Sybille Steinbacher

Wie der Sex nach Deutschland kam

Der Kampf um Sittlichkeit und Anstand in der frühen Bundesrepublik
Cover: Wie der Sex nach Deutschland kam
Siedler Verlag, München 2011
ISBN 9783886809776
Gebunden, 575 Seiten, 28,00 EUR

Klappentext

Mit Abbildungen. Muffig und verklemmt erscheint die Adenauerzeit im Rückblick: als Epoche der Prüderie und Lustfeindlichkeit. Doch diese Einschätzung täuscht. Sybille Steinbacher zeigt, dass es Sexwellen gab, lange bevor die "sexuelle Revolution" begann. Sex, das Wort war neu, als es kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in Westdeutschland gebräuchlich wurde. Es stand im Zentrum erbitterter Auseinandersetzungen über Sittlichkeit und Anstand. Denn gerade mit dem neuen Erotikboom in der Publizistik sahen viele Zeitgenossen der Adenauerära eine moralische Krise heraufziehen, während andere davon überzeugt waren, Fortschritt und Modernität hielten nun aus Amerika Einzug. Wie vermint das ideologische Gelände war und wie heillos Sittlichkeitsverfechter bald ins Hintertreffen gerieten, offenbarte Anfang der fünfziger Jahre die Verbreitung der Kinsey-Reporte. Bald florierte zudem Beate Uhses Erotik-Firma, und im Sommer 1961 kam die Pille auf den Markt. Sybille Steinbacher erschließt ein bislang unbeachtetes Feld in der Politik- und Gesellschaftsgeschichte der frühen Bundesrepublik und bricht Klischees auf: Sie zeigt, dass es in puncto Sexualität eine Revolution vor der Revolution gab.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.07.2012

Sehr instruktiv findet Petra Gehring diese Studie der Historikerin Sybille Steinbacher, die darin die -äh - nicht ganz konfliktfreie Geschichte der Erotik und der öffentlicher Moral in der Bundesrepublik erzählt. Vielleicht muss nicht gleich die Geschichte der sexuellen Revolution umgeschrieben werden, wie Gehring suggeriert, aber Steinbacher macht wohl sehr deutlich, wie groß der Unterschied zwischen verklemmter Sittlichkeitspolitik und tatsächlichem Sexualverhalten auch in den Fünfzigerjahren war und dass es Kinsey-Report, Ingmar Bergmans "Schweigen" und Beratung zur Ehehygiene schon vor 1968 gab. Stichwort Beate Uhse. Die Geschichte ihres Unternehmens erscheint der Rezensentin auch sehr interessant: Während diese anfangs noch ihre Erotikwaren für "moderne" Paare produzierte, stieg sie mit der Porno-Welle der Siebzigerjahre ganz auf die Bedürfnisse des Einzelnen um, sprich Männer. Nur der Jugendschutz ist uns als letzter Rest der Paragrafen gegen "Schmutz und Schund" erhalten geblieben.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 14.03.2011

Eingenommen ist Rezensent Willi Winkler von dieser Sittengeschichte der frühen Bundesrepublik, die Sybille Steinbacher vorgelegt hat. Er bescheinigt der Autorin, den erbitterten Kleinkrieg, den Vertreter der konservativen Parteien und der Kirche in den fünfziger und sechziger Jahren gegen sogenannten Schund und Schmutz führten, anhand einer Fülle von Material geradezu "liebevoll" nachzuzeichnen. Dass das Buch trotz seines Titels nicht gerade als Erregungslektüre funktioniert, will Winkler freilich nicht verschweigen. Der wissenschaftliche Apparat macht nach seiner Auskunft schon ein Drittel des Buchs aus. Dafür belegt die Autorin für ihn überzeugend, wie sich besonders Belastete aus dem Nationalsozialismus beim Kampf gegen die sittliche Unmoral hervor taten.
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