Peter Weiss

Das Kopenhagener Journal

Kritische Ausgabe
Cover: Das Kopenhagener Journal
Wallstein Verlag, Göttingen 2006
ISBN 9783835300712
Gebunden, 205 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Herausgegeben von Rainer Gerlach und Jürgen Schutte. Das ursprünglich nicht für die Veröffentlichung vorgesehene Tagebuch entstand zwischen Juli und Dezember 1960, als Weiss in Kopenhagen den Dokumentarfilm "Hinter den Fassaden" drehte. Es ist das Dokument einer künstlerischen und privaten Krise. Schonungslos gegenüber sich selbst und anderen analysiert Weiss seine Situation. Im Fokus seiner Reflexionen steht seine Lebensgemeinschaft mit der Keramikerin und Bühnenbildnerin Gunilla Palmstierna, die von seinen zahlreichen Affären überschattet wird. Darüber hinaus beschäftigt den Künstler die Frage, welchen künstlerischen Weg er fortan beschreiten soll: Da ist die zermürbende und aufregende Arbeit am Dokumentarfilm, es gibt Skizzen zu einem Theaterstück und für ein neues autobiografisches Werk - und die Aussicht auf literarischen Erfolg, die ihm der Suhrkamp Verlag gerade eröffnet hat. "Das Kopenhagener Journal" dokumentiert die Krisensituation eines Künstlers, der mit der "Ermittlung" später Weltruhm erlangen sollte.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 15.02.2007

Rezensent Rolf Michaelis begrüßt mit großem Überschwang, dass Peter Weiss' "geheimnisumwittertes" Journal nach fast einem halben Jahrhundert nun endlich zum ersten Mal vollständig erschienen ist. Denn ohne diese Aufzeichnungen, die Weiss 1960 "in Einsamkeit und Verzweiflung" geschrieben habe und die nie zur Veröffentlichung gedacht gewesen waren, dürfe in Zukunft niemand mehr "wagen", über Leben und Werk dieses Autors zu urteilen. Als Leser wird man dem Rezensenten zufolge in diesem "traurigen Dokument" deutscher Literatur im Exil Zeuge eines "körperlichen und seelischen totalen Bankrotts", wie Michaelis ihn gnadenloser selten beschrieben gefunden hat. Mit der gnadenlosen Klarheit im Blick auf sich selbst kann Weiss ihn aber auch mit seinem Blick auf andere beeindrucken. Auch die Herausgeber werden für ihre hervorragende Editionsarbeit hoch gelobt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 30.01.2007

Das Kopenhagener Journal zeige den Künstler Peter Weiss in einer entscheidenden Umbruchsphase seines Lebens, erläutert Rezensent Michael Braun. Aufgrund eines "extrem schwankenden" künstlerischen Egos habe er 1960 begonnen, ein Tagebuch zu führen, dass nicht zur Veröffentlichung vorgesehen war. Neben Traumprotokollen, psychologischen Selbststudien, poetologischen Fragmenten stünden hier beispielsweise politische Beobachtungen "schroff" neben intimen Analysen der Beziehung zu seiner Freundin. Eine "unheimliche" Genauigkeit bei all diesen Themen, so Rezensent, mache das Journal zu einer "fesselnden" Lektüre. Der Kampf zwischen den subjektivistischen und analytischen Impulsen des Autors sei hier noch nicht entschieden gewesen. Wichtig für den Peter Weiss dieser Jahre sei auch seine Reise zu dem berühmten "Palais ideal" eines Briefträgers im Rhonetal, das er im Journal als eine ihm kongeniale ästhetische Hervorbringung verstehe, als einen stellvertretend geträumten "Kollektivtraum". Die Herausgeber hätten das Journal ohne jede Zensur veröffentlicht, Verschreiber inklusive.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.12.2006

Einen Schlüsseltext zur komplexen Persönlichkeit des Schriftstellers Peter Weiss sieht Rezensent Helmut Böttiger in dem zum ersten Mal vorliegenden "Kopenhagener Journal", seine im schwedischen Exil 1960 entstandenen literarischen Reflexionen über seine Sozialisation und sein Leben als deutscher Jude. Böttiger beschreibt das Journal als "eigenartige" Mischung aus Tagebuch und Werkstattband, das sehr persönliche und offene Abschnitte mit subtilen Prosastücken verbindet. Weiss? politische Radikalisierung wird für ihn hier schon spürbar und vor allem von seinen persönlichen Voraussetzungen verstehbar. Eine besondere Rolle sieht Böttiger dabei in Weiss? Beschäftigung mit der Psychoanalyse, die er als Ausgangspunkt einer marxistischen Gesellschaftsanalyse begreift. Dabei befinde sich Weiss durchaus in einem Widerstreit von bürgerlich-individualistischen Problemen, von denen er sich befreien wollte, und dem beginnenden gesellschaftlichen Engagement, das durch seine Studien in den Kopenhagener Vororten intensiviert wurde. Das Fazit des Rezensenten: ein "spannendes zeitgeschichtliches Laboratorium".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 08.11.2006

Anregend und "spannend" hat Ina Hartwig diese Aufzeichnungen von Peter Weiss gefunden. Denn hier könne man nicht nur die Entstehung von Literatur beobachten wie bei anderen Schriftstellertagebüchern auch. Weiss behandle schon 1960 die Themen, die 1967 und 1968 an die Oberfläche kommen werden, darunter die psychologische Selbstbefragung und die Diskussion der Klassengesellschaft aus der Boheme heraus. Darüberhinaus erblickt Hartwig in den "drängenden, nah am Unterbewusstsein lavierenden" Notizen, an der ihr die Offenheit und Schonungslosigkeit von Weiss sich selbst gegenüber imponiert, das Zeugnis einer sich herausbildenden, "fast experimentell zu nennenden männlichen Sensibilität".