Was bringt Schweden oder Neuseeländer dazu, Black-Lives-Matter-Demonstrationen abzuhalten,
fragt sich erstaunt der in Brasilien lebende Journalist Alex Hochuli. "Was könnte '
white privilege"
in Finnland, in Polen oder auf dem Balkan (wo es ebenfalls Solidaritätsproteste gab) bedeuten? Dieses Privileg hat den Bewohnern dieser Länder im 20. Jahrhundert wenig genützt. Das heißt nicht, dass es dort keine Rassenvorurteile gibt, aber die Wurzeln sind ganz andere." Selbst in
Brasilien findet er diese Anverwandlung seltsam. "Einer der populärsten Rapper Brasiliens,
Emicida, argumentierte vernünftigerweise, dass er nicht demonstrieren würde, weil 'wir strategisch und nicht emotional sein müssen..., wir sind im Moment nicht organisiert genug'. Größere staatliche Repression als Reaktion darauf würde die
Schwarzen und Armen am härtesten treffen. Als ein linker Influencer (herablassend) erwiderte, dass Emicida offensichtlich nicht
Rosa Luxemburg über den Massenstreik gelesen habe, führte dies zu einem 'Rosa Luxemburgo'-Trend im Land. Statt einer dringend notwendigen strategischen Debatte darüber, wie man
gegen Bolsonaro,
Rassismus und Polizeibrutalität mobilisieren könnte, wurde die Diskussion von Bestrebungen dominiert, den Influencer wegen Rassismus zu canceln und die (jüdische) Luxemburg als 'weiße Autorin' abzutun - allesamt erbittert durchdrungen vom Schema der Rasse und der Privilegien, wer ein Recht zu sprechen oder eine Pflicht zum Zuhören hat. ... Wir werden gerade Zeugen eines globalen Triumphs des
amerikanischen Idealismus, ausgerechnet in dem Moment, in dem die amerikanische Soft Power auf ihrem Tiefpunkt angelangt ist. Für die jungen Demonstranten in den Ländern der reichen Welt sind die
Sünden ihrer eigenen Länder in Wirklichkeit amerikanische Sünden. Wie ein Freund aus den Niederlanden, Anton Jäger, mir gegenüber bemerkte, 'ist die Art und Weise, wie Niederländer
kein niederländisches Problem mehr erklären können, ohne sich auf amerikanische Kategorien zu berufen, wirklich schockierend'."