Willy Cohn

Kein Recht, nirgends

Tagebuch vom Untergang des Breslauer Judentums 1933-1941
Cover: Kein Recht, nirgends
Böhlau Verlag, Köln und Weimar und Wien 2006
ISBN 9783412329051
Gebunden, 1121 Seiten, 59,90 EUR

Klappentext

Herausgegeben von Norbert Conrads. Zwei Bände. Cohn war als Historiker, Publizist und Pädagoge mit weiten Kreisen Breslaus und insbesondere der jüdischen Gemeinde vertraut. Er erlebte den Exodus vieler Breslauer Juden, die Schrecken der Reichspogromnacht 1938 und die Verzweiflung der verbliebenen Juden, denen die Flucht nicht mehr möglich war. Cohn und seine Familie waren davon selbst betroffen, bis hin zu ihrer Deportation und Ermordung in Litauen 1941. Tag für Tag lässt sich in diesem Buch die Entrechtung und Erniedrigung der Breslauer Juden miterleben. Indirekt ergeben sich auch viele Belege für die Haltung der übrigen Bevölkerung in dieser Zeit. In dieser Alltagsnot findet Cohn allein im jüdischen Glauben Trost und engagiert sich in der Gemeinde. Daneben arbeitet er weiter wissenschaftlich, was ihm Bekanntschaft mit Leo Baeck verschafft, der ihm 1940 seine politische Einschätzung darlegt, oder mit dem bekannten katholischen Kirchenhistoriker Hubert Jedin.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.01.2007

Die zwei Bände versammeln die Tagebuchaufzeichnungen des Breslauer Gymnasiallehrers und Historikers Willy Cohn aus den Jahren 1933 bis 1941. Am Ende zitiert der Rezensent Rainer Blasius den knappen Eintrag aus dem Gedenkbuch der "Opfer der Verfolgung der Juden". Ein paar Daten hier, ein ganzes Leben da. Diese Tagebuch-Dokumente, das steht für Blasius fest, sind ein Schatz und ihre Veröffentlichung ist eine Notwendigkeit. Ausführlich zitiert der Rezensent aus den Bänden, in denen Cohn im mitunter verzweifelten Bemühen um historische Objektivität das Ungeheure schildert, das er als deutscher Jude erleben muss. Illusionen macht er sich von Anfang an kaum. Freilich glaubt er es sich noch Ende der 30er Jahre schuldig zu sein, auch die Leistungen des Staates, der auf seine Vernichtung sinnt, anzuerkennen. (Willy Cohn wird 1941 in Kowno ermordet.) Er verteidigt die Deutschen, wo er kann, weil ihm einzelne immer wieder helfen. Nicht einmal der Sinn für bösen Humor verlässt ihn, den "Judenstern" tauft er "Orden pour le semite". Blasius ist fasziniert von den versammelten Dokumenten, findet jedoch die Ausgabe selbst nicht ganz mustergültig. Die politischen Erläuterungen des Herausgebers scheinen ihm nicht immer gelungen, auch manche nicht nachvollziehbare Auslassung bemängelt er.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 27.12.2006

Cord Aschenbrenner ist von den Tagebuchaufzeichnungen des Breslauer Historikers und Gymnasiallehrers Willy Cohn, der mit seiner Familie 1941 deportiert und ermordet wurde, tief berührt. Der Band dokumentiere eindrucksvoll die Jahre zwischen 1933 und 1941, wobei aus dem Jahr 1938 Eintragungen fehlen, erklärt der Rezensent. Besonders erschütternd ist für Aschenbrenner, dass sich der Autor, durch und durch Patriot wiewohl tief gläubiger Jude und überzeugter Zionist, das furchtbare Ende der Breslauer Juden nicht vorstellen konnte und er zwischenzeitlich in seinen Aufzeichnungen sogar noch die "Größe" Hitlers bewundert. Das Tagebuch, das nun dank des gewissenhaften Herausgebers Norbert Conrads vorliegt, ist laut Aschenbrenner sowohl ein bedeutendes Zeugnis der jüdischen Gemeinde von Breslau als auch die Geschichte der letzten Jahre der Familie Cohn.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 14.12.2006

Mit der Edition seiner Tagebücher ist der Breslauer Pädagoge und promovierte Historiker Willy Cohn für Rezensent Volker Ullrich zum "wichtigsten Chronisten des Schicksals deutscher Juden" nach Victor Klemperer geworden. Anders als Klemperer jedoch, der den Naziterror unter dem Schutz seiner nichtjüdischen Frau überlebte, wurde Cohn, wie Ullrich schreibt, 1941 deportiert und mit seiner Familie ermordet. Für den Rezensenten belegen Cohns Aufzeichnungen, wie schlagartig und radikal sich das Leben für die deutschen Juden nach 1933 änderte. Sie sind ihm durch Cohns darin zum Ausdruck kommenden Patriotismus aber auch erschütternder Beleg für den Zwiespalt und die Schwierigkeit deutscher Juden, trotz Entrechtung und Bedrohung den Ernst der Lage zu begreifen und die lebensrettenden Konsequenzen daraus zu ziehen. Besonders staunt Ullrich über Cohns immer wieder geäußerte Zustimmung zu Hitlers Außenpolitik. Einmal nenne der Cohn ihn gar einen "großen Mann".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 04.10.2006

Frank-Rutger Hausmann würdigt den 1941 von den Nationalsozialisten ermordeten Willy Cohn als einen der wichtigsten "Chronisten" der Breslauer Judenheit. Der Lehrer und bedeutende Mittelalterhistoriker hat über 10.000 Seiten Tagebuchaufzeichnungen hinterlassen, in denen der das eigene Schicksal, aber auch das untergegangene jüdische Leben in Breslau festhält. In seiner einfühlsamen Rezension zeichne Hausmann das Bild eines gläubigen Juden und patriotischen Deutschen, der sich bis zum Schluss einem ihn am Ende vernichtenden Staat verpflichtet fühlt und der in Hitler einen großen Staatsmann sah. Hier legt sich ihm der Vergleich mit dem Tagebuchschreiber Viktor Klemperer nahe, der dagegen bereits früh den verbrecherischen Vernichtungswillen der Nationalsozialisten erkannte. Der Rezensent hebt die Verdienste des Herausgebers Norbert Conrads hervor, der die Aufzeichnungen transkribiert, kommentiert und mit einem Index versehen hat. Besonders "dankbar" ist Hausmann für die Übertragungen der vielen den Text durchsetzenden hebräischen Wendungen ins Deutsche.
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