Magazinrundschau - Archiv

Cicero

2 Presseschau-Absätze

Magazinrundschau vom 01.06.2004 - Cicero

Ex-Bild-Chef, Ex-Kohl-Berater Hans-Hermann Tiedje macht sich Gedanken darüber, wie links der Spiegel unter Aust noch ist. Gar nicht eigentlich, meint er, und überhaupt: "Heute sind nur noch links: das PDS-Blatt Neues Deutschland, ein paar marodierende Alt-68er-Reste im WDR, Teile der taz und die SPD-Parteizeitung Frankfurter Rundschau. Und an guten Tagen Jürgen Trittin." Daher meint Recht Tiedje auch: Recht so - wo wäre denn die Zielgruppe eines linken Spiegel: "Da die SPD bei 25 Prozent dümpelt, verkaufte sich ein linker Spiegel auch ziemlich schlecht. Mehr noch: Wo die politische Linke unablässig an Glaubwürdigkeit verliert, wäre es dumm, einen linken Spiegel zu machen. Und: Für die alten Befindlichkeiten reichen ja immer noch Hinweise auf die bösen Amerikaner."

Von einem Fotoessay mit Kommentaren von Tilman Spengler sind im Netz (mit Ausnahme eines sehr vertrauten Bildes) nur die Kommentare zu sehen. Das macht den kulturgeschichtlich weit ausgreifenden Text natürlich ein wenig kontextlos, aber das geht sehr eindeutig an die Adresse der bösen Amerikaner: "Man wird den amerikanischen Aufsehern im Abu-Ghraib-Gefängnis, die sich jetzt juristisch verantworten müssen, vielleicht glauben, dass sie von ihren Vorgesetzten noch nie mit den Regeln eines menschenwürdigen Umgangs mit Gefangenen vertraut gemacht worden sind. Dass sie genauso unvertraut im Umgang mit Pornografie sind, wird ihnen niemand glauben."

Außerdem: Martina Fietz sucht nach einem Kabinetts-Job für Fritz Kuhn. Norbert Blüm diagnostiziert bei den deutschen Wirtschaftseliten galoppierenden "Autismus".

Magazinrundschau vom 03.05.2004 - Cicero

Die zweite Ausgabe des neuen Magazins Cicero macht auf mit einem Text von Martin Walser über die "menschliche Wärmelehre", der sich stellenweise wie eine Selbstreflexion über die vertrackte Dialektik der Walser-Hermeneutik liest. Der Text ist in sechs Sätze und ihre Interpretation gegliedert, von denen allerdings nur zwei online gestellt wurden. Satz 1: "'Man kann Menschen besser beurteilen nach dem, was sie verschweigen, als nach dem, was sie sagen.' Das ist der 1. Hauptsatz der menschlichen Wärmelehre. Dieser Satz macht es nötig zu behaupten, es sei leicht, in dem, was ein Mensch sagt, das festzustellen, was er verschweigt. Und wenn man sich angewöhnt hat, den Text eines Menschen Wort für Wort als die Mitteilung eines verschwiegenen Textes zu verstehen, dann werden auch die fadesten oder banalsten Sätze dramatisch interessant. Auch die farblosesten Politikerstatements werden, wenn man in ihnen das Verschwiegene entdeckt, abgründig attraktiv. Und es sind gerade die farblosesten Routinephrasen, die dann die spannendsten Kehrseiten offenbaren."

Nur im Print: Adam Michnik schreibt einen Brief an Gesine Schwan. Georg Diez hat Franz Müntefering besucht. Angela Merkel spricht im Interview über Macht und Männer. Barbara Bierach beklagt das Fehlen weiblicher Top-Manager in Deutschland. Wolf Biermann erklärt im Interview, warum er nicht weiß, ob er ein Jude ist. Und Timothy W. Ryback stellt uns Hitlers Familie vor. Nach und nach sollen mehr Texte online gestellt werden.