Serhij Zhadan

Internat

Roman
Cover: Internat
Suhrkamp Verlag, Berlin 2018
ISBN 9783518428054
Gebunden, 300 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Aus dem Ukrainischen von Juri Durkot und Sabine Stöhr. Serhij Zhadan schildert, wie sich die vertraute Umgebung in ein unheimliches Territorium verwandelt. Er erzählt von trotzigen Menschen, die der Angst und Zerstörung ihre Selbstbehauptung und ihr Verantwortungsgefühl entgegensetzen. Seine Auseinandersetzung mit dem Krieg im Donbass findet mit seinem Roman "Internat" ihren vorläufigen Höhepunkt.
Ein junger Lehrer will seinen 13-jährigen Neffen aus dem Internat am anderen Ende der Stadt nach Hause holen. Die Schule, in der seine berufstätige Schwester ihren Sohn "geparkt" hat, ist unter Beschuss geraten und bietet keine Sicherheit mehr. Durch den Ort zu kommen, in dem das zivile Leben zusammengebrochen ist, dauert einen ganzen Tag. Der Heimweg wird zur Prüfung. Die beiden geraten in die unmittelbare Nähe der Kampfhandlungen, ohne mehr sehen zu können als den milchigen Nebel, in dem gelbe Feuer blitzen. Maschinengewehre rattern, Minen explodieren, öfter als am Tag zuvor. Paramilitärische Trupps, herrenlose Hunde tauchen in den Trümmern auf, apathische Menschen stolpern orientierungslos durch eine apokalyptische urbane Landschaft.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 01.10.2022

Anlässlich des andauernden Krieges in der Ukraine Rezensent Christian Thomas in seiner Reihe "Kleine Ukraine-Bibliothek" noch einmal Serhij Zhadans bereits 2018 erschienenen Roman "Internat" vor. Mit vielen Zitaten lernen wir Pascha kennen, der seinen Neffen Sascha im Angesicht der sich anbahnenden Katastrophe aus dem Internat im Donbass bergen will. Die dramatische Geschichte einer Rettungsaktion, die von Zhadan, so Thomas, bewusst unemotionalisiert vorgetragen wird und somit ihre erschreckende Wirkung entfaltet. Der Autor wird am 23. Oktober den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten - zurecht, wie der Rezensent mit Bezug auf die poetische Kraft seines Werkes betont. Von dem Panorama des Krieges und der Angst in der Übersetzung von Juri Durkot und Sabine Stöhr zeigt er sich nachhaltig beeindruckt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 18.05.2018

Andreas Breitenstein erlebt den Ukraine-Konflikt als absurdes Theater, mythologisch, bizarr und verwunschen in Serhij Zhadans Roman. Dem unheldischen Helden, einem Lehrer auf dem Weg durch die Kampfzone, ist er dabei ganz nah. Wie der Autor ihn mit rhythmischen Sätzen durch das Inferno "peitscht", macht ihn überwach im Erleiden dieser Lektüre.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 17.03.2018

Katharina Granzin spürt der Atmosphäre der Apokalypse nach mit Serhij Zhadans Roman. Genauso muss es sein, meint sie, eine Art Vorhölle, der der Autor im Text die Züge einer Stadt in der Ostukraine verleiht, durch die er seine Figur, den Lehrer Pascha, begleitet von Bildern suggestiver Endzeitstimmung, wandern lässt. Dass die Sprache und ihre vielen Mischformen als ein wichtiger Bestandteil des Romans sowie auch der kriegerischen Auseinandersetzung in der Ukraine in der Übersetzung vor allem im Erläuterungsteil verhandelt werden müssen, scheint Granzin bedauerlich, schmälert für sie aber nicht die Leistung des Übersetzerduos Juri Durkot und Sabine Stöhr.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.03.2018

Rezensent Felix Stephan wünscht dem in der Ukraine längst gefeierten Autor Serhij Zhadan nach der Lektüre von "Internat" auch hierzulande größere Bekanntheit: Bescheinigt er ihm doch das Vermögen, den Krieg im Donbass als "Beckett'sches Bedeutungsvakuum" und entmenschlichende Irrsinns-Maschinerie im Stile Heiner Müllers darzustellen. Der Kritiker folgt der Hauptfigur Pascha, einem "innerlich erschlafften" Sprachlehrer, fasziniert dabei, wie er in der Erfahrung des Krieges gezwungen wird, eine Haltung und Moral zu entwickeln.  Zhadans Held, der sich hier auf den Weg macht, um seinen Neffen aus einem nahen Internat abzuholen, wird unaufhaltsam immer tiefer in die kriegerische "Welt nach der Zivilisation" gezogen, erzählt der Rezensent. Der Roman zeichne die Reise der beiden durch das Donezbecken als "atemloses Lebensgefahr-Stakkato", in dem der Westen lediglich als unbeteiligter, dafür aber umso selbstgerechterer Zuschauer auftritt. Vor allem attestiert der Kritiker dem Roman eine "Sinnlichkeit", die das westliche Tagesschau-Publikum so nicht kennt.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 11.03.2018

Die Autorin Katja Petrowskaja schreibt über den ukrainischen Schriftstellers Serhij Zhadan voller Bewunderung, sie nennt ihn einen lebenden Klassiker und ein "gefährliches Talent" zugleich: "aktuell, hautnah, akut". In seinem neuen Roman "Internat" nimmt der Musiker und Dichter seine Leser mit auf einen Roadtrip durch den Osten der Ukraine, der seit nunmehr vier Jahren mit russischer Unterstützung im Kriegszustand gehalten wird. Der Lehrer Pascha, erzählt Petrowskaja, muss seinen erkrankten Neffen aus dem Internat holen und sich dafür in die Kriegszone begeben, in der sich Separatisten, Milizionäre und ukrainische Soldaten gegenseitig in Schach halten. Die Szenen wecken bei den Lesern Erinnerungen an Andrej Tarkowskis "Stalker", meint die Kritikerin, Pascha jedoch denkt zunächst an Clint Eastwoods Western "zwei glorreiche Halunken". Aber das ergibt für die Rezensentin durchaus Sinn: Denn "Internat" ist ein Bildungsroman, allerdings einer, in dem sich der Lehrer aus seinem Tschechowschen Zustand des Vergessenwollens emanzipiert.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.03.2018

Rezensentin Kerstin Holm kann ihre Freude nicht verhehlen, dass Serhij Zhadan seinen Roman über den Krieg in der Ukraine beinahe optimistisch enden lässt. Zuvor allerdings, dass gesteht sie ein, gehen die Figuren im Text durch die Hölle. Zhadan malt sie laut Holm expressionistisch monumental, jedoch unsentimental aus, beklagt die Opfer des Konflikts und skizziert auch den Widerstand gegen die Verrohung. Für Holm ein subtiles Drama vor allem der russischen Sprache, die hier in verschieden klingenden Akzenten ihren Auftritt hat, und die Juri Durkot und Sabine Stöhr "vorzüglich" übertragen haben, wie die Rezensentin findet.
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