Max Frisch

Im übrigen bin ich immer allein

Briefwechsel mit der Mutter 1933. Eishockeyweltmeisterschaft in Prag. Reisefeuilletons
Cover: Im übrigen bin ich immer allein
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2000
ISBN 9783518411568
Gebunden, 317 Seiten, 24,54 EUR

Klappentext

Der März 1932 wird für den 21jährigen Max Frisch zum Monat der Schicksalsschläge: Sein Vater stirbt, und seine erste große Liebe werdet sich von ihm ab. Der Vater hinterlässt Schulden; dem Sohn und seiner Mutter droht der Absturz in die Armut. Zum ersten Mal sieht sich der Student mit der "Wirklichkeit" konfrontiert, und die bald einsetzende Arbeitssuche wird zu einer Suche nach Klarheit über sich selber. Ein knappes Jahr später unternimmt Frisch eine Reise. Im Auftrag zweier Zürcher Tageszeitungen reist Max Frisch 1933 nach Prag, um über die Eishockeyweltmeisterschaften zu berichten. Über Budapest, Belgrad, Sarajewo, Dubrownik, Istanbul, Griechenland kehrt er schließlich acht Monate später nach Zürich zurück. Der vorliegende Band dokumentiert diese Reise des jungen Max Frisch in die Fremde und zu sich selbst: Neben dem Briefwechsel mit seiner Mutter aus dieser Zeit stehen die veröffentlichten Reisefeuilletons und Sportberichte. Es sind Zeugnisse einer Initiation, an deren Ende der künftige Schriftsteller Max Frisch sichtbar wird.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.05.2001

Hans-Peter Kunisch hat sich unter den neueren Erscheinungen zum Frühwerk Max Frischs umgesehen. In seiner Mehrfachbesprechung legt er uns vor allem zwei Bücher ans Herz: Frischs "'Im übrigen bin ich immer völlig allein.' Briefwechsel mit der Mutter 1933. Eishockeyweltmeisterschaft. Reisefeuilletons" (Suhrkamp). Sowie den ersten Band von Urs Birchers Frisch- Biographie: "Mit Ausnahme der Freundschaft. Max Frisch 1911-1955" (Limmat-Verlag).
1) Max Frisch: "Im übrigen bin ich immer völlig allein."
Den Autor will Kunisch ein wenig in Schutz nehmen. Gegen das Verdikt vom "blumig-lyrischen Stil" des "naiven jungen Frisch" führt er die frühen, hier versammelten Arbeiten ins Feld. "Glänzend" nennt er sie, möchte das Wort allerdings durchaus in seiner Doppelbedeutung verstanden wissen, "das Verschmockte aller Selbstdarstellung inbegriffen." Dennoch: Die Feuilletons des "Moral- Schriftstellers als junger Dandy" findet er nicht durchweg unpolitisch oder seltsam, sondern mitunter "recht überzeugend historisch". Wenn auch der Band als Ganzes die "nahe liegende Thematisierung der politischen Haltung weitgehend vermeidet."
2) Urs Bircher: "Mit Ausnahme der Freundschaft. Max Frisch 1911-1955"
Gegen diesen ersten Band von Birchers Biographie, meint unser Rezensent, sei der zweite eher harmlos. Überfällig sei der hier vorgelegte Versuch, den ersten Lebensabschnitt des weltbekannten Autors Frisch "einmal auch politisch darzustellen." Kunisch räumt ein, dass die "patriotisch-nationalistischen Haltungen" des jungen Frisch "als prinzipientreuer Kleinbürger, der den offiziellen Schweizer Standpunkt (während des Kriegs) verinnerlicht hatte", dem Kenner zwar bereits bekannt seien, Bircher jedoch komme das Verdienst zu, sie einem breiteren Publikum vorzuführen. Allerdings: Etwas weniger "Aufdeckungsgestus" hätte es nach Kunischs Dafürhalten auch getan.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 28.09.2000

Für Werner Irro ist der vorliegende Band schlicht ein Ereignis, da er die Geburtsstunde des Schriftstellers Max Frisch markiert. Irro berichtet, dass sich Frisch, nach dem Tod des Vaters 1932, plötzlich finanziell auf sich selbst gestellt sah. Er gab das Studium auf, begann für Zeitungen zu schreiben und finanzierte sich dadurch sogar eine mehrmonatige Reise. Das Buch enthält alles, was Frisch damals schrieb: Briefe an die Mutter, die Irro zufolge von Beschwichtigungsformeln dominiert werden; Sportreportagen, womit Frisch sein Leben fristete sowie Reisefeuilletons, die bereits in Stil und Thema den kommenden Schriftsteller ankündigen, so der Rezensent. Frischs persönlicher Blick auf Menschen und Städte werde zur Richtlinie seines Schreibens, hier wurzele deutlich des Schriftstellers "Verständnis von Tagebuch als Zeitgenossenschaft". Wenig Verständnis bringt Irro für den Herausgeber auf, der zwar die Bergbahnen der Schweiz mit Anmerkungen ehrt, über die Mutter des Schriftstellers jedoch völlig hinwegsieht.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 28.06.2000

Roman Bucheli stellt fest, dass die Briefe von Max Frisch an seine Mutter keineswegs nur von aufrichtiger Zuneigung geprägt sind. Vielmehr zeige sich der junge Frisch seiner Mutter gegenüber stellenweise "wie ein Kind, das wütend mit seinen Beinchen auf den Boden stampft". So mault er, dass sie in einem Brief, in dem sie ihm Geld geschickt hat, keinen Gruß beigefügt hat. An anderer Stelle überhäuft er sie mit Aufgaben, die sie bitteschön für ihn erledigen solle. Aber auch schlechtes Gewissen - auf beiden Seiten - blitzt gelegentlich durch, so der Rezensent. Irritierend findet Bucheli bisweilen auch die Überheblichkeit des jungen Autors, etwa da, wo er sich in seinen Reisefeuilletons über die `Elendsfiguren` in den Straßen Prags beklagt, deren Anblick sein Wohlbefinden beeinträchtigen. Frischs Reisefeuilletons sind nach Ansicht des Rezensenten geprägt von einer Mischung zwischen Hochmut, Selbstgerechtigkeit, auch Kitsch und einem Mangel an Ironie auf den einen Seite, und zunehmendem Selbstbewusstsein und "erstaunlichem rhetorischem Feingefühl" auf der anderen Seite. Dennoch sind sowohl die Briefe als auch die Reisefeuilletons nach Ansicht des Rezensenten "ein bisweilen ergreifendes, oft aber auch ein köstliches Zeugnis" für Frischs "Reise dem Ich entgegen".