Angel Igov

Die Sanftmütigen

Roman
Cover: Die Sanftmütigen
eta Verlag, Berlin 2019
ISBN 9783981999860
Gebunden, 216 Seiten, 17,90 EUR

Klappentext

Aus dem Bulgarischen von Andreas Tretner. Das schmale Buch war in Bulgarien eine kleine Sensation. Es greift ein historisches Tabu auf, dem die bulgarische Literatur die längste Zeit ausgewichen ist: die sogenannten "Volksgerichte" 1944/45, die die früheren Machthaber in Schauprozessen nach Moskauer Vorbild aburteilten und binnen weniger Monate einen Großteil der alten bürgerlichen Elite ausmerzten. Aus historischen Quellen baut Igov eine schlüssige Fiktion des "kleinen Mannes", dem die Stunde schlägt: die Figur des Emil Strezov, eines randständigen proletarischen Jungpoeten aus der Provinz, der in atemberaubender Dynamik erst zum Mitläufer, dann zum "Kader" und eilfertigen Ankläger im Dienste des neuen Terrorregimes wird. Eine Geschichte um Schuld und Sühne, Ermächtigung und Verstrickung, grandios vorgetragen aus der Perspektive von Seinesgleichen, die Emil Strezov hinter sich ließ.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.02.2020

In Bulgarien hat Angel Igovs Roman für einigen Wirbel gesorgt, denn der Autor greift mit den Volksgerichten ein historisches Tabu auf, weiß Rezensent Jörg Plath. Ein klassischer historischer Roman ist Igovs Buch trotzdem nicht, fährt der Kritiker fort, der hier die im Jahr 1944 spielende Geschichte um den jungen ziellosen Provinzdichter Emil Strezov liest: Als die Rote Armee das mit Hitler verbündete Bulgarien besetzt, wird jener von einem Kommunisten angeworben und stürzt sich leidenschaftlich in seine Arbeit als Ankläger für Journalisten und Schriftsteller beim Volksgericht. Wie Igov seinen Helden - auch die alten Kommunisten - dann aber doch "menschlich" erscheinen lässt, ohne "Verbitterung" erzählt und sich stattdessen eher auf die "kleinen, alltäglichen" Korrumpierungen konzentriert, findet der Rezensent bewundernswert. Vor allem aber lobt er die Idee, dem allwissenden Erzähler einen Chor zur Seite zu stellen, der die von den Kommunisten "behauptete Einheit" des Volkes entlarvt. Dass der Roman zum Ende ein wenig an Schwung verliert, verzeiht Plath gern.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 16.01.2020

Rezensent Tobias Lehmkuhl ist hingerissen von Angel Igovs Roman "Die Sanftmütigen". Kurz und lebhaft ist dieses Stück Literatur, schalkhaft, fantasievoll, geschickt, so Lehmkuhl. Darin gleicht es für ihn fast den Kindern jener "namens- und gesichtslose Bande" im Armenviertel Sofias, die vom Schicksal eines ihres Gleichen berichten. Emil Strezov ist ein Dichter und ein Kommunist, wenn auch beides nicht mit großer Überzeugung, lesen wir. Trotzdem wird er in einem der kommunistischen Volksgerichte zum Ankläger ernannt und geht voll in seiner neuen Aufgabe auf. Abgesehen hat er es auf einen älteren Literaten mit moderatem Talent, auf den sich - man weiß nicht recht weshalb - all sein politisches Engagement und all seine Wut richten. So wird in "Die Sanftmütigen" ein bisher größtenteils vernachlässigtes Phänomen der Machtübernahme 1944/45 beleuchtet - und das mit größter literarischer Kunstfertigkeit, lobt Lehmkuhl. Hier passt jedes Wort, jeder Klang, jede Silbe, so der begeisterte Rezensent, der unbedingt auch die Leistung des Übersetzers Andreas Tretner gewürdigt wissen will.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 08.01.2020

Rezensentin Barbara Oertel sieht Angel Igovs "Die Sanftmütigen" als wichtigen Beitrag zur Aufklärung über die "dunkelsten Kapitel" der bulgarischen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Sie erhofft sich mit Igovs Beitrag eine intensivere Auseinandersetzung mit der Epoche des Kommunismus, der 1944 in Bulgarien den Faschismus ablöste. Genau auf diesen "blinden Fleck" der bulgarischen Geschichte richtet der Autor seinen Blick und erhellt für Oertel die Machtdynamiken der Zeit. Die narrative Aufbereitung komplexer historischer Verstrickungen gelingt Igov in den Augen der Rezensentin mittels seiner raffinierten Figurenzeichnung. Der Protagonist, den der "angenehme Kitzel der Macht" zum "Spielball der Mächtigen" macht, wirft Oertel zufolge Fragen nach der Verantwortung des Einzelnen in Zeiten des politischen Umbruchs auf.