Viktor Jerofejew

Russische Apokalypse

Essays
Cover: Russische Apokalypse
Berlin Verlag, Berlin 2009
ISBN 9783827007117
Gebunden, 256 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Aus dem Russischen von Beate Rausch. "Sie wissen, dass in unserem Land ein Staatsstreich stattgefunden hat? Was heißt hier: wann? Das genaue Datum zu nennen, ist unmöglich, denn es gab ja keins. Es war einfach so, dass irgendwie Wind aufkam, der Himmel sich zuzog und Regen einsetzte. Da haben Sie den ganzen Staatsstreich." So zugespitzt kommentiert Jerofejew den staatlich gelenkten Wetterumschwung in Russland, verursacht von den Unsichtbaren, die die Nation auf ein unbekanntes Ziel hinsteuern. Und wer seine Heimat dennoch liebt, muss sich die Gegenfrage gefallen lassen: Liebt sie dich auch? Während Jerofejew noch über die russischen Befindlichkeiten spottet, bleibt dem Leser das Lachen im Hals stecken, weil hinter der Provokation die Sorge um das Land spürbar wird. Ein Land, in dem nach Jerofejews Überzeugung die Apokalypse eingetreten ist. Mit seiner Sicht auf die Lebensweisen von Neureichen und Politikern wie auf ideale Gatten, Schriftsteller, Freunde oder Hausfrauen erweist er sich als Kenner der russischen Seele. Die aber schwebt unentschlossen zwischen den Erfahrungen der Vergangenheit und den Herausforderungen der Gegenwart.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.07.2009

55 Essays aus fünfzehn Jahren versammelt dieser Band mit Texten von Viktor Jerofejew. Was bei der Lektüre entsteht, ist sehr wohl ein Bild des postsowjetischen Russland, versichert die Rezensentin Kerstin Holm. Eine eindeutige, in sich gerundete, zusammenkittbare Sache wird daraus - was Holm aber nur realistisch findet - insgesamt aber gerade nicht. Über den noch im Gefängnis sehr gepflegt auftretenden Oligarchen Chodorkowski kann man lesen, aber auch weit bis zu Tschechow zurück reicht der Interessenbereich dieses Autors. In Russland lacht man, schließt Holm, über das Leben als einzigen "bösen Witz". Man gewinnt nicht unbedingt den Eindruck, dass der Autor der Rezensentin so richtig sympathisch ist, gelernt aber hat sie, scheint's, eine Menge.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 21.07.2009

Schnoddrig elegant, so kennt Franziska Augstein diesen Autor. In Beate Rauschs Übersetzung von Viktor Jerofejews "Russischen Apokalypsen" erkennt sie ihn problemlos wieder. Für Augstein ist die Lektüre allerdings dennoch kein reines Vergnügen. Jerofejews Vorschläge für ein besseres Russland schwanken zwischen bilder- und humorreichen Aufsätzen (so über Tschechow oder russische Gegenwartsautoren), die Augstein vor allem am Anfang des Buches findet, und eher niedere Stil- und Geschmacksbedürfnisse befriedigenden Possen im weiteren Verlauf. Da lässt der Autor dann den "Flachsinn" hochleben, schön nach Chauvinisten-Art. Eine Beleidigung für die guten Texte in diesem Buch, meint Augstein.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 13.05.2009

Nicht ganz unironisch, aber mit merklicher Sympathie setzt sich Rezensent Ulrich M. Schmid für diesen Band mit neuen Essays des russischen Autors ein. Manches ist Jerofejew ein bisschen oberflächlich geraten, berichtet Schmid, der ein paar Fehler aufzählt, manches ist auch widersprüchlich. Dennoch bietet sich Schmid aus den Essays ein anschauliches Bild der aktuellen russischen Szenerie. Schmid entfaltet es etwa an Jerofejews Essay über das Fluchen, das seinen Reiz verloren habe, einfach weil der "Substandard" der Sprache heute zum Alltag geworden sei. Mit Interesse hat Schmid auch Jerofejews Ausführungen zur russischen Literaturszene gelesen.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 12.03.2009

Egbert Hörmann begeistert sich für die hellsichtige und hamletartig "Blut und Verstand" verbindende Prosa des ewigen Enfant terrible der russischen Literatur. Das Werk des zugleich kosmopolitischen wie in der literarischen Tradition seines Landes verhafteten Viktor Jerofejew, der auch mit 62 Jahren noch nicht kanonkompatibel geworden ist, orientiert sich an der Erforschung des Absurden als der "echten Natur Russlands", wie es Gogol, Platonow, Dobytschin und Charms getan haben. Umso verblüffender für den Rezensenten, dass der Autor in seinen 45 Essays, die die aktuelle russische politische, ökonomische und moralische Situation vermessen, den Überblick behält, "es ist ein herrlich wahnwitziges und geistreiches Bouquet" seufzt Hörmann und gibt sich ergeben den Ausführungen über die Vulgärsprache, den Putin'schen Autoritarismus, Tschechows Intimleben oder dem bedauernswerten Zustand der Intelligenzija hin.