Oscar A. H. Schmitz

Das wilde Leben der Boheme

Tagebücher. 1896-1906
Cover: Das wilde Leben der Boheme
Aufbau Verlag, Berlin 2006
ISBN 9783351030971
Gebunden, 529 Seiten, 58,00 EUR

Klappentext

Herausgegeben von Wolfgang Martynkewicz. Kunst, Erotik, Reisen - die hier erstmals veröffentlichten Tagebücher des Schriftstellers Oscar A. H. Schmitz zeigen die Passionen eines Dandys, der die geistigen Strömungen seiner Zeit begierig aufsog. In ihrer Unmittelbarkeit sind diese Aufzeichnungen eine wahre Fundgrube, ein bedeutendes Zeitzeugnis und große Literatur zugleich. Das Tagebuch beginnt mit einem Scheitern: Oscar A. H. Schmitz, 22 Jahre alt, hat alle Hoffnungen auf eine akademisch-bürgerliche Laufbahn aufgegeben. In der Münchner Boheme gehört er bald zu den Außenseitern der literarischen Szene. Von großer innerer Unruhe getrieben, flieht er nach Paris, setzt sich den Reizen der Großstadt aus. Er inszeniert sich als Dandy und Don Juan, stürzt sich in erotische Abenteuer, sucht den Rausch und die Ekstase. Sein Lebenselixier ist der Umgang mit interessanten, originellen Zeitgenossen wie Sigmund Freud, Frank Wedekind, Heinrich und Thomas Mann. Mit Akribie hält er seine Begegnungen im Tagebuch fest, das sich wie ein Who's who der intellektuellen Welt liest: Stefan George, Franz Hessel, Alfred Kubin, August Strindberg, Else Lasker-Schüler, Rainer Maria Rilke, Stefan Zweig, Hermann Hesse, Hugo von Hofmannsthal, Max Brod. In den Reisereportagen, Traumprotokollen, Selbstbetrachtungen und Apercus der Tagebücher entsteht ein wunderbar lebendiges, zuweilen auch provozierendes Bild der Belle Epoque.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 17.04.2008

Jens Malte Fischer feiert die zwischen 1896 und 1918 geführten Tagebücher Oscar H. Schmitz', die der Herausgeber Wolfgang Martynkewicz im Marbacher Archiv entdeckt hat, als Fund, zeigt sich dann aber von ihrem Inhalt mehr als nur ein bisschen enttäuscht. Schmitz galt seinen Zeitgenossen als sympathischer und verdienstvoller Reise-, Feuilleton- und Romanschriftsteller, der die Münchner Bohemeszene um 1900 belebte, teilt der Rezensent mit. Eine lebendige, facettenreiche Schilderung berühmter Zeitgenossen und interessanter Orte sucht man in den drei Bänden überwiegend vergebens, stattdessen ergeht sich der Autor besonders im ersten Band in der Schilderung erotischer Abenteuer, stellt Fischer unangenehm berührt fest. Er nimmt dabei deutlich misogyne und auch antisemitische Affekte wahr und vermisst schmerzlich tiefergehende Betrachtungen zu musikalischen und künstlerischen Erlebnissen oder erhellende Beobachtungen über Land und Leute auf seinen zahlreichen Reisen. Nur der dritte Band enthalte auch mal eine "schonungslose Selbstkritik", was in den beiden anderen Bänden fast völlig fehle, allerdings seien hier die persönlichen Erlebnisse derart verschlüsselt dargestellt, dass sie sich auch mit dem durchaus nützlichen Kommentar des Herausgebers nicht gänzlich aufklären ließen, so der Rezensent unzufrieden, der dem Romancier Schmitz gegenüber dem Tagebuchschreiber eindeutig den Vorzug gibt.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 31.03.2007

Als glänzendes und schillerndes Exemplar einer literarischen Nebengattung, die dennoch mitten ins Zentrum zielt, wertet Rezensent Hansjörg Graf dieses "Diarium eines Großbürgersohns". Zwar muss man annehmen, dass die Grenzen des Zumutbaren beim Rezensenten mitunter doch ziemlich strapaziert werden, gerade was die Schilderung dieses Dandys im Umgang mit Frauen und Abenteuern betrifft. Dennoch hat er für diese Aufzeichnungen von Oscar A. H. Schmitz fast nur Lob übrig. Deren Faszinationskraft besteht für den Rezensenten besonders in den intimen Einblicken, die dieser Autor in die "Treibhäuser der Bourgeoisie" seiner Zeit gewährt, und damit auch in die Pathologie des Sexuallebens im Fin de Siecle. Manchmal sieht er die Aufzeichnungen zwar zur Klatschspalte einer Boulevardzeitung mutieren, insgesamt aber ist er höchst angetan.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 09.11.2006

Nicht den erhofften Dandy, sondern einen flachköpfigen Pennäler hat Rezensent Fritz J. Raddatz in den Tagebüchern von Oscar A.H. Schmitz gefunden. Zwar habe Schmitz ein interessantes Leben im Paris der Jahrhundertwende geführt und manch einen berühmten Künstler und Literaten aus der Nähe kennengelernt. Doch was Schmitz darüber mitteilt, klagt Raddatz, bleibe platt und schablonenhaft. Raddatz verreißt den Band mit höchster Verve und wundert sich lediglich, dass ein Verlag sich soviel "bewundernswerte Mühe" mit Schmitz gegeben und die Edition so sorgfältig annotiert habe.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 04.11.2006

Fasziniert hat Rezensent Robert Misik diese wieder entdeckten Tagebücher verschlungen, die ihm einen ausgesprochen intensiven und aufschlussreichen Blick auf die Boheme der vorletzten Jahrhundertwende, insbesondere Figuren wie Thomas Mann und den Stefan-George-Kreis, geboten haben. Ihr Autor, Literat, Welt- und Lebemann, sei zu seiner Zeit eine "große Nummer" gewesen, schreibt Misik mit sichtlichem Respekt. Mit staunender Sympathie folgt er dieser Mischung aus Snob, Reaktionär, Revolutionär und aristokratischem Allürenpfleger bei seinen Ausflügen durch diverse europäische Szeneviertel und Bohemebiotope von einst. Am Ende findet er besonders das existenzielle Gebeuteltsein, die Verwirrtheit der damaligen Zeitgenossen symptomatisch.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.10.2006

Erfreut zeigt sich Rezensent Eberhard Straub über die nun erschienenen Tagebücher von Oscar A. H. Schmitz (1873 bis 1931), die Gelegenheit bieten, den heute weitgehend vergessenen Dandy, Lebenskünstler und Literaten wieder zu entdecken. Ausführlich berichtet Straub über den musisch begabten und umfassend gebildeten Sohn aus reichem Hause, der sich schon früh der als beengend empfundenen bürgerlichen Lebensform entzog, als weltmännischer Ästhet kreuz und quer durch Europa reiste und sich ins "wilde Leben der Boheme" stürzte. Die dabei entstandenen Tagebücher verdeutlichen für Straub indes, dass dieses Leben nicht in die Freiheit führte, sondern eigentlich ein "bürgerliches Missverständnis" war. In diesem Zusammenhang unterstreicht Straub die Zweifel, die Schmitz an seiner ausschweifend gelebten Sexualität hatte, da sie ihm als etwas überaus Spießiges erschien. Die Tagebücher veranschaulichen für Straub schließlich den "Bourgeois, der am Bürgertum leidet, aber unfähig ist, ein Revolutionär zu werden".
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