Magazinrundschau - Archiv

Bookforum

17 Presseschau-Absätze - Seite 2 von 2

Magazinrundschau vom 27.01.2014 - Bookforum

Die Aktivistin und Filmemacherin Astra Taylor bekommt beim Lesen von Brad Stones Biografie über Jeff Bezos Gänsehaut. Höchst beunruhigend findet sie nicht nur Bezos eindimensionale Erfolgsfixierung, sondern auch die Zukunftsvision, die Stone in seinem Buch entwirft: "Der Autor lässt keinen Zweifel, dass Amazon den Buchmarkt komplett dominieren, die ganz großen Autoren publizieren und jeden Zentimeter der Verlagsindustrie kontrollieren will … Stones Kapitel über Bezos' angespanntes Verhältnis zu Verlagen ist eine provokante Fallstudie, die Amazons Weg vom potenziellen Retter im Kampf gegen Großbuchhändler zum schrecklichen Feind nachvollzieht. Führungskräfte aus Amazons Buchgeschäft verließen das Unternehmen, weil sie die skrupellosen Vertragsverhandlungen nicht mehr ertrugen. Das Tauziehen mit kleinen Verlagen über den digitalen Zugang zu ihren Backlists firmierte intern unter dem vielsagenden Namen 'Gazelle-Projekt'."

Außerdem: Jim Newell erfährt bei Malcom Gladwell ("David and Goliath") wofür eine ordentliche Lese- und Rechtschreibschwäche gut sein kann oder der frühe Verlust eines Elternteils und wieso die Gesellschaft Außenseiter braucht: Die Kompensation treibt uns zu Höchstleistungen an. Und exklusiv online stellt Jeremy Lybarger die neue Burroughs-Biografie von Barry Miles vor, die weitgehend ohne Hyperbel auskommt. Bei dem Leben keine Kleinigkeit.

Magazinrundschau vom 11.06.2013 - Bookforum

Bevor James Agee und Walker Evans ihr berühmtes Buch "Preisen will ich die großen Männer" veröffentlichten, waren sie 1941 für Fortune zu den Baumwollpflückern nach Alabama gereist. Ehrfurchtsvoll liest der Reporter John Jeremiah Sullivan die ursprüngliche Reportage "Cotton Tenants", die auf fünfzig Seiten von unterernährten, erschöpften und armen Menschen handelt und die das Magazin damals nicht drucken wollte: "Agee und Evans verbrachten zwei Monate in Hale County, Alabama, und lebten mit drei verschiedenen Pächterfamilien. Oder vielmehr lebte Agee mit ihnen, Evans lebte wohl hauptsächlich in einem örtlichen Motel. Agee aber wollte mehr als nur die Leute interviewen. Er wollte sich mit ihnen verbinden, nicht als einer von ihnen, sondern wie ein unsichtbarer Mann, ein geheimer Agent, der für jeden sichtbar dasitzen würde. Es sollte eine neue Art eintauchender Journalismus werden, eine Reportage wie Zola sie geschrieben hätte (die Einrichtung von Agees Farmhäusern erinnert an nichts so wie an die Bergarbeiterhütten in 'Germinal')."

Astra Taylor stellt Ethan Zuckermans Buch "Rewire" vor, der für eine neue Vernetzung plädiert, denn bisher habe uns das Internet nicht kosmopolitischer, sondern provinzieller gemacht: "Wir erfahren, was wir wissen wollen, auf Kosten dessen, was wir wissen müssen. Während wir auf virtuelle Communities stoßen, die unserer Neugier und unseren Eigenheiten entsprechen, drängt uns kaum etwas über die Komfortzone hinaus oder in etwas Unbekanntes, selbst wenn das gravierende Auswirkungen auf unser Leben haben könnte."

Magazinrundschau vom 19.04.2011 - Bookforum

Als Heilmittel gegen alle Illusionen über das neue Südafrika empfiehlt der Autor Rian Malan das Buch "Brave New World" des Politikwissenschaftlers R.W. Johnson, eine bittere Bilanz des unter Thabo Mbeki in Korruption und Immoralität versunkenen Südafrikas. Johnson, erzählt Malan, ging als Mitglied der Kommunistischen Partei in den 60ern ins britische Exil und kehrte 1995 zurück: "Eine churchillhafte Gestalt, bewehrt mit der Art absoluten Selbstbewusstseins, das man mit dem britischen Establishment verbindet. Jahrzehnte des Exils haben ihn zu einem Liberalen in der strengen britischen Tradition des 19. Jahrhunderts gemacht, das heißt, er ist für freie Märkte, freie Rede, eine konstitutionelle Demokratie und gegen die albernen Sperenzchen seiner einstigen Genossen. Johnson war immer auch ein begnadeter Schreiber, oder vielleicht sollte ich sagen: Redner. Essays und Artikel gingen ihm ganz leicht von der Zunge und ins Aufnahmegerät. Im Ergebnis war die Prosa gebieterisch im Ton und ein permanenter Angriff auf die linken Journalisten und Akademiker, die versuchten, das Bild von Nelson Mandela und seiner Regenbogennation zu kontrollieren. Johnson tat ihre Erzeugnisse als 'ideologische Willfährigkeit oder reine Einbildung' ab. Sie rächten sich, indem sie ihn als Rassisten brandmarkten."

Magazinrundschau vom 02.06.2009 - Bookforum

Anhand einiger Neuerscheinungen fragt sich James Gibbons, ob es einen Boom afrikanischer Literatur gebe, der dem der lateinamerikanischen Autoren in den sechziger Jahren vergleichbar wäre - aber er macht einige Unterschiede aus: "Der lateinamerikanische Boom war bereits in den Institutionen und Milieus der eigenen Region verwurzelt, bevor die Bücher übersetzt und exportiert wurden. Die neue afrikanische Literatur ist alles andere als hausgemacht. Sie ist im Schmelztiegel der Globalisierung geboren und in weiten Strecken eine Literatur des Flucht und des Exils... Die Autoren sind meist vielsprachig, einem ganzen Strauß an kulturellen Einflüssen ausgesetzt. Was sie zusammen mit Autoren aus Asien und Lateinamerika schaffen, ist eine dynamische und vielfältige Literatur der Globalisierung."

Magazinrundschau vom 18.11.2008 - Bookforum

Als großes intellektuelles Drama hat Keith Gessen William V. Spanos' Biografie "The Legacy of Edward W. Said" gelesen, an deren Ende Spanos feststelle, dass Said wohl doch ins poststrukturalistische antihumanistische Lager gehört: "Spanos stellt ihn damit in die Tradition von Heidegger und Foucault und nicht von Adorno und Gramsci. Das klingt vielleicht nicht sonderlich interessant oder wichtig, ist aber sehr bewegend. Dafür muss man sich zuerst einmal Spanos vorstellen. Wie er am Ende seines Buches enthüllt, wurde er 1925 geboren. Kaum war er - ein griechischer Einwanderer der ersten Generation - in Europa gelandet, um gegen die Nazis zu kämpfen, wurde er gefangen genommen. Wie Kurt Vonnegut, mit dem er in einer Division war, sah er die Bombardierung Dresdens durch die Alliierten. 'Ich glaube, dass die Angriffe auf Dresden', schreibt er, 'wie die Atombombe auf Hiroshima und die Fächenbombardements Nordvietnams Massenmord in seiner äußersten Indifferenz gegenüber dem menschlichen Leben darstellen.' Zusammen mit anderen Kriegsgefangenen musste Spanos die Trümmer nach Leichen durchsuchen. Er entwickelte sehr früh eine bittere Meinung vom amerikanischen Exzeptionalismus - und vielleicht auch einen Hang zu deutscher Kultur."

Magazinrundschau vom 18.03.2008 - Bookforum

James Gibbons rühmt den Autor Richard Price als Porträtisten eines aus der sozialen Ordnung gefallenen Teils der USA: "Richard Prices fiktive, im Norden von New Jersey gelegene Stadt Dempsy hat sich im Laufe der Romane 'Clockers' (1992), 'Freedomland' (1998) und Samaritan' (2003) in eine Art Yoknapatawpha County postindustrieller Hoffnungslosigkeit entwickelt. Dempsey ist ein lebendig und im Detail entworfenes Mosaik aus verschmutzten Boulevards, gammeligen Fast-Food-Restaurants und Wohnanlagen, in denen das Verbrechen allgegenwärtig ist; es ist die nervöse Banlieue unfreundlicher Vernachlässigung, eine No-Go-Area für alle außer ihre in der großen Mehrzahl afroamerikanischen Bewohner, die Polizei und die Kunden, die von den Kids an der Ecke ihre Drogen erhalten, ohne überhaupt ihr Auto verlassen zu müssen. Sowohl eine 'meiner Fantasie entsprungene Stadt' (so Price) als auch ein Ort, der 'für jede mittelgroße städtische Umgebung in den USA steht'."

Weitere Artikel: Nana Asfour stellt vier neue Romane von im Exil lebenden Iranerinnen vor. Das Comic-Genie Chris Ware feiert anlässlich einer opulenten Publikation den Schweizer Rodolphe Töpffer als Erfinder der Comic-Kunst und J. Hoberman bespricht enthusiastisch Marc Evaniers Jack-Kirby-Biografie, die den - wie Hoberman meint, durchaus passenden Untertitel - "König der Comics" trägt. Außerdem finden sich Rezensionen unter anderem zu David Goldblatts Weltgeschichte des Fußballs "Der Ball ist rund" und Martin Amis' Post-9/11-Buch "Das zweite Flugzeug".

Magazinrundschau vom 20.11.2007 - Bookforum

In einem großen Artikel bespricht der irische Autor John Banville - als Kriminalromanautor schreibt er unter dem Pseudonym Benjamin Black - eine große Anthologie der Schundliteratur: "The Black Lizard Big Book of Pulp". Die Bedeutung der billigen Kriminalgeschichten liegt, wie er meint, weniger in ihren literarischen Qualitäten als darin, dass sie der treffende rohe Ausdruck roher Zeiten sind: "Die Kriminalliteratur blüht in schwierigen Zeiten. Die Fiktion spiegelt die Zeitläufe und die Zeitläufe geben der Fiktion ihre Farbe. Es gibt eine Rohheit in den Pulp-Geschichten, sogar in denen der 'literarischen' Autoren wie Chandler und Hammett, die sich nicht ausschließlich den Notwendigkeiten des Marktes verdankt. Die Stärke - und vielleicht auch die Schwäche - dieser Geschichten ist es, dass sie etwas von der großen Unversöhnlichkeit und dem unbezähmbaren Optimismus der USA zwischen den Kriegen wiedergeben... Man wird sich kaum über die Beliebtheit der Pulp-Literatur wundern angesichts der düsteren, verlogenen Jahrzehnte, in der sie sich millionenfach verkaufte. Die Welt war gerade aus einem verhängnisvollen Weltkrieg entkommen und rollte in einer Handkarre auf den nächsten zu - dazwischen galt es noch die Depressionsjahre zu überleben."

Weitere Artikel: Colm Toibin, der selbst einen gefeierten Roman über Henry James geschrieben hat, bespricht den zweiten Band - "The Mature Master" - von Sheldon M. Novicks Biografie des Autors. Der Literaturwissenschaftler Peter Brooks hat die soeben erschienenen ersten zwei Bände mit Henry James' Briefen gelesen.