Artem Tschech

Nullpunkt

Cover: Nullpunkt
Arco Verlag, Wuppertal 2022
ISBN 9783965870444
Kartoniert, 200 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Aus dem Ukrainischen von Alexander Kratochvil und Maria Weissenböck. Artem Tschech war selbst in Kiew noch ziemlich unvertraut mit dem Krieg in seinem Land, als ihn im Mai 2015 seine Einberufung erreichte. Er fand sich an die Frontlinie im Donbass versetzt. Sein Bericht Nullpunkt schildert, womit er sich auf einmal konfrontiert sah. Erzählt wird von der Verwandlung eines Zivilisten der Generation Facebook und What´s App in einen Soldaten. Angefangen mit dem Drill im Ausbildungslager in brütender Hitze in der Steppe, zwischen Giftschlangen. Die schlecht versorgte Truppe wird dabei von der Bevölkerung durchgefüttert - bombardiert von "Nutella", Kuchen und Schinken. Aber es folgen die realen Schützengräben, den "Feind" im Visier, jederzeit bedroht vom Tod. Doch nicht Kampfhandlungen stehen im Mittelpunkt vom Tschechs Bericht, sondern das innere Erleben einer Art Parallelwelt. Dort wächst etwas zusammen, was sonst nicht zusammenfindet: Menschen verschiedenster sozialer wie geographischer Herkunft, voller Vorurteile über einander, lernen, sich zu sehen - eine identitätsstiftende Erfahrung von Zusammengehörigkeit.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 10.12.2022

In seiner Reihe "Eine kleine Ukraine-Bibliothek" stellt Rezensent Christian Thomas den Kriegsbericht "Nullpunkt" von Artem Tschech vor, bereits 2015/16 verfasst, aber erst jetzt auf Deutsch erschienen. Der Rezensent rechnet dem Autor hoch an, dass es weniger um spezifische Kampfhandlungen im von Russland besetzten Donbass geht als um die zutiefst menschlichen Hürden und Herausforderungen, denen er begegnet. Die Extreme von winterlichen Wetterbedingungen und Erfahrungen im Niemandsland würden von Tschech stets eigensinnig verarbeitet, immer ehrlich, nie sentimental. Für Thomas erschließt sich im Laufe der Lektüre, dass der titelgebende "Nullpunkt" sich nicht nur auf die Front bezieht, sondern vor allem auch auf den seelischen Zustand des Verfassers und zeigt sich davon tief beeindruckt. Ein wenig bedauert er, dass der Bericht im Lichte aktueller Geschehnisse nicht mehr aktualisiert wurde, doch ist ihm klar, warum der erneut Kriegsfreiwillige Tschech nicht dazu kommen konnte. Nahezu erschüttert zeigt sich der Rezensent von der gerafften Gleichung, mit der der Autor den Krieg und auch seine Erlebnisse zusammenfasst: "Metall gegen Menschen."

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 12.11.2022

2015 wurde der ukrainische Schriftsteller Artem Tschech als Soldat in den seit 2014 schwelenden Krieg um den Donbass geschickt. Für Samuel Hamen ist es trotz der schweren Thematik ein Glücksfall, dass dessen Erfahrungen nun in "Nullzeit" auch auf Deutsch erscheinen. Der Autor oszilliere zwischen verschiedenen Standpunkten, verschiedenen Perspektiven auf den Krieg und auf das soldatische Leben und entwickle dabei einen unverwechselbaren Ton, den der Rezensent ausführlich zitiert. Tschech erzähle davon, wie er in Charkiw stationiert werde, die Todesangst spiele dabei genauso eine Rolle wie die mangelhafte Kriegsausrüstung. Er rufe uns mit diesen vielfältigen Texten noch einmal in Erinnerung, dass der Krieg nicht erst mit dem 24. Februar 2022 begonnen habe, sondern bereits acht Jahre zuvor. Hamen zeigt sich beeindruckt von den vielen Fragen, die Tschech stelle, wie zum Beispiel danach, wer eigentlich seinen Nutzen aus dem Krieg ziehe. Der Rezensent hofft, dass wir Weiteres von diesem mutigen, sich im Schreiben gegen den Krieg wehrenden Schriftsteller zu lesen bekommen und er sich seinen Humanismus bewahren kann.