Eric Hobsbawm

Ungewöhnliche Menschen

Über Widerstand, Rebellion und Jazz
Cover: Ungewöhnliche Menschen
Carl Hanser Verlag, München 2001
ISBN 9783446197619
Gebunden, 424 Seiten, 25,46 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Thorsten Schmidt. Dieses Buch handelt von Menschen, deren Namen gewöhnlich niemand kennt, ausgenommen ihre eigenen Familien und Nachbarn und in modernen Staaten die Melde- und Standesämter. Gelegentlich sind sie auch der Polizei bekannt oder Journalisten auf der Suche nach einer "ergreifenden menschlichen Geschichte". In anderen Fällen sind ihre Namen völlig unbekannt, und tatsächlich kann man sie gar nicht kennen - wie die der Männer oder Frauen, welche die Welt veränderten, indem sie Kulturpflanzen anbauten, die aus der gerade entdeckten Neuen Welt nach Europa und Afrika eingeführt wurden. Einige spielten auf kleinen Bühnen eine Rolle: in einer Straße, einem Dorf, einer Kapelle, in einer Gewerkschaft oder einem Gemeinderat. Im Zeitalter der modernen Medien haben Musik und Sport einige wenige von ihnen ins Rampenlicht gerückt. Sie wären in früheren Zeiten anonym geblieben.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 05.05.2001

Kompetent, unbestechlich, engagiert und tiefgründig findet Urs Hafner den britischen Historiker Eric Hobsbawm sowieso. Erfreut ist der Rezensent darüber, dass der "große Historiker großer Themen", mit denen er längst eine breite Leserschaft gefunden hat, sich auch weniger Bekanntem zugewandt hat. Die vorliegenden Texte sind zwischen 1950 und 1995 entstanden und handeln von meist anonym gebliebenen ungewöhnlichen Menschen, infomiert Hafner. Ironisch und stilistisch elegant habe sich der Historiker mit Arbeitern, Bauern und Jazzern beschäftigt, und auch Themen wie die sexuelle Revolution, der Kalte Krieg und das Geschlechterverhältnis kämen zur Sprache. Erstaunt ist Hafner über den anfangs trockenen Humor des Autors, der aber angesichts des Siegeszuges des Kapitalismus den undogmatischen Marxisten Hobsbawn später in eine traurige und resignierte Tonlage verfallen lasse.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 22.03.2001

Rudolf Walther ist begeistert von dieser Aufsatzsammlung des britischen Historikers Eric Hobsbawn, die 26 Aufsätze enthält, sich in drei Teile gliedert und eine ungewöhnliche Themenkombination vereinbart: soziale Bewegungen, zeitgeschichtliche Fragen und Ursprünge und Bedeutung des Jazz. Er findet auch die Aufsätze, die schon 40 Jahre alt sind, im großen und ganzen zeitgemäß, auch wenn sie einiger Ergänzungen bedürften und bezeichnet den Autor als einzigartig, was seine Beschäftigung "mit den Phänomenen von Widerstand und Rebellion" angeht: "die Haltbarkeit seiner Texte kontrastiert eindrücklich mit der Kurzlebigkeit von Modetrend und Schnellschüssen, die die Wissenschaftsszene heimsuchen". Besonders beeindruckt haben Walther der Vergleich der französischen und der englischen Arbeitertradition und die "Kurzgeschichte des Handwerks als ein `Drama in fünf Akten`".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 21.03.2001

Als einen der letzten Vertreter eines "kulturellen Weltbürgertums" bezeichnet Rezensent Rüdiger Suchsland den 1917 in Alexandria geborenen Historiker Eric Hobsbawm. Dieser Band versammelt 25 in den letzten fünfzig Jahren entstandene Aufsätze, die unter dem thematischen Gesichtspunkt "Ungewöhnliche Menschen" hier zusammengefasst sind - und in einem weiten Spektrum Persönlichkeiten des 19. und 20. Jahrhunderts würdigen. Thomas Paine ist ebenso dabei wie Count Basie, als grundsätzliches Bindeglied erkennt Suchsland das Interesse Hobsbawms an der Verteidigung der "Würde des einzelnen Individuums". Obwohl er das Buch insgesamt "hervorragend" findet, bedauert er doch, dass der große Historiker in seiner Analyse der 68er-Bewegung "keinen Zusammenhang von Sex und Befreiung" ausmachen kann und keinen rechten Zugang zur Popkultur hat - Hobsbawms Wertschätzung gilt ausschließlich dem Jazz, dessen Untersuchung das letzte Viertel des Bandes gewidmet ist.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 01.03.2001

Eine oft vernachlässigte Facette des Historikers Hobsbawm erkennt Hans-Ulrich Wehler in diesem Buch. In seinen drei Themenkreisen, die auch der Titel des Buches bezeichnet, könne dieser nun endlich die Pointiertheit seiner Feder unter Beweis stellen, die sonst vom strengen und nüchternen Diskurs einer Wissenschaftlichkeit verschüttet werde. Hobsbawm porträtiere in seinen Essays Menschen, wobei die exakte Kenntnis der weiteren Lebensumstände dieser Personen seine Reputation auf diversen Gebieten der Geschichtsforschung begründet. Zusammengehalten wird diese Sammlung von den "Antriebskräften" und "Weltbildkonturen", die in der Schilderung jedes der Protagonisten hervortrete. "Bunt" und "funkelnd" findet Wehler diesen Band, und er fragt sich, ob er "nicht auch das Vermächtnis eines universalhistorisch interessierten Kopfes" in einer hochspezialisierten Wissenschaftsrealität ist.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 24.02.2001

Edo Reents springt bei diesem Buchtitel so etwas wie "Wehmut" an, sieht er Widerstand und Rebellion dieser Tage doch so gut wie ausgestorben. An diesem Buch, dessen Aufmachung und Übersetzung er nachdrücklich lobt, gefällt ihm das Kapitel über den Jazz am besten. Hier zeige sich der Historiker als Liebhaber und Kenner und stelle seinen "immer noch frappierenden Sinn für gesellschaftliche Zusammenhänge" unter Beweis, so der Rezensent beeindruckt. Ihm gefällt der "unpedantische Stil" und er findet, dass es Hobsbawm in seinen Porträts der berühmten Jazzmusiker hervorragend gelingt, die "künstlerische Kraft" der Musiker genauso wie die persönlichen und gesellschaftlichen Zwänge, unter denen sie arbeiteten, darzustellen. Weniger begeistert ist er von den anderen Kapiteln dieses Buches, die seiner Ansicht nach von "unterschiedlicher Triftigkeit" sind. Und so hat zwar der Titel des Buches dem Rezensenten mehr versprochen als das Buch gehalten hat, aber alles in allem findet es doch seine Zustimmung.
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