Steffen Martus, Carlos Spoerhase

Geistesarbeit

Eine Praxeologie der Geisteswissenschaften
Cover: Geistesarbeit
Suhrkamp Verlag, Berlin 2022
ISBN 9783518299791
Taschenbuch, 658 Seiten, 30,00 EUR

Klappentext

Der Ausdruck "Geisteswissenschaftler" evoziert das Bild von einsamen Menschen am Schreibtisch, deren ganze Aufmerksamkeit der versunkenen Auseinandersetzung mit komplizierten Texten gilt. Aber stimmt dieses Bild? Nein, sagen Steffen Martus und Carlos Spoerhase, die in ihrem Buch im Rückgriff auf zahlreiche unpublizierte Quellen die Praxis der Geistesarbeit am Beispiel Peter Szondis und Friedrich Sengles untersuchen. Sie zeigen, was Forschen, Lehren und Verwalten im akademischen Alltag tatsächlich bedeuten, vor welchen Herausforderungen die Geistesarbeit jeden Tag steht und was sie leistet. Gegen die abstrakte Rede von der "Krise der Geisteswissenschaften" plädieren sie für eine Neujustierung des Blicks, und zwar darauf, was an einem geisteswissenschaftlichen Arbeitsplatz wirklich geschieht.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 18.03.2023

Eine Art Soziologie der Praxis der gegenwärtigen Geisteswissenschaften haben die beiden Literaturwissenschaftler Steffen Martus und Carlos Spoerhase vorgelegt, meint Kritiker Thomas Steinfeld. Er begreift den "Geist" der Geisteswissenschaft bei der Lektüre der 35 Kapitel als etwas Fluides, das am besten durch die mit ihm verknüpften Praktiken erfahrbar wird, sei es Kaffee kochen oder Konferenzen durchführen. Die beiden nähmen dafür das Leben zweier Wissenschaftler in den Blick, Peter Szondi und Friedrich Sengle, die allerdings schon vor fünfzig Jahren gelehrt haben - dass aus ihrer Arbeit Schlussfolgerungen für die heutige Situation gezogen werden, missfällt Steinfeld. Auch die Meinung, die Geisteswissenschaften nur erhalten zu müssen, statt von einer nötigen Reform auszugehen, ist ihm zu pauschal. Ansonsten aber anregend und informativ, schließt er.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 09.03.2023

Der hier rezensierende Romancier und Literaturwissenschaftler Enno Stahl freut sich, dass seine Kollegen Carlos Spoerhase und Steffen Martus sich nun mit Zustand und Arbeit der Geisteswissenschaften befassen und diesen instruktiven Band vorgelegt haben. Ein "umfassendes, vorurteilsfreies Bild" dieses weit ausdifferenzierten Feldes haben die Autoren anhand zweier exemplarischer Personen geschaffen, lobt Stahl, Peter Szondi und Friedrich Sengle dienen als Beispiele für wissenschaftliche Karrieren, die in ihren verschiedenen möglichen Ausprägungen vermittelt werden. Gut lesbar und anregend, auch für diejenigen, die selbst nicht in den Humanwissenschaften tätig sind, urteilt der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 29.12.2022

Rezensent Wolf Lepenies fühlt sich an den Anthropologen Clifford Geertz erinnert, wenn Steffen Martus und Carlos Spoerhase deutsche Geistesarbeiter dabei beobachten, das zu tun, was sie immer tun. Lepenies folgt ihnen dabei mit sichtlichem Vergnügen. Denn die Germanisten Martus und Spoerhase erörtern nicht den "Spcialkummer" ihrer Disziplin, sondern die ganz praktischen Arbeitsformen: das Theoretisieren und Kritisieren, Annotieren und Komplimentieren, das Delegieren und Koordinieren. Dass die Autoren dabei auch mit dem Komparatisten Peter Szondi und dem Germanisten Friedrich Sengle zwei sehr verschiedene Vertreter ihrer Zunft nebeneinanderstellen, leuchtet Lepenies ein: Szondis Arbeit verdichtete sich in dem schmalen Band "Theorie des modernen Dramas", Sengles in dem dreibändigen Wälzer "Biedermeierzeit". Der Rezensent versteht: die Geistesarbeit ist vor allem auch "das ganze Nebenbei".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.09.2022

Rezensent Niels Werber erfährt von Steffen Martus und Carlos Spoerhase, was Geisteswissenschaftler tun und leisten. Das Buch empfiehlt er dementsprechend allen Politikern, Evaluationsagenturen und Forschungsförderern. Geisteswissenschaftlern selbst kann die Lektüre zur Revision ihres Tuns dienen, glaubt Werber. Dass die Autoren keine Apologie der Geisteswissenschaften veröffentlichen, sondern in 35 Kapiteln und im Rückgriff auf Thesen bei Szondi und Sengle aufklärend beschreiben, wie geisteswissenschaftliche Praxis vor sich geht, welche Voraussetzungen sie braucht und welche Folgen sie zeitigt, gefällt Werber gut. Einmal kein Krisen- oder Reformdiskurs, freut sich der Rezensent.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de