Horst Bredekamp

Darwins Korallen

Frühe Evolutionsmodelle und die Tradition der Naturgeschichte
Cover: Darwins Korallen
Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2005
ISBN 9783803151735
Gebunden, 128 Seiten, 18,50 EUR

Klappentext

Lebensbaum mit dem Menschen als Krone oder Entwicklung nach allen Seiten? Horst Bredekamp befragt Darwins Evolutionstheorie und ihre Bilder.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 08.08.2006

Begeistert äußert sich David Oels über Horst Bredekamps Untersuchung eines weitreichenden ikonografischen Aspekts der Evolutionstheorie, das Bild des Lebensbaums und/oder des Korallenstocks. Bredekamps Kritik an der Eignung des populären Bildes, das Darwins Evolutionstheorie veranschaulichen soll, kann Oels nur zustimmen- zumal der große Biologe bei der Auslegung selbst sehr zurückhaltend war und nie von Bäumen sprach. Um so spannender findet er dann auch Bredekamps Entdeckung einiger Korallen-Skizzen Darwins. In diesem Zusammenhang hebt er voller Zustimmung dessen Nachweis hervor, Darwin habe bis in die späten fünfziger Jahre des 19. Jahrhunderts die Evolution durch einen Korallenstock veranschaulichen wollen, weil es gegenüber dem Baummodell doch zahlreiche Vorteile biete.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 28.02.2006

Faszinierend findet Uwe Justus Wenzel dieses Buch über die Bildwelt Darwins, das der Kunst- und Bildwissenschafter Horst Bredekamp vorgelegt hat. Im Zentrum des Buchs sieht er die These, dass Darwins berühmtem Evolutionsdiagramm nicht das Bild des Baumes zugrunde liegt, sondern das der Koralle, die die natürliche Selektion wesentlich besser veranschauliche. Wenzel bescheinigt dem Autor, mit "kriminalistischem Spürsinn" und der "Belesenheit eines Universalgelehrten" darzulegen, wie Darwin den Baum, der ihm sich als verbreitetes Modellbild für "Abstammungen" anfangs empfohlen hatte, in eine Koralle transformierte. Zudem führe Bredekamp den Leser in die Debatten ein, die Mitte des 19. Jahrhunderts um naturwissenschaftliche Modellbildungen geführt wurden.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 23.02.2006

Rezensent Burkhard Müller gerät ins Schwärmen über die "kenntnis- und gedankenreiche" schmale Studie von Horst Bredekamp, der sich aus kunst- und kulturhistorischer Perspektive mit den frühen Grundlagen der Darwinschen Evolutionstheorie auseinandersetzt. Nicht der Baum sei die adäquate Metapher um die menschliche Entwicklungsgeschichte abzubilden, sondern die Koralle. Angesichts dieser Erkenntnis, die dem Korallenliebhaber und Sammler Darwin über einer "wackligen Skizze auf einem Notizblock" gekommen ist, sei dem Naturfoscher ein "Glücksmoment der Wissenschaftsgeschichte" widerfahren, wie der Autor zitiert wird. Diesem "Denkbild" des Koralle spüre Bredekamp nach und zeige auf, wie sich die einzelnen Verzweigungen als Individuen beschreiben lassen, die zwar nur an den außenliegenden Spitzen lebendig sind, aber deren abgestorbene Teile auf einen Zusammenhang in der Vergangenheit verweisen. Aus diesem Grundstock lasse sich das "Modell der Evolutionstheorie" herleiten, die der Autor entgegen der herrschenden Interpretation als janusköpfig bezeichne, da sie nicht nur eine naturphilosophiesche Tradition "vernichte" sondern auch vollende.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.01.2006

Viel Aufwand, wenig Erkenntnis. So resümiert Christian Geyer seine Lektüre dieser "Bildwissenschaft im Zeichen des iconic turn". Der Kunsthistoriker Horst Bredekamp trage zwar in seinem Band "Darwins Korallen" jede Menge interessante Indizien zusammen, um sein Projekt, die Kunstgeschichte zu einer allgemeinen Bildwissenschaft zu erweitern, voranzutreiben. Ein schlüssiger Kontext, so Geyer, ergebe sich daraus jedoch nicht. Darwinsche Evolutionsmodelle und ihre Diagramme figürlich zu interpretieren, hält Geyer für einen Irrweg. Was macht es schließlich für einen Unterschied, ob wir darin nun, wie üblicherweise, Bäume erkennen oder "Korallen oder Algen oder Haarnetze"? Den Beweis für das Bild als einem aktiven Träger des Denkprozesses bleibt Bredekamp in den Augen des Rezensenten schuldig. Für Geyer gilt hier darum: "Ein Wort sagt mehr als tausend Bilder."
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 13.10.2005

Fasziniert zeigt sich Wilhelm Trapp von Horst Bredekamps Studie "Darwins Korallen", die der Evolutionstheorie eine "neue Facette" hinzufügt. Trapp berichtet, dass der Autor in einigen Korallen-Skizzen Darwins die Struktur der Evolutionstheorie entdeckt hat. Bredekamp zeige, dass das Modell der Koralle der Evolution viel eher gerecht wird als das Modell des Baums, das bis heute als Paradigma der Evolutionstheorie gilt, auch wenn Darwin die Mängel des Baummodells bewusst waren. "Die Koralle wächst irregulär, unhierarchisch, hat Querverbindungen, offene Enden und erfasst historisch die ausgestorbenen Arten", kommentiert Trapp das Korallenmodell. Auch wenn Darwin die Bedeutung der Koralle nie verbalisiert habe, habe er sie zeichnerisch erfasst und fortgedacht. Trapp sieht in Bredekamps "knapper", aber "enorm gehaltvoller" Studie einen weiteren Beleg für dessen Fähigkeit, "dem bildlichen Denken zu seinem Recht gegenüber der Sprache zu verhelfen."