Uffa Jensen

Wie die Couch nach Kalkutta kam

Eine Globalgeschichte der frühen Psychoanalyse
Cover: Wie die Couch nach Kalkutta kam
Suhrkamp Verlag, Berlin 2019
ISBN 9783518428658
Gebunden, 538 Seiten, 28,00 EUR

Klappentext

Ende des 19. Jahrhunderts erfand Sigmund Freud in Wien die Psychoanalyse. Innerhalb weniger Jahrzehnte entwickelte sie sich zu einem globalen Phänomen. Begriffe wie "Über-Ich", "Narzissmus" oder "Ödipuskomplex" sind längst in die Alltagssprache eingegangen. Um diese dynamische Entwicklung nachzuvollziehen, befasst sich Uffa Jensen mit drei Metropolen, die neben Wien für die psychoanalytische Bewegung von großer Bedeutung waren: Berlin, London und Kalkutta. Jensen zeigt, wie Lehre und Behandlungstechnik dort vor dem Hintergrund existierender Therapieformen und lokaler Traditionen angepasst wurden und auf welchen Wegen solche Neuerungen dann wiederum Freud beeinflussten. Mittels erzählerischer "Schlüssellochtexte" schaut er direkt in die Behandlungszimmer, beleuchtet aber auch die politischen und gesellschaftlichen Aspekte der globalen Psychoanalyse. Von Anfang an als "Selbsttechnologie" konzipiert, hat sie den Weg bereitet für die heutige Ratgeber- und Coachingkultur. Zentral war dabei, auch das demonstriert diese Globalgeschichte, der therapeutische Umgang mit Emotionen: Schon Freud verstand seine Therapie als "Heilung aus Liebe".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 16.05.2019

Rezensentin Marlen Hobrack erfährt bei Uffa Jensen, wie sich die Psychoanalyse weltweit verbreitete, sich dabei von Freud emanzipierte und ihm dennoch verpflichtet blieb. Dass Neurosen in Wien und Kalkutta anders geartet waren, kann Jensen der Rezensentin erläutern. Die postkoloniale Freud-Kritik, regionale Unterschiede und die transkulturelle Wirkung der Psychoanalyse sowie Freuds eigene Sicht auf die europäische Psyche kommen im Buch laut Hobrack zur Sprache. Zentren der Psychoanalyse wie Kalkutta, Berlin und London beschreibe der Autor im Hinblick auf ihre Fähigkeit, mit der Freudschen Theorie und Praxis zu brechen und der Psychoanalyse so erst zur weltweiten Popularität zu verhelfen.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 03.05.2019

Alexander Fischer liest Uffa Jensens Globalgeschichte der Psychoanalyse zwischen 1910 und 1940 mit Interesse. Welche Blüten Freuds Entdeckung weltweit trieb, vermittelt der Autor laut Fischer mit seinem Wunsch, das Zentrum Wien aufzulösen und die Psychoanalyse als durchlässiges Phänomen zu beschreiben, das bis nach Kalkutta ausstrahlte. Jenses Vorgehen nennt Fischer transparent, anschaulich, gut lesbar, immer wieder Überraschendes aufdeckend. Exkurse, etwa zur Emotionstheorie, gestalten die Lektüre farbig, erläutert Fischer. Ob Jensens Verständnis der Psychoanalyse als Praxisform sinnvoll ist, scheint Fischer allerdings fraglich. Für ihn handelt es sich eher um eine Therapieform.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.03.2019

Rezensent Andreas Mayer wird nicht glücklich mit diesem Buch des Historikers Uffa Jensen, der, wie der Kritiker informiert, seit kurzem eine Heisenberg-Forschungsprofessor am Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin innehat. Schon die Tatsache, dass Jensen sich in seiner Geschichte der Psychoanalyse auf Berlin statt Wien und London statt Cambridge konzentriert, ist für den Kritiker nicht ganz nachvollziehbar. Die Entscheidung für Kalkutta mag indes Jensens Willen zur "Dezentrierung" entsprungen sein, fährt der Rezensent fort, der allerdings schon in Christiane Hartnacks bereits vor zwanzig Jahren erschienener Studie Wesentliches zur Verbreitung der Psychoanalyse in Indien gelesen hat. Wenn der Autor dann allerdings zwecks einer "neuen Art historischer Forschung" kulturwissenschaftliche mit neurowissenschaftlichen Ansätzen verquickt, den Leser also durch "Schlüssellochtexte" zum "Voyeur" zu machen versucht, steigt der Kritiker aus. Jensens Ausführungen zur politischen Bedeutung der Psychoanalyse geraten dem Rezensenten indes zu "pauschal".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 17.03.2019

Erfrischend, klug und überraschungsreich nennt Rezensent Eberhard Rathgeb dieses Buch des Historikers Uffa Jensen, der ihm hier die alte Geschichte der Psychoanalyse neu erzählt. Der Kritiker begleitet den Autor nach Berlin, London und Kalkutta, bewundert dessen extra für das Buch erworbene Bengalisch-Kenntnisse, lernt die lokalen Profile und das politische Potential der Psychoanalyse kennen und erfährt, wie Ideen reisen: Dass nicht alle Einflüsse aus Indien ihren Weg ins kolonial geprägte Bewusstsein des Westens schafften, liest der Rezensent hier ebenfalls.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 15.03.2019

Offenbar recht angeregt lässt sich Rezensentin  Katharina Teutsch von Uffa Jensen durch die "travelling culture" der Psychoanalyse an die Orte dieser umstrittenen Wissenschaft tragen, zu denen neben Wien, Berlin und London erstaunlicher Weise auch Kalkutta zählt. Wie genau der Autor die Orte, Emotionen und Städte, um die es hier geht, ducheinandermixt, beschreibt Teutsch eigentlich nicht, aber es zeigt sich in interessanten Ausführungen, dass es von vornherein Verwandtschaften zwischen psychoanalytischem Denken und etwa dem buddhistischen Nirvana-Begriff und Yoga gibt. Und übrigens haben beide einen Vorfahren in der antiken Säftelehre, die auch in der indischen Tradition eine Rolle spiele. Teutsch empfiehlt das Buch als eine Art Abenteuerreise durch die Psychoanalyse.