Susanne Kerckhoff

Berliner Briefe

Ein Briefroman
Cover: Berliner Briefe
Verlag Das kulturelle Gedächtnis, Berlin 2020
ISBN 9783946990369
Gebunden, 128 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Wie kaum eine Autorin ihrer Zeit hat Susanne Kerckhoff den Verlust der moralischen Integrität der Deutschen, ihre Schuld an den Verbrechen des Nationalsozialismus und die Frage der daraus resultierenden geistigen Neuorientierung zum Mittelpunkt ihres literarischen Schaffens gemacht. Ein Zeugnis dieser Auseinandersetzung ist ihr kurzer, 1948 erschienener halbfiktiver Briefroman "Berliner Briefe". In diesem Buch richtet Helene, eine im zerstörten Berlin lebende Frau, nach Kriegsende dreizehn Briefe an ihren nach Paris emigrierten jüdischen Jugendfreund Hans. Antworten ihres Freundes erhält sie nicht (oder sie werden den Leserinnen und Lesern bewusst vorenthalten) - so sind die Berliner Briefe eine Selbstbefragung, ein Rückblick und zugleich eine Bestandsaufnahme über die Gemütszustände der Deutschen, zwei Jahre nach Kriegsende und zu Beginn der Nürnberger Prozesse.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.08.2020

Rezensent Andreas Kilb kann nichts literarisch Schönes finden an Susanne Kerckhoffs Briefen aus dem Krieg. Wie eine Flaschenpost kommt der "Monolog" der Schreiberin, die Kilb mit der Autorin gleichsetzt, auf den Rezensenten - leider ohne Register und Erläuterungen, wie Kilb bedauernd feststellt. Was ihn beeindruckt, ist vor allem die Wahrheit der Schilderungen über das in Trümmern liegende Berlin und später über die Teilung, die SED und kommunistische Kulturpolitik. Was der Band laut Kilb nicht ist: Ein Schlüsselroman über die deutsche Nachkriegszeit und eine autobiografische Erkundung "seelischer Trümmerfelder".
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 13.07.2020

Rezensentin Ines Geipel freut sich über das Erscheinen von Susanne Kerckhoffs "Berliner Briefen" von 1948, ärgert sich aber zugleich über die verpasste Chance, in einem entsprechend gut überlegten Anhang an die "vorsätzlich verleugnete", nicht einfach vergessene Autorin zu erinnern. Das "vom Westen gemachte" jubelnde "Gedächtnisdesign" der Neuausgabe gefällt Geipel insofern nicht, da es den frühen wie den späten Terror der DDR, unter dem die Autorn litt, wie auch die "Ignoranz des Westens" ausblendet. Die Chance, die Autorin "in die Realität zurückzuholen" und aus den "Routinen des geteilten Erinnerns" herauszugelangen, scheint Geipel erst einmal verspielt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 19.06.2020

Rezensent Jens Bisky erinnert an die Schriftstellerin Susanne Kerckhoff, deren Werk es wert ist, endlich vollständig und sachkundig kommentiert herausgegeben zu werden, wie Bisky findet. Die vorliegenden erstmals 1948 erschienenen Berliner Briefe, die fiktive Korrespondenz zwischen einer jungen Frau aus Berlin und ihrem Jugendfreund in Paris, liest Bisky als autobiografisch grundierte, subjektive Sicht auf Nachkriegsdeutschland, auf Personen und Ereignisse allerdings, über die er gern mehr erfahren hätte. Dass die Neuauflage des Buches weder Leben und Werk der Autorin noch die Zeitumstände erläutert, kann der Rezensent nicht verstehen. Der Briefroman selbst überzeugt ihn durch einen aufklärerischen Impuls, durch Alltagsbeobachtungen und selbstkritische politisch-philosophische Gedanken im Wechsel.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 09.06.2020

Carsten Hueck ist überwältigt von dieser Stimme und ihrem moralischen Rigorismus. Sie erscheint ihm nicht herablassend, sondern stark und fordernd, auch sich selbst gegenüber. Großartig findet der Rezensent daher, dass der Verlag Das kulturelle Gedächtnis diesen Briefroman der Autorin Susanne Kerckhoff von 1948 neu aufgelegt hat. Kerckhoff, informiert Hueck, war Feuilletonchefin der Berliner Zeitung, und in ihrem Briefroman unternimmt sie die schonungslose Selbstbefragung einer Deutschen nach Ende des Zweiten Weltkriegs und des Nationalsozialismus. Klarsichtig prangert sie Mitläufertum und Scheinheiligkeit an, Verdrängung und Schuldabwehr. Bestechend wird für den Rezensenten diese Bestandsaufnahme durch das Bekenntnis der eigenen Zerrissenheit.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 03.06.2020

Rezensent Hugo Velarde liest Susanne Kerckhoffs Briefroman von 1948 mit Freude. Dem Vergessen der Autorin scheint ihm damit effektvoll entgegengewirkt. Als Zeitdokument und Dokument von Ratlosigkeit und Hoffnung ist Kerckhoffs fiktiver Briefwechsel mit einem imaginären jüdischen Freund für Velarde in seiner radikalen Klage über die Lage im Nachkriegsdeutschland, über Opportunismus und Korruption lesenswert. Das am Ende der "überspannten Empörung" der Verstand gefeiert wird, scheint den Rezensenten mit Trost zu erfüllen.