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Spex

1 Presseschau-Absatz

Magazinrundschau vom 03.12.2019 - Spex

Vor zehn Jahren fühlte der 2017 verstorbene Poptheoretiker Mark Fisher mit seinem Buch "Kapitalistischer Realismus" der allgegenwärtigen Alternativlosigkeit des Kapitalismus kulturkritisch auf den Zahn, Kristoffer Cornils betrachtet im zweigeteilten Spex-Essay (hier der zweite Teil) die Gegenwart mit Fishers Theorien im Hinterkopf: Seit Fishers in der Kulturanschauung gewonnenen Diagnose einer allgemeinen Depression gab es in der Popkultur zwischenzeitig zwar eine Ahnung euphorischer Revolte, doch seitdem hat sich der Typus des Psychopathen in der Bewegtbildproduktion merklich Raum verschafft. Psychopathen "haben sich als treibende Kraft in der kulturellen Verhandlung sozialer Verhältnisse etabliert, wenn nicht sogar als Fetischsubjekte einer Gesellschaft, die sich ihr heißes, triebgesteuertes und emotional doch kaltes Handeln gut und gerne zum Vorbild nehmen könnte. ... Die diskursive Verschiebung deutet zumindest an, dass ein soziales Umdenken im Gange ist. Wie würde etwa 'American Psycho' enden, wenn er heute gedreht würde? Schätzungsweise könnte das entlarvende und allzu billige Ende ('Es war alles nur eine Wahnvorstellung!') wegfallen. Und vermutlich hieße der Film dann auch anders. 'Joker' zum Beispiel. Der schließlich lässt in seiner neuesten Version von Todd Phillips gleich eine ganze Stadt in Flammen aufgehen und grinst dazu. Beruhte der kapitalistische Realismus noch auf der Einsicht, dass dieses System das Geringste aller Übel sei, so hindert das die neuen Psychopath_innen nicht daran, den größtmöglichen Schaden anzurichten. Das ist ein Trend, der kaum mehr mit Fishers ebenfalls anhand von Film und Fernsehen formulierten Thesen zu vereinbaren ist. Denn die Psychos ergeben sich nicht ihrer Ohnmacht vor der Allmacht des Systems, sondern setzen sich mit destruktivem Wahn darüber hinweg."

Außerdem: Diversität ist zum modischen Schlagwort für neoliberale Kosmetik geworden, eine günstige Strategie für große Unternehmen, sich selbst in ein gutes Licht zu stellen, meint Neneh Sowe im großen Kommentar. Und: "Diversität markiert bestimmte Gruppen immer als 'anders', egal ob positiv oder negativ, da sie immer von einer Norm ausgeht. ... Schwarze Menschen, PoC und andere marginalisierte Personen werden nur zum Zweck des Selbstmarketings eingestellt und gefördert, nicht etwa aus der Einsicht, dass verschiedene Blickwinkel wichtig und relevant für gesellschaftliche Gerechtigkeit sind. Warum sich ernsthaft mit Rassismus auseinandersetzen?"