Fritz J. Raddatz

Fritz J. Raddatz: Tagebücher 1982 - 2001

Cover: Fritz J. Raddatz: Tagebücher 1982 - 2001
Rowohlt Verlag, Reinbek 2010
ISBN 9783498057817
Gebunden, 992 Seiten, 34,95 EUR

Klappentext

Von Rudolf Augstein bis Marion Dönhoff, von Günter Grass bis Hans Magnus Enzensberger zeigt es die deutschen Intellektuellen, ja überhaupt die ganze bundesrepublikanische Gesellschaft, wie sie nie beschrieben worden ist: wahrgenommen mit dem Sensorium eines Hochempfindsamen. Streitbar und umstritten und immer, bei aller Geselligkeit, bestimmt von einer klaren Empfindung der Unzugehörigkeit. Sie ist auch die Entstehensbedingung dieser Aufzeichnungen, die von Raddatz letzten Jahren als Feuilletonchef der ZEIT bis zum Beginn des neuen Jahrhunderts reichen und im Fall der Mauer, in der deutschen Wiedervereinigung, ihren kontroversenreichen Mittelpunkt haben.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 02.11.2010

Zunehmend genervt hat Peter Laudenbach diese Tagebücher gelesen, in denen Fritz J. Raddatz genüsslich über die Größen des Kulturbetriebs herzieht, zugleich aber vor Stolz dazu zu gehören schier platzt. Laudenbach liest also auf der einen Seite von Helmut Schmidts "grauslichem Oberlehrergequatsche", von Günter Grass' "Ich-Ich-Ich-Suaden" und Christa Wolfs "Naturell eines BDM-Mädchens", auf der anderen Seite dann von Raddatz' edlen Picasso-Vasen, seinem Wochenende auf Sylt und seinem Champagnergeschmack. "Traurig-aufgekratzt" findet Laudenbach diese Berichte aus einer Welt, die völlig zu Recht untergegangen sei: "Umgekippter Literaturbetriebsnudelsalat." Und die von Phantomschmerz um die fetten Jahre des Feuilletons gebeutelten Kollegen erinnert Laudenbach daran, dass die Zeit in den Achtzigern unter Raddatz so frisch nicht mehr war, viel lieber hat er da schon die "Spex, Rainald Goetz und Gabriele Goettle" gelesen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.10.2010

Rezensentin Elke Heidenreich spürt reichlich Reibungswärme aus diesen Seiten kommen. Sie nimmt sich viel Raum, um uns den Lebensroman des Fritz J. Raddatz vorzustellen, ach was, uns direkt ins Herz zu schreiben. Denn so so sehr Heidenreich auch das Unmäßige dieses Autors, Großkritikers und Lebemenschen erkennt und auch das zwergisch Verzagte, so sehr liebt sie ihn dafür. So gehen die 1000 Tagebuchseiten weg wie nichts, zwischen Klatsch und Tratsch des Kulturbetriebs, des Autors Giftspur überall und nicht zuletzt seiner Einsicht bringenden Scharfsichtigkeit und Eleganz und Haltung. So im Umgang mit Grass und Hochhuth und Mayer etcetera. Mit sich selbst auch vor allem. Denn am gnadenlosesten, so Heidenreich, sei der Meister schließlich mit sich selbst, wenn er die kindischen wie die reiferen Ängste notiert. Und da wundert sich Heidenreich doch ein bisschen, wie hier sehr Banales (über Porsche und Champagner und elegante Schwänze) neben großer Analyse zu stehen kommt. Nur am Gesamtkunstwerk Raddatz ändert das eben nichts.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 18.09.2010

In einen sehr fernen Spiegel glaubt der Rezensent Christopher Schmidt hier zu sehen. Das also war die Welt, die Feuilleton heißt, als sie noch eine Welt war, staunt er beim Anblick, die diese Welt in Fritz J. Raddatz' Tagebüchern bietet: Wie klein sie ist! Und wie kleinlich! Eine Versammlung ganz schön provinzieller eitler Personen, die sich für nichts als sich selbst, den eigenen Ruhm und die eigene Kohle interessieren. Und Raddatz natürlich mittenmang, Eitler unter Eitlen, bekennender Kaviarlinker und einer, der dann doch nicht völlig unverblüfft feststellt, in einem Kulturmilieu zu leben, in dem "selbst die experimentellen Dichter Landhäuser" besitzen. Das Spezifische an Raddatz scheint für Schmidt darin zu liegen, dass er trotz unentwegten Mittuns mit aller ihm zu Gebote stehenden "Schärfe" das unwürdige Treiben beschreibt und für die Nachwelt festhält. Schmidt hat das Gefühl, auf eine Epoche zu blicken, die so fern und so "fremd" ist wie das Pleistozän. Und eins ist ganz sicher: Er wünscht sie sich nach der so faszinierten wie kopfschüttelnden Lektüre dieser Tagebücher auf gar keinen Fall zurück.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 17.09.2010

Gut, dass es das Personenregister gibt. Da kann Arno Widmann leicht auswählen, auf wen er den Autor als nächstes draufhauen sehen will, "wütend und bitter". Nein ausgewogen ist nichts in diesen Tagebüchern von 1982-2001. Widmann könnte ebenso gut die Bunte lesen, oder eben nicht, denn Raddatz ist besser, klatscht mehr, feiner. Und wenn Widmann selbst es noch nicht wüsste, nach der Lektüre aber wüsste er bestimmt um die Verkommenheit de Kulturbetriebs mit seinen Eitelkeiten und Gehässigkeiten en gros. Noch schöner aber gefällt dem Rezensenten diese kleine feine Melodie oben drüber, der Zuckerguss, mit dem Raddatz seine Interna garniert. Da geht es nicht zuletzt um die Person Raddatz selbst, um seine eigene Eitelkeit, in der sich im Idealfall dann auch die des Lesers widerspiegelt, und das scheint Widmann die reine Lust zu sein.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.09.2010

Das ist mal eine lange Besprechung. Allerdings bringt sie eher Verdruss beziehungsweise vermittelt uns den Verdruss des Rezensenten bei der Lektüre von Fritz J. Raddatz und seinen Tagebüchern, der wiederum damit zu hat, dass für Thomas Steinfeld eine Welt in sich zusammenstürzt. Es ist die Welt des großen Feuilletons, wie sie noch Anfang der 80er Jahre bestanden haben mag, als Raddatz den Kanzler zum Streitgespräch mit Günter Grass und Co bitten konnte. Steinfeld lehren die vielen Tagebuchseiten (1982-2001) vor allem dies: Die Zeit der angeblichen Hochkultur war vor allem eine Zeit der Macht- und Ränkespiele, der Eitelkeiten (Raddatz ihr großer Vertreter), der Gier und der Nierenschläge. Dass der Autor auf der einen Seite kräftig mit austeilt, auf der anderen Seite Messerbänkchen und Salongesellschaft preist, erfüllt Steinfeld nicht unbedingt mit Hochachtung. Allerdings, das muss er sagen, scheint dem Autor mitunter durchaus bewusst zu sein, "dass er eine Farce bedient". Die Erkenntnis dieser großen Lektüre also kommt dem Rezensenten eher klein vor: Feuilleton im Raddatzschen Sinn heißt vor allem: Ich. Der Rest ist kollektives Saufen unter Männern.
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