Ralf Dahrendorf

Über Grenzen

Lebenserinnerungen
Cover: Über Grenzen
C.H. Beck Verlag, München 2002
ISBN 9783406493386
Gebunden, 190 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

In einem ungewöhnlichen Rückblick auf seine Anfänge erzählt Ralf Dahrendorf, warum für ihn das Jahr, in dem er 28 war, die Achsenzeit seines Lebens wurde. So hören wir von diversen Ansichten der Herkunft seiner Familie, seinem Elternhaus, seinem Vater, der sozialdemokratischer Reichstagsabgeordneter war, am Widerstand gegen Hitler teilnahm und vom Volksgerichtshof abgeurteilt wurde. Er beschreibt sein Aufwachsen in Nazi-Deutschland, und zwar als jemand, der nicht zum Auswandern gezwungen war, jedoch seinerseits in den Widerstand geriet, berichtet von der Stunde Null, dem Studium, dem Beginn seiner Karriere als Wissenschaftler, als Journalist, als Politiker. Ralf Dahrendorf misstraut der großen Lebenserzählung, in der sich Ereignis an Ereignis knüpft und am Ende alles als konsequent und sinnvoll erscheint. Er bietet, wie er selbst sagt, ein "Patchwork".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 24.10.2002

Sehr ausführlich beschäftigt sich Martin Meyer mit den Lebenserinnerungen des Soziologen und Politikers Ralf Dahrendorf. Er ist ziemlich beeindruckt von dem, was dieser in seinem Leben alles "erreicht" hat. Wie zu erwarten, so der Rezensent angetan, erzählt Dahrendorf aus seinem Leben in "moderatem Ton" und mit dem zu erwartenden "Unterstatement". Meyer findet es angenehm, dass der Autor dabei weder zuviel Bescheidenheit walten lässt noch "übertriebene Selbstdarstellung" betreibt. Für ihn besteht der besonderer "Reiz" der Memoiren darin, dass Dahrendorf nicht strikt chronologisch erzählt, sondern seine Lebenserinnerungen in einem "lockeren Muster" geknüpft hat. Dies mildert den "Eindruck einer allerdings ungewöhnlich glatten und eleganten Laufbahn", lobt der Rezensent. Allerdings scheint es ihn ein bisschen zu irritieren, dass weder über irgendwelche "Seelenkämpfen", die doch wohl in jedem Leben zu erwarten sind, noch über die enorme Arbeitsleistung, die Dahrendorf sowohl als Soziologe als auch in seiner politischen Laufbahn bewältigt hat, auch nur ein Wort verloren wird. Dies sieht der Rezensent der "Liberalität" des Autors geschuldet, die, wie Meyer meint, Bekenntnisse als "Zumutung empfindet".

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 20.08.2002

Seine Studie über "Gesellschaft und Demokratie in Deutschland" gilt heute als Klassiker, doch anders als die beiden großen öffentlichkeitswirksamen Sozialwissenschaftler-Intellektuellen seiner Generation, Jürgen Habermas und Niklas Luhmann, wurde Dahrendorf nie zum Fixstern einer "Schule" oder zur Leitfigur eines politischen Programms, berichtet Rezensent Paul Nolte. Dahrendorf habe aber auch nie danach gestrebt, "Kult" zu sein". Seinen großen Verdienst erblickt Nolte darin, den "harmonie- und konsenssüchtigen" Deutschen beigebracht zu haben, "den Konflikt wenn nicht zu lieben, so doch zu achten als Voraussetzung von Pluralität und Freiheit im westlichen, liberal-demokratischen Sinne". In den Lebenserinnerungen bleibt Dahrendorfs politischer Werdegang dem Rezensenten zufolge allerdings eher im Hintergrund, im Vordergrund steht das Persönliche. So hebt Nolte hervor, dass Dahrendorf seine Beziehungen zu Frauen ebenso wenig auslässt wie frühe dichterische Bemühungen. Während er in der ersten Hälfte des Buches, die bis zum Zusammenbruch der NS-Diktatur führe, auf "beklemmende Weise" das Aufwachsen und politische Erwachen in den Resten des sozialdemokratischen Milieus schildere, wechsle der Ton ab 1946/47: "Es geht lockerer und witziger zu", hält Nolte fest. Ein "sehr persönliches" und "ungemein lesenswertes" Buch, lobt Nolte, "das sympathische Leichtigkeit mit ernster Nachdenklichkeit auf elegante Weise verbindet".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 15.08.2002

"Ein hohes Lied auf die Freiheit und die Fairness, ein Dokument des Familiensinns und der Freundschaft" - "ein ganz und gar anmutiges Buch, wie ich es zeit meines Lebens kaum gelesen", schwärmt Robert Leicht gänzlich entzückt über die Memoiren von Ralf Dahrendorf. Die seien, ist der Rezensent überzeugt, der Falle entgangen, sich in "Lebensleistung", "Lebensbeichte" oder subjektiver "Lebenslogik" zu ergehen. Stets begebe sich der Autobiograf, so Leicht, auf das "verführerische" Terrain des "Pas de deux" zwischen "Eigenliebe und Wahrheitsliebe". Dem setze sich auch Dahrendorf aus, allerdings, staunt der Rezensent, "klug, knapp, kunstvoll", "interessant" und "sehr sympathisch". Dreh- und Angelpunkt von Dahrendorfs Lebensbeschreibung sei dessen 29. Geburtstag. Viele seiner Lebensstationen kämen daher gar nicht vor, berichtet der Rezensent. Dafür aber verbleibe der Autor "hinter dem Schleier der Diskretion" und lasse einen Menschen hervortreten, den, verspricht Leicht, der Leser bisher sicher noch nicht kannte.
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