Siegfried Unseld

Reiseberichte

Cover: Reiseberichte
Suhrkamp Verlag, Berlin 2020
ISBN 9783518224519
Gebunden, 378 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

Herausgegeben von Raimund Fellinger. Am 1. April 1959 übernimmt Siegfried Unseld die Leitung des Suhrkamp Verlags. 10 Tage später reist er nach Ost-Berlin, besucht Brechts Witwe Helene Weigel. Zurückgekehrt diktiert er einen von ihm selbst so genannten Reisebericht, in dem er die für ihn und seine Mitarbeiter wichtigen Resultate seiner Gespräche festhält. Annähernd 1000 Reiseberichte hat Siegfried Unseld bis zu seinem Tod 2002 verfasst. Die hier in Auswahl zum ersten Mal publizierten Berichte bieten die einmalige Gelegenheit, den Aufbau des Suhrkamp Verlags aus der Sicht des Verlegers zu verfolgen. Sie dokumentieren die Begegnungen zwischen Verleger und den für die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts wichtigen deutschen und internationalen Autoren mal dramatisch, mal entspannt urlaubend, mal kämpferisch, mit Samuel Beckett in Paris, mit Peter Handke in New York, mit Thomas Bernhard in Kairo. Sie erlauben dem Leser einen Blick hinter die Kulissen des literarischen Lebens. Kurz: Diese Reiseberichte sind spannende Reportagen aus dem Gebiet von einem ihrer wirkungsmächtigsten Akteure.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 03.08.2020

Einzelne Episoden herauspickend blättert Rezensent Arno Widmann durch die Reiseberichte Siegfried Unselds und sieht mal hier, mal dort ein Schlaglicht auf unsere Gegenwart geworfen. Aber so richtig warm scheint er mit dem Buch nicht geworden zu sein, seine Rezension ist eher nüchtern und referierend als schwärmend. Beeindruckt hat ihn allerdings die "Doppelexistenz" des Verlegers Unseld, der gleichermaßen am Inhalt der Bücher interessiert war wie an Geld- und Organisationsfragen. Anders geht's wohl auch nicht mit dem Verlegen.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 01.08.2020

Den Rezensenten Thomas Schaefer erinnern die 35 Berichte von dienstlichen Reisen, die Siegfried Unseld als Suhrkamp-Verleger angefertigt hat, an einen Bildungsroman. Wie er erwartet hatte, erscheint Unseld durchaus als vielbeschäftigter, erfolgsversessener Geschäftsmann und glänzender Stratege. Aber der Kritiker konnte in den Anekdoten auch mehr und mehr einen Unseld aufscheinen sehen, der als Geistesmensch erkannt werden wollte und dem dies oft verwehrt blieb. "Diese Spannung macht das Buch seinerseits spannend", verspricht Schaefer.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 16.07.2020

Rezensent Thomas Steinfeld beginnt seine Besprechung mit dem Fall der österreichischen Schriftstellerin Marianne Fritz, deren 12-bändiger Roman durch Unselds Entscheidung verlegt, obwohl Suhrkamp-Lektoren und -Autoren ihn ablehnten. Der Bericht von dieser Reise 1985 nach Wien - der Besuch bei Fritz wird kombiniert mit einem bei dem nicht minder schwierigen Autor Thomas Bernhard - ist sein Einstieg in die Präsentation dieser kleinen Auswahl der berühmten Protokolle des reisenden Verlegers. Sie stellen nach Steinfelds Auffassung eine Mischung aus vielen Genres dar, sind auch Tagebuch und Reportage. Der Kritiker würdigt außerdem ihre wichtige Rolle im Verlagsgeschehen, in dem sie - laut Nachwort - äußerst diskret eingesetzte interne Kommunikationsmittel waren. Steinfeld sieht in ihnen zum einen die Person abgebildet - Unseld mit seinem Selbstbewusstsein, seiner Arbeitslast und Geduld und seinem diplomatischen Geschick. Daneben liest der Kritiker, der sich in seiner Lesesympathie nicht recht festlegen kann, sie auch als eine Geschichte der Bundesrepublik -, bleibt dafür die Argumente aber eher schuldig.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 01.07.2020

Rezensent Ulrich Rüdenauer schwelgt in den 35 von Reisen zu Autoren (Frauen scheinen nicht darunter) des Verlages heimgebrachten Berichten. Ihn begeistert das Bild des leidensfähigen, akribischen, begeisterten Verlegers Unseld, das sich aus diesen Texten ergibt, die ebenso Arbeits- wie Reiseberichte sind. Sie verdeutlichen ihm, dass es so eine Art von Verleger heute nicht mehr gibt und das heißt für Rüdenauer auch, dass Unseld der Mann der Stunde und auch seiner Zeit war, die so etwas wie die "Suhrkamp-Kultur" erst entstehen lassen konnte. Die Berichte verdeutlichen, so der Kritiker, die Unterschiede zwischen inländischen - oft eher schwierigen bis diven-haften - Autoren, und denen im Ausland, besonders Beckett, die dem Mann aus Frankfurt schon bald mit Verehrung begegneten. Der hoch beeindruckte Kritiker hebt jene Geschichten hervor, die in den Begegnungen stecken, vor allem mit dem in der "Hölle" lebenden Autor Wolfgang Koeppen, dem Unseld immer verbunden blieb, auch als seine schriftstellerischen Quellen versiegt waren. Dieser Band ist auch das "Vermächtnis" des kürzlich verstorbenen Herausgebers Raimund Fellingers, findet Rüdenauer und schließt mit der glühenden Leseempfehlung an eine alte Suhrkamp-Kultur-Gemeinde, die dieses Buch "verschlingen" werde, und den jüngeren, denen es als "lehrreiches Beispiel" dienen könne.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 27.06.2020

Wer diese Auswahl ursprünglich per Diktiergerät aufgenommener Reiseberichte liest, erhält einen wertvollen Einblick in das literarische Leben, verspricht Rezensentin Mara Delius: Mal bedient der Suhrkamp-Erfolgsverleger Siegried Unseld das Klischee des hochgeistigen Intellektuellen alter Schule, der nach einer anregenden Literaturdiskussion "mit wehendem Trenchcoat" in der nächsten Bar verschwindet, mal gibt er zu erkennen, dass neben den glamourösen Augenblicken auch schlicht Geschäftssinn und Kontaktpflege mit mal mehr, mal weniger exzentrischen Autor*innen den Beruf bestimmen, so Delius.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.06.2020

Rezensent Tilman Spreckelsen scheint sich mit Siegfried Unselds Reiseberichten in der Auswahl von Raimund Fellinger wohl zu fühlen. Von den Anfängen des Suhrkamp-Verlags erzählen die Texte laut Rezensent, von Treffen mit Autoren, Verhandlungen und Vertragsabschlüssen, von Unseld mal notiert mit "grimmiger Sachlichkeit", dann wieder visionär bzw. persönlich, so Spreckelsen. Wie sich mit Frisch und Bernhard auskommen ließ, wie Unseld langsam ein "Bewusstsein für Literatur von Frauen" entwickelt oder wie er einfach Landschaft und Kultur seiner Reiseziele beschreibt, kann der Leser hier laut Spreckelsen nachlesen.
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