Michel Serres

Atlas

Cover: Atlas
Merve Verlag, Berlin 2005
ISBN 9783883961941
Kartoniert, 257 Seiten, 19,80 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Michael Bischoff. Können wir einen Begriff bilden, der zwischen dem Lokalen und dem Globalen steht? Können wir beides miteinander verbinden oder mischen oder gleichsam miteinander vernähen? Und genau das ist in allgemeinster Formulierung das Problem des Plans oder der Karte. Wie jeder Atlas, so zeigt auch der unsrige raum-zeitliche Modelle der mosaikförmigen Vielfalt, ein abschließendes Bild des Ortes, der Zeit und der zusammengesetzten Netze, das Tier- und Pflanzenreich, das alte und neue Reich Harlekins, des Kaisers der Erde und nicht mehr des Mondes, die verschiedenen Zimmer des oben beschriebenen Hauses mit all seinen Fluren.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 16.01.2006

Als "spätes Resümee eines Denkweges" beschreibt Rezensent Cord Riechelmann Michel Serres jüngstes Buch. Der Tatsache, dass es nicht mehr "so prägnant und gedrängt formuliert" ist wie frühere Arbeiten des französischen Wissenschaftsphilosophen, kann der Rezensent Positives abgewinnen. Denn Serres sucht aus seiner Sicht "weder Streit noch Kampf", sondern den "gleichberechtigten Austausch", da seinem Credo zufolge Wahrheit nur jenseits von Macht und Gewalt entstehen könne. So gehe es im "Atlas" um diskursive "Orientierungshilfen" im "neuen veränderten Raum" und unser Verhalten unter "den Bedingungen der Globalisierung". Manchmal findet der Rezensent Serres Gedanken wohl eine Spur zu ausschweifend und ungenau. Dennoch sieht Riechelmann nach vollzogener Lektüre "klarer, wohin es gehen kann", und findet schließlich einen Diskurs eröffnet, zu dem das "letzte Wort" aus seiner Sicht allerdings noch nicht gesprochen ist. Schade nur, dass Riechelmann uns in seinen Ausführungen nicht verrät, um was für einen Diskurs es sich eigentlich handelt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.08.2005

Hocherfreut zeigt sich Rezensent Peter Bexte darüber, dass Michel Serres' "Atlas" von 1994 nun endlich im Deutschen vorliegt. Er charakterisiert dieses Alterswerk des französischen Philosophen als "sehr stilbewusst, sehr sprachverliebt", nennt es ein "sehr französisches Buch". Den Autor würdigt er als einen unkonventionellen Denker, der sich zwischen den akademischen Disziplinen ruhelos bewege, vermeintlich getrennte Bereiche zusammendenke (die Chaostheorie und Lukrez etwa) und brillante Texte von "größter Gelehrsamkeit" verfasste. Im "Atlas" finden sich nach Ansicht Bextes viele seiner früheren Motive wieder, allerdings habe sich der Ton verändert. Serres schlage nämlich, in souveräner Kenntnis um die exakten Wissenschaften, einen "prophetischen Ton" an, der manchen Leser ungewollt skeptisch stimmen werde. Bexte sieht darin die "Größe", aber auch die "Crux" dieses Buches. Nicht verschweigen will er, dass sich der Autor manchmal in "raunendes Etymologisieren" verliere, dass er sich auch wiederhole. Serres thematisiere eine Vielzahl von Globalisierungen: des Wissens, der Gewalt, der Ökonomie, der Verkehrswege. In der Tat aktuelle Themen, die indes die Gefahr zu Globalauskünften über allzu vieles bergen, vor der der Rezensent auch Serres nicht ganz gefeit sieht. "Hier rettet den Autor einzig sein guter Genius, der brillante Detaileinsichten in das überquellende Füllhorn streut."
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 26.07.2005

"Endlich ein neuer Serres", ruft Rezensent Gustav Roßler erfreut und macht sich an die stets schwierige Aufgabe, so Roßler, zu erzählen, von was Serres' Buch handelt und wie es geschrieben ist. Sicher sei zunächst nur, dass Serres als "Häretiker zwischen den Disziplinen" gelte und der schon vor zehn Jahren auf Französisch erschienene "Atlas" nichts an "denkerischer Originalität und Brisanz" eingebüßt habe. Serres stecke wieder einmal einen schwer zu durchschauenden "Parcours" ab, in dem die Kommunikation im Zeitalter der digitalen Medien verhandelt werde. Eine Novelle mit dem sprechenden Namen "Horla", "Hors la", "Dadraußen" bilde den für Serres typischen Ausgangspunkt, um die anthropologische Grundfrage nach der Mitte des Menschen und der wesentlichen Rolle der Kommunikation zu stellen. Und diese, die "sozialen Räume" verlagerten sich immer mehr von kartografisch darstellbaren in gleichzeitige "virtuelle Räume", was ein Widerspruch in sich sei und letztlich das Prinzip des Widerspruchs in Frage stelle. Der Rezensent merkt an dieser Stelle an, dies sei lediglich seine "Route", die er durch Serres' Atlas genommen habe, und dass ihm dessen Begeisterung für die neuen Technologien manchmal ein wenig unkritisch vorkomme. Aber vor zehn Jahren seien "Spam, Datenmüll und Viren" schließlich noch relativ neu gewesen. Handfest wiederum und "gut nachempfunden" sei der "Serres-Sound" des Übersetzers Michael Bischoff.