Steve Sem-Sandberg

W.

Roman
Cover: W.
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2021
ISBN 9783608981193
Gebunden, 416 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Aus dem Schwedischen von Gisela Kosubek. Am 21. Juni 1821 ersticht Johann Christian Woyzeck die Witwe Johanna Woost. Ein Verbrechen aus Leidenschaft, dessen Umstände von Georg Büchner bis Werner Herzog Generationen von Künstlern in Bann schlug. In seinem neuen Roman spürt Steve Sem-Sandberg dem historisch verbürgten Fall nach und entwirft eindrucksvoll das Porträt eines Mannes, in dem sich das Vexierspiel von Wahnsinn und Schuld, von innerer Zerrissenheit und Liebe offenbart. Als W. 1790 beim Leipziger Perückenmacher Knobloch in die Lehre eintritt, ist er gerade mal zehn Jahre alt; die Mutter an der Schwindsucht gestorben, der Vater ein Trinker, der Rasiermesser und Schere nicht mehr sicher führen kann. Doch nicht immer kann W. sich nur auf seine Arbeit konzentrieren, denn manchmal kommt die Stieftochter des Perückenmachers zu Besuch, und als er sie heimlich beim Waschen belauert, packt ihn zum ersten Mal das Begehren. Die Lust am Herumschleichen und Hinterherspionieren wird ihn sein Leben lang nicht loslassen. Nicht während seiner Wanderjahre, in denen er sich in diversen Stellungen verdingt, und nicht als Soldat im Krieg, der ihn durch ein versehrtes Europa treibt. Als W. Jahre später in Leipzig die mittlerweile verwitwete Johanna Woost wiedertrifft, wird es ihm zum Verhängnis. Steve Sem-Sandberg geht in seinem Roman dem wahren Woyzeck auf den Grund. Daraus entsteht der Roman eines schicksalhaften Lebens: Woyzeck als Getriebener, als Mensch, als einer von uns.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 04.06.2021

Rezensent Christoph Bartmann findet den Woyzeck-Roman des Schweden Steve Sem-Sandberg eindringlich. Wie der Autor historische Quellen, Gerichtsakten und eine fiktive Innenstimme des Delinquenten arrangiert, nimmt Bartmann sichtlich mit, weil Woyzeck bei Sem-Sandberg zum paradigmatischen Ausgeschlossenen und Gedemütigten wird, in dem der Leser sich ein Stück weit selbst erkennen kann, wie Bartmann ahnt. Dass der Autor bei seiner Fiktionalisierung nicht übergriffig wird und Woyzeck auch nicht freispricht, gefällt Bartmann gut.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 27.05.2021

Sehr beeindruckt liest Rezensent Rainer Moritz diesen Roman über die reale Gestalt des Frauenmörders Woyzeck. Dem Kritiker ringt Hochachtung ab, wie aufwendig sich der norwegische Autor in den Archiven umgesehen hat, wie er Dokumente, Gutachten und sicher auch die Belletristik nach der oftmals umschriebenen und gestalteten Figur durchsucht hat und am Ende seinen Roman schreibt, durchaus mit "Opulenz" und besonderer Hingabe an Szenen aus den napoleonischen Kriegen. Ebenso wichtig sind die Einsicht in den Zusammenhang von "Gewalt und Sexualität" und in die fehlende Zugehörigkeit Woyzecks, so stellt der Kritiker fest. Er attestiert, dass "gelungene Romane" über die Eindeutigkeit des Todesurteils für einen Mörder natürlich hinausgehen müssen und begeistert sich darüber, dass hier tatsächlich das "letztlich Unergründliche des Menschen" erkundet worden ist.