Rahel Jaeggi

Entfremdung

Zur Aktualität eines sozialphilosophischen Problems
Cover: Entfremdung
Campus Verlag, Frankfurt am Main 2005
ISBN 9783593378862
Gebunden, 268 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

"Entfremdung" beherrschte als gesellschaftskritischer Begriff die von Marx inspirierten Diskussionen der Studentenbewegung, war zuletzt jedoch aus dem Repertoire kritischer Gesellschaftsanalyse verschwunden. Rahel Jaeggi eignet sich den Begriff zur Benennung gegenwärtiger Lebensrealität neu an: Für sie bedeutet er Indifferenz und Entzweiung, Machtlosigkeit und Beziehungslosigkeit sich selbst und einer als gleichgültig und fremd erfahrenen Welt gegenüber. Sie macht den Begriff der Entfremdung wieder fruchtbar, um eine kollektive und individuelle Befindlichkeit zu beschreiben, nach der wir uns nicht als autonom gestaltende Subjekte unserer Existenz erfahren, sondern der Dynamik uns bestimmender Zwangsverhältnisse ausgeliefert sind.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 05.07.2006

Spannend ist der philosophische Diskurs, auf den Rahel Jaeggi, Mitarbeiterin des Philosophischen Instituts in Frankfurt, sich mit ihrem Buch bezieht, nach Meinung des Rezensenten Mario Scalla auf jeden Fall. Deswegen findet er den Anspruch des Buches, das unmodisch gewordene Thema der Entfremdung wieder zum philosophischen Diskursthema zu machen, auch ausgesprochen verdienstvoll. "Sie verdeutlicht, welch ein Verlust es wäre, dieses Erbe eines humanistischen Marxismus auszuschlagen." Als störend empfindet der Rezensent, dass Jaeggi sich bei ihren Ausführungen zu sehr auf das Subjekt konzentriert und dabei die Auswirkungen auf die Gesellschaft vernachlässigt. Trotz dieses Schwachpunkts führt dieses Buch nach Scallas Einschätzung "Entfremdung und Vergesellschaftung" wieder zusammen, was grundsätzlich zu begrüßen sei. Auch die Vorannahmen, auf die Jaeggi ihre Überlegungen stützt, sind mit ihrer Ablehnung der losgelösten Subjekte der Postmoderne philosophisch fundiert und vor allem zeitgemäß.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.03.2006

Mit großer Zustimmung hat Wolfgang Kersting diese sozialphilosophische Studie über die Voraussetzungen guten Lebens unter dem Blickpunkt des Phänomens der Entfremdung gelesen, die Rahel Jaeggi vorgelegt hat. Ihre Analysen von Phänomenen der Beziehungslosigkeit, der gestörten Welt- und Selbstaneignung, des Sinnverlusts und des Machtverlusts haben Kersting auch methodisch überzeugt. Er unterstreicht die von Jaeggie aufgezeigten Widersprüche zwischen den Ansprüchen von Personen auf ein selbstbestimmtes Leben und den Anpassungsleistungen, die ihnen die Gesellschaft abverlangt, mit der Folge, dass sie sich in ihren Rollen verlieren, ihre Handlungsauthentizität durch Strategie und Kalkül einbüßen, sich abhanden kommen. Der Ansicht der Autorin, Schutz vor Entfremdung biete nicht abstrakte Negation, sondern nur die Bereitschaft, "sich selbst mit dem Andern der Gesellschaft zu vermitteln, an ihren Institutionen und Praktiken zu partizipieren", kann er nur beipflichten. Dass Jaeggi dabei keine Kriterien für die Zuträglichkeit von Institutionen für Personen nennt, schmälert für Kersting das grundsätzliche Verdienst dieser Arbeit nicht.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 04.02.2006

Rundum gelungen findet Robert Misik diesen Versuch der Rehabilitierung des Entfremdungsbegriffs, den Rahel Jaeggi vorgelegt hat. Der Philosophin gelingt es nach Ansicht Misiks den Begriff der Entfremdung, der nicht zuletzt von der (post-)strukturalistische Subjektkritik niedergemacht wurde, neu zu begründen, ohne metaphysische oder essenzialistische Argumente zu bemühen. Jaeggis Beschreibung der Entfremdung als einer Form von Machtverlust kann Misik durchaus zustimmen. Man drifte durchs Leben, Dinge passierten einfach, das eigene Leben nehme sich als Geschehen aus, auf das man keinen Einfluss habe, beschreibt Misik diesen Machtverlust. Eine nicht-entfremdete Beziehung zur Welt liege dagegen vor, wenn es einem gelinge, sich mit ihr in Beziehung zu setzen und sie sich anzueignen. Als Verdienst von Jaeggis Arbeit sieht Misik, dass sie mit ihrer "Entfremdungsdiagnose ohne Kernmodell" vom alten Entfremdungsbegriff rettet, "was von diesem tauglich ist". Und das gelingt ihr zur Freude des Rezensenten "auf furiose Weise".