Sofia Andruchowytsch

Die Geschichte von Romana

Das Amadoka-Epos, Band 1
Cover: Die Geschichte von Romana
Residenz Verlag, Salzburg 2023
ISBN 9783701717637
Gebunden, 304 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Aus dem Ukrainischen von Alexander Kratochvil und Maria Weissenböck. Romana ist eine Frau, die Geschichten zusammensetzt und Erinnerungen sammelt: eine Archivarin. Sie glaubt, in einem namenlosen Soldaten, der 2014 schwerverletzt aus dem Krieg im Donbass zurückkehrt, ihren verschollenen Ehemann Bogdan zu erkennen: Der Mann ist zu verstümmelt, um identifiziert zu werden, und zu traumatisiert, um sich zu erinnern. Romana versucht, Bogdan erzählend Gedächtnis und Identität zurückzugeben. Einst hat er ihr einen geheimnisvollen Koffer mit Fotos und Dokumenten übergeben. Dieser Koffer wird zum Ausgangspunkt einer Suche nach der gemeinsamen Vergangenheit. Vielleicht ist Romana aber nur eine unzuverlässige Erzählerin, die einem fremden Soldaten eine Biografie anbietet.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.07.2023

Vorsichtiges Lob von Rezensent Jörg Plath für diesen Roman, der der erste Band einer Trilogie ist. Sofia Andruchowytsch, Tochter des ukrainischen Schriftstellers Juri Andruchowytsch, erzählt über drei Generationen, von den zwanziger Jahren bis heute, eine "Gewaltgeschichte" der Ukraine als Familienroman. Das ist interessanter, als es erst mal klingt, versichert der Kritiker, weil Andruchowytsch erstens gut erzählen kann und zweitens dabei krumme Wege geht: Die Russen sind hier nicht alle eindeutig die Bösen und die Ukrainer der Guten, so Plath. Beide sind in diesem Roman beides, Täter und Opfer, deren Identitäten auch noch durch teilweise falsche Erinnerungen konstruiert sind. Plath findet das ausgesprochen lesenswert, nur bleiben am Ende alle Handlungsfäden unverknüpft, klagt er. Denn Teil 2 und 3 der Trilogie erscheinen erst im Herbst beziehungsweise nächstes Jahr.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 04.03.2023

Ganz eingenommen wirkt Rezensent Christian Thomas von Sofia Andruchowytschs gebrochener, "vielfach verschränkter" und mit Spiegelungen arbeitender Erzählstruktur, die sich an der Erinnerung und an einem "Vexierbild" der Ukraine abarbeite. Da ist Romana, eine Archivarin, die in einem schwer verletzten, entstellten Soldaten ihren Mann zu erkennen glaubt und ihn mit Erzählungen füttert; da ist ein Gesichtschirurg, bei dem sie sich als Putzfrau einschleicht und der seiner Geliebten ein neues Gesicht schneiderte; dann wiederum deren Mutter, die sich einst umbringen wollte - über drei Generationen hinweg entspinnen sich die Erzählmosaike, so Thomas, die je ihre eigene Erinnerungswelt mitbringen und in deren fragmentarischer Anordnung der Kritiker auch einen poetologischen Einspruch gegen das totalitäre Dogma des "Sozialistischen Realismus" sieht. "Schmerzhaft" findet er, wie Andruchowytsch von Narben und Wunden erzählt, in einem "mikroskopisch präzisen" und von Alexander Kratochvil und Maria Weissenböck fast quälend sachlich übersetzten Stil, der den Leser in die "Gewaltgeschichte" der Ukraine zieht.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 02.02.2023

Die Kritikerin Olga Hochweis stellt fest, dass die "bildreiche und expressive" Sprache im ersten Teil von Sofia Andruchowytschs Roman-Trilogie, in der anhand der Erinnerungen einer Archivarin die Geschichte der Ukraine im 20. Jahrhundert nachgezeichnet wird, streckenweise eine regelrechte "Sogwirkung" entwickelt. Doch gilt dies leider nicht durchgängig, außerdem findet Hochweis die Figuren zu flach, die dargestellte Welt "überkonstruiert und schrill". Alles in allem ist der Kritikerin der Roman zu mysteriös und die Handlung zu undurchsichtig.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 17.01.2023

Rezensentin Sonja Zekri hat sich mit Sofia Andruchowytsch zum Video-Interview verabredet, um mit der ukrainischen Schriftstellerin über den Krieg und ihre Trilogie "Amakoda" zu sprechen. Die ist bereits im Jahr 2020 in der Ukraine erschienen, wird in Folge des Krieges aber anders rezipiert, erzählt die Autorin: Dass sie auch manch ukrainischen Charakter ambivalent zeichnet, einem russischen Soldaten hingegen menschliche Züge verleiht, wird ihr inzwischen übel genommen, erzählt sie. Die Kritikerin hält das Werk, dessen erster Teil nun auf Deutsch erschienen ist, in jedem Fall für virtuos. Ein gigantisches Panorama ukrainischer Geschichte eröffnet sich ihr hier, zahlreiche Stimmen und Schicksale künden von den großen Katastrophen des 20. Jahrhunderts - bis hin zum Krieg im Donbass 2014. Der erste Teil erzählt Romanas Geschichte, ihr Mann ist bis zur Unkenntlichkeit entstellt von der Front zurückgekehrt, sie versucht, ihm seine Erinnerungen zurückzugeben, resümiert Zekri. Die Sprache der Autorin, mitunter "hell und aufgekratzt", sorgt dafür, dass der Roman nicht zu "morbide" erscheint, schließt sie.
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