Nach jahrelangen Diskussionen hat das
Museum für Moderne Kunst seine Arbeit aufgenommen. Bezeichnenderweise versuchte man mit dem
Projekt "Warschau im Entstehen" eine Verbindung zur sich im ständigen Wandel befindenden Stadt herzustellen. "Gut so!", meint die Kunstkritikerin Anda Rottenberg. Nur sollte man es dabei nicht belassen: "Ohne solche Instrumente wie dieses Museum, Fernsehbeiträge, Schulunterricht, ohne Bildungskontext wird unsere Gesellschaft weiterhin
negativ auf moderne Kunst reagieren, und nur durch Errichten von neuen Häusern kommen wir nicht weiter. Übrigens sind diese Häuser, wie sie sind, weil wir eine Architektur akzeptieren, die woanders auf der Welt nicht mehr gebaut wird. Warschau wurde zu einer Art
Abwurfstelle für veraltete Ideen, und alle glauben, das wäre sehr schön, oder sie sagen es wenigstens so. Andernfalls würden sie etwas dagegen unternehmen. Leider reflektiert ganz Polen diesen Geschmack, der aus Komplexen und Ressentiments entstanden ist. Natürlich wird sich das nicht von einen Tag auf den anderen ändern, aber alles ändert sich so langsam."
Der viel diskutierte
Beitrag Timothy Snyders bei der "Eurozine"-Konferenz im Mai (
hier die im New York Review of Books publizierte Fassung) kann den
westlichen Blick auf den Holocaust beeinflussen, meint
Jaroslaw Kuisz. "Ohne Zweifel wendet sich der Text gegen eine Geschichtsschreibung allein aus dieser Perspektive. Das 'Zentrum' schreibt eine populäre Weltgeschichte, und ignoriert dabei stur die Stimmen aus der 'Provinz'." So weit, so gut, nur "werden wir wieder ausschließlich als Opfer präsentiert. Snyders Erzählung, so edel sie gemeint ist, ist nichts Anderes, als eine Fortsetzung der Geschichtsschreibung aus Sicht des Westens. Die Opfer früherer Verbrechen bleiben passive 'Provinz'", schreibt Kuisz. Die Freude über die
Anerkennung der polnischen Opfer beider Totalitarismen, die Synders Text leistet, solle daher nicht ganz so enthusiastisch ausfallen.
Den schönsten Beitrag in der Zeitschrift - aber auch nicht online - stellt die Analyse des
Deutschlandbildes in der polnischen Literatur der letzten dreißig Jahre dar. Przemyslaw Czaplinski (hier ein älterer
Beitrag und eine thematische
Rezension) konstatiert dabei vor allem eine "bezeichnende Verschiebung", weg von nationalen Opferdiskursen. "Die Darstellung der Deutschen dient der
Erfindung eines neuen Polen. Ohne die Veränderung des Denkens über fremde Identitäten ist eine Veränderung der polnischen Identität nicht möglich. Die Darstellung des Anderen ist eine Projektion der eigenen Identität. Je weniger Nationalismus im germanischen Porträt, desto schwieriger ist es, nationale Kategorien für Polen und die Polen aufrecht zu erhalten". Gerade in der Figur des Vertriebenen/ Neuankömmlings habe eine neue Beschreibung von menschlichen Schicksalen
jenseits nationaler Stereotypen einen Ausdruck gefunden. Diese Loslösung von ethnischen Zuschreibungen mache erst den Weg frei für eine neue Definition der polnischen Identität. "Wir brauchen Deutschland als Herausforderung für eine neue Art, Geschichte zu schreiben", konstatiert Czaplinski.