Magazinrundschau - Archiv

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2 Presseschau-Absätze

Magazinrundschau vom 10.08.2021 - NeoText

Amerikanische Comics sind bekanntlich extrem arbeitsteilige Produkte: Gefeiert wird meist der Autor, aber daneben gibt es noch den Zeichner, der die Angaben des Autors umsetzt, den Tuscher, der die Zeichnungen ins Reine überträgt, den Letterer, der die Sprechblasen füllt, und ganz am Ende der Produktionskette noch den Koloristen, der die bis dahin nur schwarzweiß vorliegenden Comics überhaupt erst bunt werden lässt. Beziehungsweise sollte man von "der Koloristin" sprechen, denn insbesondere in den Achtzigern war diese oft übergangene Kunst fest in Frauenhand, schreibt Tom Shapira in einer dankenswerter Weise von zahlreichen visuellen Beispielen unterfütterten Würdigung: Julia Lacquement, Tatjana Wood, Adrienne Roy, Michele Wrightson, Richmond Lewis und Lynn Varley hebt er besonders hervor. "Die eine Sache, die alle von ihnen so gut beherrschten, die sie von jenen, die vor ihnen und nach ihnen arbeiteten, abgrenzte und abhob, war die emotionale Resonanz ihrer Arbeit. Realismus war nicht ihr Ziel, zumindest nicht obligatorisch. Ihre Farben dienten konstant dazu, den emotionalen Ton einer Szene zu setzen." Doch während heutzutage keiner mehr ernsthaft auf die Idee käme, etwa schwarzweiße Filme nachträglich zu kolorieren, "erhalten Koloristinnen nicht dieselbe Menge an Respekt. Tatjana Woods lyrische, viszerale und rohe Arbeit an 'Swamp Thing' in den Achtzigern wurde für die Neuausgabe in der 'Absolute Edition' durch eine neue Kolorierung ersetzt, von etwas, das so sämig und schwer ist, dass es die gezeichneten Linien überdeckt und die feine Arbeit der Zeichner und Tuscher ertränkt, in deren Dienst zu stellen sie sich so viel Mühe gemacht hatte. In gewisser Hinsicht spielt es dabei keine Rolle, ob das Werk dadurch verbessert wird (was nicht der Fall ist) - Geschichte ist Geschichte, man löscht sie einfach nicht aus, nur um einem zeitgenössischen Geschmack zu entsprechen." Hier eine von Tatjana Woods berühmtesten Kolorierungen - Swamp Thing in voller, lyrischer Pracht (und hier ein Vergleich der alten - rechts - und neuen Farben - links):


Weitere lesenswerte Artikel dieses wirklich tollen Popkultur-Magazins: Jane Frank würdigt die morbide Kunst von Zdzislaw Beksiński. Sven Mikulec spricht mit Jonathan Hertzberg darüber, entlegene Filme ausfindig zu machen, zu restaurieren und in Nobel-Ausgaben auf BluRay zu veröffentlichen. Chloe Maveal verneigt sich vor dem Comiczeichner José Ortiz und feiert den (auf dem gleichnamigen französischen Underground-Comicmagazin basierenden) Animationsfilm "Heavy Metal". Cole Hornaday erinnert an die im orientalischen Exotismus liegenden Ursprünge der Marvel-Comicfigur Doctor Strange. Und Joseph Gibson erinnert an Pere Portabellas experimentell-essayistischen Dokumentarfilm "Cuadecuc, Vampir", der am Rande der Dreharbeiten zu Jess Francos "Nachts, wenn Dracula erwacht" mit Christopher Lee entstanden ist.

Magazinrundschau vom 18.05.2021 - NeoText

Jane Frank erinnert an die fantastischen Bildwelten des Science-Fiction-Illustrators Paul Lehr, wie sie seinerzeit auf zahlreichen einschlägigen Taschenbüchern und Magazinen zu sehen waren, die sich aber auch auf jeder Wand gut machen:  "Lehr war einer der wirklich wenigen Künstler, die in der Lage waren, das Science-Fiction-Genre zu evozieren, ohne spezifische Szenen der Bücher, die sie illustrierten, darzustellen. Aber das vermittelt kaum die Schönheit, das Geheimnis und den Exotismus seiner Kunst. Lehr (1930-1998) mag die Science-Fiction-Cover von Mitte der 60er bis in die 70er dominiert haben, aber seine Kunstfertigkeit war eher die eines Jazzmusikers, 'der sich vom erwarteten Rhythmus einfach löste, um diese wundervollen Passagen mit Farben zu schaffen' (Vincent DiFate, im Bildband 'Visions of Never'). ... Die Arbeiten der amerikanischen Illustratoren des 'Goldenen Zeitalters der Science-Fiction' - Namen wie Leyendecker, Wyeth, Cornwall, Parrish, Pyle bis hin zu Norman Rockwell - teilten sich alle einen zentralen Aspekt: Ihre Kunst war konstant beschreibbar. Ihr Publikum hatte kein Problem damit, die realistischen Szenen, die sie zeigten, nachzuvollziehen." Doch "die Arbeiten der Künstler der 'dritten Welle' waren symbolischer, abstrakter und imstande, die Relevanz der innovativen Werke der Science-Fiction hervorzukehren. .. Stilisierte, statische und zum Teil verführerische Darstellungen von Robotern, MIAS (Monster mit Insektenaugen), Raketen und fliegenden Untertassen wurden in den 50ern von neuen Künstlern und deren Covergemälden ersetzt, die die großen Verlagshäuser in dieser Verpackung auch an Bibliotheken und ein zusehends wachsendes, erwachsenes Publikum verkaufen konnten."

"Starcave" von Paul Lehr, undatiert