als eine Art komplementäres Gegenstück zu Chirbes' Roman "Krematorium", der zu Zeiten des spanischen Immobilienbooms spielte. Doch die "Verfallsversessenheit" von Chirbes nagt sehr an der Konstitution des Rezensenten, der darüber klagt, sich durch "Geröllhalden von Nichtigkeiten" arbeiten zu müssen. Womöglich mag dies der künstlerischen Intention geschuldet sein, räumt der Rezensent ein - doch beschwerlich war seine Lektüre eben doch.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 12.03.2014

Nicht nur um wilden Kapitalismus und die Kritik daran ist es dem Autor zu tun. Christian Thomas scheint fast erleichtert darüber, dass Rafael Chirbes, der Mann ist Marxist, seinen Grimm nicht nur auf die Gier der Baulöwen und Spekulanten und Banker loslässt, sondern den existentiellen Bewusstseinsstrom seiner Figuren auch auf die transzendentale Obdachlosigkeit lenkt. Anfangs allerdings geht der Autor derart grell gegen den Kapitalismus an, dass es Thomas wie plumper epischer Materialismus erscheint.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 11.02.2014

Maike Albath genießt den neuen Roman von Rafael Chirbes, auch wenn oder gerade weil der Autor darin kein Blatt vor den Mund nimmt. Die Kritik am Neoliberalismus und am Verkauf von Traditionen zugunsten des schnellen Geldes, an Spaniens Verhältnis zur Franco-Zeit und massenhaften Bausünden fasst Chirbes laut Albath in atemberaubende Bilder, Allegorien, Landschaftsbeschreibungen und das Beziehungsnetz seiner Figuren und ihrer Reden. Die Handlung tritt dahinter zurück, meint die Rezensentin. Elektrisiert hat sie Chirbes bittere neorealistische Abrechnung mit einem ganzen Jahrhundert und seinen Ideologien auch durch seine im Hintergrund wirksame moralische Kraft, vergleichbar, so findet sie, einem Bolaño oder Houellebecq.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 06.02.2014

Rafael Chirbes hat sich seinen Ruf als wichtigster literarischer Chronist der spanischen Zeitgeschichte redlich verdient, weiß Merten Worthmann. Und auch in seinem neuesten Roman "Am Ufer" rechnet der Autor mit den Urhebern, Nutznießern und schuldigen Verlierern der Krise ab, berichtet der Rezensent, der Sumpf, den Chirbes Protagonist Esteban nach einem geeigneten Ort für seinen geplanten Selbstmord durchforstet, wird zum metaphorischen Fluchtpunkt des Buches, erklärt Worthmann. Schade findet der Rezensent nur, dass Chirbes von seiner Analyse der faktischen Verantwortlichkeit nur auf die ewige conditio humana kommt, die zwar immer schön tiefgründig klingt, in Wirklichkeit aber das Thema verflacht, so Worthmann. Mit der "Globalnote Ungenügend" für die Menschheit ist jeder Übeltäter aus dem Schneider, erklärt der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.01.2014

Rafael Chirbes' Roman lässt sich sicher im Licht der zahlreichen Krisen, die Spanien in den vergangenen Jahren gebeutelt haben, lesen, meint Paul Ingendaay, der es allerdings, mit dem Autor selbst, vorzieht, das Buch als Zustandsbeschreibung der Menschenseele in den westlichen Gesellschaften zu verstehen. Und als solche funktioniert es so effektiv wie eine "Abrissbirne", nach deren Einsatz "unsere Wohlstands- und Modernisierungsmärchen" in Trümmern liegen, meint der Rezensent. Dem Connaisseur literarischer Durchschnittshappen will er dieses Buch ganz ausdrücklich nicht empfehlen: Trotz sanfter Längen handelt es sich bei diesem Werk um eine hervorragende, kompromisslose und ungetrübte Analyse vor der Kulisse mediterraner Tristesse, unterstreicht Ingendaay mit dickem Stift. Wobei sich der Autor, dessen - von Dagmar Ploetz akkurat ins Deutsche übertragene - Beschreibungskunst der Kritiker besonders hervorhebt -, nicht zum moralischen Richter erklärt, sonderlich lediglich mit genauem Blick und dicht am Puls der Zeit dieselbe protokolliert.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 15.01.2014

Mit Rafal Chirbes' "Am Ufer" annonciert Ralph Hammerthaler den ultimativen Roman zur spanischen Krise und findet ihn in seiner ganzen Bitterkeit großartig. Mit wechselnden Erzähler schildert Chirbes einen Tag im Leben all der großen und kleinen Fische, die in der Baubranche Schiffbruch erlitten haben: Unternehmer, Handwerker, Arbeiter. Was den Rezensenten an diesem Roman vor allem beeindruckt, ist, dass Chirbes sich nicht mit dem "krisengebeutelten Zeitgeist" begnügt, sondern historische Ursachen sucht und im Franqismo findet, der dem Land das Streben nach Höherem ausgetrieben habe. Dass Chirbes mit der ihm eigenen Galligkeit diese noch immer wirkenden gesellschaftlichen Spannungen aufzeigt, beeindruckt den Rezensent sehr.
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