Post aus Madrid

Gelöste Umarmungen

Von Brigitte Kramer
18.03.2009. Heute startet in Spanien Pedro Almodovars neuer Film "Los abrazos rotos" mit Penelope Cruz. Die Presse ist ganz aus dem Häuschen, und der Film trifft die Stimmung im Land.
Sie sind zwei spanische Klassiker: Er, klein und rundlich, sie, rassig und schön. Dennoch bedienen Regisseur Pedro Almodovar (57) und Schauspielerin Penelope Cruz (34) nicht das Klischee. Sie sind Ausnahmen: Beide sind Vorreiter in ihrer Arbeit und haben Spanien als Filmland international bekannt gemacht. Jetzt ernten die Oscarpreisträger zuhause ihre Lorbeeren: Zum Filmstart von "Los abrazos rotos" (Etwa: Gelöste Umarmungen) am Mittwoch lassen sich Pe und Pe feiern - nie war die Aufmerksamkeit der Medien größer als zur Premiere des bislang teuersten Films aus der Almodovar-Factory El Deseo. Mehrseitige Fotostrecken, lange Interviews und viel Gerede sollen das Publikum nicht nur ins Kino locken, sondern den Spaniern in Zeiten von Rekordarbeitslosigkeit auch beweisen: Wir sind wer. Hier eine Fotostrecke zum Film aus El Pais.

Bei der Pressepräsentation wurde nicht nur almodovarischer Leidenschaft und Tragik gefrönt, Spanien sprach sich auch selbst Mut zu. "Pedro, unser internationalster Regisseur", "Pedro, in Reinform" (hier) titelten die Medien danach oder verglichen die von Almodovar erdachte Geschichte gar mit Shakespeares King Lear.


Schließlich soll der aufwändigste Film des Regisseurs viel Geld einspielen und so die Bilanz der spanischen Filmbranche in diesem Jahr schönen: Neun Millionen Zuschauer haben Spaniens Kinos 2008 verloren (insgesamt: 107,8 Millionen Besucher) und an den Kinokassen 25 Millionen Euro weniger verdient als 2007 (insgesamt Einnahmen 2008: 619,3 Millionen Euro). 39 Kinos haben im vergangenen Jahr geschlossen, nach Angaben des Spanischen Kulturministeriums in Madrid.

"Los abrazos rotos", auf der Kanareninsel Lanzarote und in Madrid gedreht, bekam gute Kritiken, nicht zuletzt wegen der starken Männerrollen. "Almodovar entdeckt die männliche Seele" - darüber freut sich die auflagenstarke Wochenendbeilage Magazine und widmet den neuen "chicos Almodovar" die Titelgeschichte.

Den blinden Protagonisten spielt Lluis Homar. Er ist in gewisser Weise das Alter Ego des Regisseurs: Schließlich ist dem zweifachen Oscarpreisträger die Idee zum Drehbuch während eines seiner zahlreichen Migräneanfälle gekommen: "In der Stille und im Dunkeln, ohne es zu bemerken, begann ich, mir Situationen und Figuren vorzustellen (?) Ich begann, mit dem Bleistift im Zimmer Notizen zu machen. Es ist interessant zu entdecken, dass der Schmerz die Vorstellungskraft nicht verdrängt," sagt er im Interview mit El Pais.

Eigentlich sollte Paul Auster an dem Drehbuch mitschreiben, doch die Schüchternheit der beiden Künstler und Almodovars beinahe tägliche Schmerzattacken machten ein 2006 vereinbartes Treffen in New York zunichte, wie der Spanier in seinem Blog schreibt.

Für Penelope Cruz war die Präsentation des vierten gemeinsamen Films der beiden der erste öffentliche Auftritt in Spanien seit der Oscarverleihung. Der Preis für ihre Rolle in Woody Allens "Vicky, Christina, Barcelona" stellt den vorläufigen Höhepunkt ihrer Karriere dar - und macht sie für die Klatschpresse (zum Beispiel hier und hier) noch interessanter.

Doch anstatt sich über ihre nicht offiziell bestätigte Liebesbeziehung zum Kollegen Javier Bardem zu äußern, küsste und umarmte sie bei der Präsentation von "Los abrazos rotos" vor den Kameras ihren Mentor und großen Freund Pedro Almodovar. "Pedro ist für mich sehr wichtig, nicht nur im Beruflichen, auch im Privaten. Er ist einer meiner besten Freunde. Wenn man mir sagen würde, du kannst ab sofort nur noch mit einem Regisseur arbeiten, würde ich ihn wählen", sagt sie zu El Pais.


In "Los abrazos rotos" spielt die gebürtige Madrilenin eine erfolglose Schauspielerin, die in verschiedene Beziehungen verstrickt ist und schließlich ein tragisches Ende nimmt. "Meine Filme werden mit den Jahren immer komplexer," sagte Almodovar bei der Präsentation seines 17. Werkes. Lange scheinen schrille Komödien wie "Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs" zurückzuliegen, die die spanische Filmgeschichte geprägt und dem Land jenseits seiner Grenzen zu einem neuen Image verholfen haben.

Das Bild von der feierfreudigen und zugleich wirtschaftlich aufsteigenden Nation, nicht zuletzt durch Almodovar in den achtziger und neunziger Jahren gezeichnet, verblasst im Jahr 2009 endgültig: 3,3 Millionen Arbeitslose (14 Prozent) haben keinen Grund zu feiern. In diesem Sinn trifft der Regisseur von "Los abrazos rotos" erneut die Stimmung im Land. Bleibt abzuwarten, ob sich Spaniens Depression auch an den Kinokassen bemerkbar macht.

Brigitte Kramer