Peter Carey

Die wahre Geschichte von Ned Kelly und seiner Gang

Roman
Cover: Die wahre Geschichte von Ned Kelly und seiner Gang
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2002
ISBN 9783100102256
Gebunden, 516 Seiten, 22,90 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Regina Rawlinson und Angela Schmitz. In seinem Roman lässt Peter Cary den 1855 geborenen australischen Outlaw Ned Kelly selber zu Wort kommen: Er ist zwölf, als sein Vater verschwindet, mit vierzehn kommt er zum ersten Mal mit dem Gesetz in Konflikt. Dann geht seine Karriere steil bergan, Pferdediebstahl, Sabotage der Gleisarbeiten, Banküberfälle, Schießereien mit der Polizei. Er ist großzügig zu den Armen, neigt er bei seinen Überfällen zu Maskerade und Farce. Doch unter der Verkleidung hat eine weiche Stelle - für seine Mutter, deren wechselnde Liebhaber er hasst, für seine Tochter, an die er seinen Lebensbericht in 13 Lieferungen richtet. Am Ende sitzt seine Gang in der Falle: er flieht und kehrt in seiner eisernen Rüstung zurück, um sich dem Gemetzel entgegenzustemmen, vergebens...

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 20.06.2002

Im Gegensatz zur bekannten Verfilmung des Ned Kelly-Stoffes aus dem Jahr 1969, ist Peter Careys Roman "faktentreu", findet Rezensent Georg Sütterlin. Bei allem biografischen Interesse sind es jedoch Ned Kellys "Innenleben " und die gesellschaftlichen Umstände, die ihn zum Outlaw gemacht haben, die laut Sütterlin die Aufmerksamkeit des Autors gebannt haben. Als "Lebensbeichte in der Ich-Form" ist der Roman geschrieben und es gelinge Carey dadurch besonders gut, lobt der Rezensent, den Übergang vom netten Jungen zum Outlaw zu inszenieren - "fließend" und unwiderstehlich. Gewalt werde hier nicht "beschönigt", sondern erscheine "tragisch und unausweichlich". Den gesellschaftlichen Hintergrund von Kellys Entwicklung erforscht Carey "ohne demonstrativen Gestus", lobt der Rezensent und gibt einen kurzen Überblick über Australiens spezifische Situation. Was ihm allerdings nicht ganz einleuchten will, ist der Grund für Kellys satzzeichenlose Sprache. Nichtsdestotrotz schließt er wohlwollend, dass Careys Roman "eine Gesellschaft, eine Epoche und einen Lebensraum in seiner ganzen Vielfalt erlebbar" macht, und dass hier klar wird, warum Ned Kelly in Australien Kultstatus besitzt.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 29.05.2002

Evelyn Finger schwärmt. Peter Carey habe die Geschichte von Ned Kelly, dem legendären und doch authentischen irischen Befreiungskämpfer, geradezu erzähltechnisch genial gemeistert. Carey gelinge die unpathetische Steigerung seiner Figur ins Mythische dadurch, dass allein die Zeitungsberichte des Erzählrahmens die überpersönliche, heroische Aura Ned Kellys heraufbeschwören. Der Rest sei aus der Sicht des gesetzlosen Iren selbst geschrieben, in dessen Gedanken und Sprache sich Carey "unnachahmlich hineingedichtet hat", so die Rezensentin. Daraus ergibt sich für sie eine "volkstümlich raue Poesie ohne Schnörkel und Komma". Aber auch ohne Hoffnung. Dies habe etwas von einem archaischen Existenzialismus. Für die Rezensentin bedeutet Careys Roman gleich einen Doppelsieg für die Literatur: gegen die einstigen irischen Unterdrücker und gegen die "Rebellenfolklore". "Der Ire", schließt sie, "metaphysisch und als Befreiungskämpfer betrachtet, ist nicht totzukriegen." Prosaisch hingegen schon: "Ein Held ist eben auch nur ein Mensch."

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 25.04.2002

Sacha Verna geht in ihrem langen Artikel über den australischen Schriftsteller nur relativ knapp auf den Roman ein, der aus der Sicht Ned Kellys das Leben dieses legendären Nationalhelden Australiens erzählt. Die Rezensentin vermutet, dass Carey für diesen Roman nur deshalb das zweite Mal den Booker Prize erhalten hat, weil es den Preisverleihern mehr um "Vergangenheitsbewältigung" als um die Würdigung des Buches gegangen sei. Zwar schätzt auch sie den Autor als Meister sowohl des "Post-Post-Modernismus" als auch des "klassischen Storytelling" und lobt die Werke Careys für ihr geschicktes Spiel mit den "Metaebenen". Doch ausgerechnet diesen Roman kritisiert sie in seinem Bemühen um "Einfachheit" für seinen "Holzhacker-Sound", der ihm bald auf die Nerven geht. Überhaupt erscheint Verna die Geschichte dieses australischen Robin Hood als eine ungute Mischung zwischen "Simplizissimus und Spaghetti-Western" und so beurteilt sie das Lob, das Carey von allen Seiten für dieses Buch eingeheimst hat, als schlichtweg "übertrieben".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 05.04.2002

"Eine ganz und gar irische Geschichte", befindet Willi Winkler, auch wenn dieser Roman im australischen Busch spielt. Er ist hingerissen von diesem fiktiven Rechenschaftsbericht, den der zum Tode verurteilte Outlaw Ned Kelly an seine Tochter schreibt. Ned Kelly, informiert der Rezensent, ist so etwas wie der Volksheld der irischen Australier, und er attestiert dem Autor, dass er ihn in diesem Roman zum "Schriftsteller verbessert" hat. Winkler ist begeistert von dem "sprachgewaltigen" und dabei "erstaunlich komischen" Buch, wobei ihm nur die beiden Übersetzerinnen etwas Leid tun, denn der Roman ist gänzlich "kommafrei". Er kann es sich am Schluss aber nicht verkneifen, nach der Wahrheit dieses Lebensberichtes zu fragen, und er gibt sich dann gleich selbst die Antwort: so wahr wie "Die Asche meiner Mutter" von Frank McCourt und andere irischen Biografien. Eben die irische Wahrheit.
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