
Die
iranische Protestbewegung gibt einfach nicht auf, trotz der mittlerweile 450 Toten und fast zwanzigtausend Verhafteten. Christopher de Bellaigue, früher Iran-Korrespondent des
Economist,
bewundert Mut und Ausdauer der vor allem jungen Menschen, aber an ihren Erfolg kann er nicht ganz glauben: "Es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen denen, die im Iran leben, und denen außerhalb: Für die
ungeduldigen Exilanten würden das Atomabkommen und die Aufhebung der Sanktionen einem Rettungsanker für die Islamische Republik gleichkommen - es wäre für sie inakzeptabel. Für die Iraner, die in der Islamischen Republik leben, würde es die
Verbesserung der Lebensbedingungen bedeuten, die in den letzten Jahren unerträglich geworden sind. Die Aufrufe zu einem landesweiten Streik, der auch die Basare, die Lehrer und - ganz wichtig - die Ölarbeiter einschließen sollte, sind weitgehend unbeachtet geblieben. Dies kann nicht allein mit der Einschüchterung durch die Regierung erklärt werden. Es liegt auch an der
Erhöhung von Gehältern und Zulagen, die die Regierung in den vergangenen Monaten den Angestellten des öffentlichen Dienstes und den armen Familien gewährt hat. Und es liegt daran, dass bei allem Heldentum der Demonstranten für den unwahrscheinlichen Fall, dass das Regime plötzlich zusammenbricht, niemand auch nur die geringste Ahnung hat, was dann kommen wird. Einem internen Bericht des Regimes zufolge, der am 25. November von Hackern, die sich Black Reward nennen, veröffentlicht wurde, wollen 51 Prozent der Iraner, dass der
Hidschab eine Frage der
persönlichen Entscheidung ist, und 56 Prozent erwarten, dass die Proteste weitergehen.
Aber mit welchem Ziel? Eine Opposition ohne klare Führung hat den Vorteil, dass sie nicht enthauptet werden kann. Doch so vielfältig wie diese Opposition ist, würde jede Diskussion über eine Post-Islamische Republik Iran die mühsam aufgebaute Einheit gefährden. Unter den heutigen Revolutionären wird jeder, der die Frage aufwirft, wie es weiter gehen soll, wahrscheinlich mit Phrasen wie 'Jetzt ist nicht die Zeit für solche Diskussionen' und '
Alles ist besser als diese Bande' abgewimmelt oder der Komplizenschaft mit der Islamischen Republik beschuldigt und mit deren Taktik, Angst zu verbreiten, dass auf den Sturz des Regimes das Chaos folgen wird."