J. M. G. Le Clezio

Alma

Roman
Cover: Alma
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2020
ISBN 9783462052268
Gebunden, 368 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Uli Wittmann. In seinem neuen Roman erzählt Nobelpreisträger J.M.G. Le Clézio die Geschichte eines Wissenschaftlers, der nach Mauritius kommt, um nach Spuren des ausgestorbenen Dodos zu suchen und der stattdessen die Geschichte seiner Familie und seinen eigenen Platz in dieser Geschichte findet. Mauritius - eine Perle im Indischen Ozean. Als Jéremy Felsen dort ankommt, weiß er nur, dass seine Familie dort jahrhundertelang auf der Plantage Alma erst Tabak, dann Zuckerrohr angebaut hat. Doch all das ist lange her, die Plantage existiert nicht mehr. Die Moderne hat Einzug gehalten, mit Flugverkehr, Touristen, Supermärkten. Zwar findet Jéremy, der zuvor noch nie auf der Insel war, nicht das, was er eigentlich suchen wollte, nämlich Spuren des ausgestorbenen Vogels Dodo, dafür aber gibt es überall Spuren seiner Familie, auf die er in vielen Gesprächen mit Inselbewohnern und bei ausgedehnten Streifzügen stößt. Und es gibt Dominique - genannt Dodo - Felsen, der auf der Insel geboren wurde und der parallel zu Jéremy seine Geschichte erzählt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 12.05.2020

Rezensent Paul Jandl wird nicht glücklich mit dem neuen, im Original bereits vor drei Jahren erschienenen Roman von J. M. G. Le Clezio. Zu konventionell, zu "kitschig" gerät ihm die Geschichte um einen Forscher, der auf seine Heimatinsel zurückkehrt, um sich auf Spurensuche nach dem ausgestorbenen Dodo, "jenem anrührend plumpen Vogel" und nach der Vergangenheit seiner Kolonialherren-Familie begibt. Schon die Idee, ein weiteres Familienmitglied, den auf Mauritius geborenen Clochard Dominique, genannt "Dodo" über die Insel streifen zu lassen, findet der Kritiker fad. Vor allem aber stört er sich daran, dass er nichts über die "Soziologie der Gegenwart" erfährt, dafür umso mehr abgestandene "Zivilisationskritik, Naturmystik und ethnologischen Kitsch" geboten bekommt. "Altherrenfantasien" und unmotivierte Nebenstränge machen es für Jandl nicht besser. Uli Wittmanns Übersetzung ist dennoch brillant, schließt er.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.04.2020

Niklas Bender spürt noch immer Feuer in den Texten von J. M. G. Le Clezio, auch wenn der Autor sich in seinem neuen Roman laut Bender aufs "Wesentliche" konzentriert und die eigene Herkunft noch enger als sonst umkreist. Gar gut gereift erscheint ihm der Autor, wenn Le Clézio hier etwas "abgeklärter" die Natur beschreibt. Werkkonstanten, wie die Welt der Kolonialherren, die Begegnung mit Unterdrückten und anderen Kulturen sowie die Suche nach der eigenen Identität, begegnen Bender allerdings erneut, wenn er dem Autor und seinen beiden Ich-Erzählern, dem Reisenden Jérémie und dem Outlaw Dominique nach Mauritius folgt. Die exkursreichen Suchbewegungen nach Familienwurzeln und nach dem legendären Vogel Dodo scheinen Bender zwar "nicht ohne Schwächen", mitunter durchaus kitschig inszeniert, doch in der Kunst der Motivik und der komplexen Verflechtung von Geschichten und Figuren vermag ihn der Autor immer noch zu begeistern.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 11.04.2020

Marko Martin wird glücklich mit J. M. Le Clézios neuem Roman, insofern, als der Autor sich darin wiederum als Menschenfreund erweist, einer, der nicht so sehr auf Kritik an menschlichen, gesellschaftlichen Umständen abzielt und schon gar nicht auf irgendeine Idelogie, der dafür aber stilistisch "schön" schreibt und "keinen Schaden" anrichtet. Sanfte Kritik an Le Clézios Staunen kann sich Martin höchstens dahingehend vorstellen, dass Natur, Männer und Frauen in Le Clézios exotischer Insel-Welt im Roman wahrscheinlich ziemlich genau den Fantasien zu Hause gebliebener Bücherwürmer entspricht. Der auch in diesem Buch spürbare "élan vital" des Autors lässt Martin allerdings demütig schweigen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 09.04.2020

Laut Rezensent Nico Bleutge wäre mehr drin gewesen bei J. M. G. Le Clézios neuem Roman. Mehr als die Geschichte zweier ungleicher Männer aus ein und derselben maurizischen Familie und der des Vogels Dodo, mehr als ein Buch über Flora und Fauna der Insel und ihrer Vernichtung durch den Tourismus. Dass der Autor weder dem Lamento entsagen kann noch "poesiealbumtauglichen" Sentenzen, geht Bleutge auf den Geist. Hätte der Autor die Kolonialgeschichte der Insel noch mehr in den Blick genommen, Bleutge hätte es gefreut.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 20.03.2020

Dirk Fuhrig taxiert den neuen Roman von Jean-Marie Gustave Le Clezio als Alterswerk eines literarischen Sonderlings. So üppig und kitschig der Autor in seinem Buch um einen auf seine Heimatinsel Mauritius zurückkehrenden Forscher Land, Leute, Flora und Fauna der Insel besingt und so konstruiert die Handlung auf Fuhrig wirkt, so sehr ist dem Rezensenten klar, dass es sich um sprachlich anspruchsvolle Literatur handelt, die Lebensbilanz eines Reisenden und ein Buch, das Kolonialgeschichte und das Frankreich der Gegenwart verbindet. Dass der Autor nicht politisch wird oder lamentierend, stimmt Fuhrig milde.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 03.03.2020

Nico Bleutge bedauert, dass es J.M.G. Le Clézio in seinem Roman nicht gelingen will, eine Balance herzustellen zwischen "intensiven" Naturbeschreibungen und Gegenwartskritik. Die Geschichte zweier sehr unterschiedlicher Figuren auf Mauritius erinnert in Bleutges Augen zwar gekonnt an die Kolonialgeschichte des Landes, doch schon die inhärente Kritik an der touristischen Erschließung der Insel scheint ihm allzu lamentohaft. Auf die eingestreuten "Altmännerfantasien" kann der Rezensent ebenso gut verzichten.
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