Jana Simon

Denn wir sind anders

Die Geschichte des Felix S.
Cover: Denn wir sind anders
Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2002
ISBN 9783871344398
Gebunden, 247 Seiten, 14,90 EUR

Klappentext

Dies ist die Geschichte von Felix, der 1970 in Ostberlin geboren wurde. Als Farbiger ist er in der DDR von Beginn an ein Exot. Der kleine, schmale Junge wird häufig von anderen Kindern verprügelt. Mit 13 Jahren lernt er Karate, was in der DDR verboten ist. Er trainiert wie besessen, um nie mehr wehrlos zu sein. Nach dem Mauerfall wird Felix deutscher Kickboxmeister. Er verdient sein Geld als Türsteher, zieht mit den Hooligans vom BFC Dynamo herum und prügelt sich in der "dritten Halbzeit", zugleich liebt er die Musik von Bach, will Psychologie studieren und meditiert täglich mehrere Stunden. Im November 1999 wird Felix verhaftet. In Berlin beginnt der erste Prozess gegen eine Gruppe von Hooligans, Türstehern und Kampfsportlern, die mit allem handeln, was Geld bringt. Felix ist einer der Angeklagten. Das Urteil wird über sein Leben entscheiden.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 10.08.2002

Stilistisch nicht immer besonders gelungen, aber "trotzdem spannend bis zur letzten Seite" findet Rezensentin Annett Gröschner die Rekonstruktion des widersprüchlichen Lebens des in der DDR aufgewachsenen Felix S. - der war farbig und trotzdem rechtslastiger Hooligan, Liebhaber klassischer Musik und Kickboxer und vereinte auch sonst noch einige Widersprüche in seinem Leben. Geschrieben hat es seine Jugendliebe Jana Simon, die auch schon Mitherausgeberin eines soziologischen Buches über die Veränderungen nach Mauerfall war, nach endlosen Interviews mit seinem Umfeld und nach der Aktenlektüre, die seine kriminelle Karriere nachzeichneten, und wie sie das aufbereitet, gefällt der Rezensentin mit einigen Einschränkungen (zum Beispiel der "betulichen Sprache") sehr gut. Sie vermisst an dem Buch lediglich die Perspektive der Mutter, die ein schlechtes Verhältnis zu ihrem Sohn hatte und nicht bereit war, über ihn zu reden.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.07.2002

Vielleicht nicht gerade überschwänglich, aber doch nachdrücklich lobt Rezensentin Stefanie Peter Jana Simons Geschichte einer ostdeutschen Jugend, in der sich die Autorin an die wenig sympathische Mackerszene der Türsteher, Hooligans und Dealer herantastet. Anlass für Simons Recherchen war der Selbstmord ihres früheren Schulfreundes Felix, der nach dem Mauerfall nicht die Kurve kriegte und in eben diese hermetische Welt abglitt: Nicht nur dass Simon es als Frau geschafft hat, sich dieser Szene zu nähern, hat die Rezensentin beeindruckt, sondern der scharfsinnige und genaue Blick auf männliches Gehabe, Angeberei, Gang-Strukturen. So schreibt Stefanie Peter: "Es ist der lange Abschied von einem alten Freund und zudem eine spannende, empirisch fundierte Studie über ein aktuelles Thema, gewalttätige und kriminelle junge Männer."
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 28.05.2002

Das Buch muss fesselnd sein! Die Rezensentin hat darüber gleich mehrere S-Bahn-Stationen versäumt und musste schließlich auf dem mitternächtlichen Potsdamer Bahnsteig ausharren - brr! Faszinierend gut geschrieben, recherchiert und gedacht sei das Buch ("eine Art negativer Bildungsroman"), erklärt Evelyn Roll denn auch. Und findet plötzlich Gemeinsamkeiten zwischen diesem Buch, das den Leser mitnimmt in die Gegenwart der Ostberliner Türsteher-, Hooligan- und Drogendealerszene, um die wahre Geschichte eines farbigen DDR-Jugendlichen zu erzählen, und einer Christa- Wolf-Biografie von Jörg Magenau: "Großmutter Wolf erzählt, wie es ganz früher war und die Enkelin berichtet, was heute daraus geworden ist."
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 24.04.2002

Jana Simons Buch wird von einer großen Melancholie getragen, denn sie erzählt in ihrer "literarischen Reportage" die Lebensgeschichte ihres Freundes Felix S., der sich 2001 im Gefängnis das Leben nahm, schreibt Rezensent Gerrit Bartels. Diese "Erinnerungsarbeit", begleitet von Schmerz und Schuldgefühl, bringe in den Gesprächen mit "Großeltern, Freunden, Freundinnen und Bekannten von Felix" sowohl die Beschreibung der in den frühen Siebzigern in der DDR Geborenen als auch die Geschichte der aus Südafrika geflohenen Großeltern zutage. Folgt man Simon, so ist Felix trotz seiner dunklen Hautfarbe, seinem ungewöhnlichen Interesse für Karate und Kickboxen und der Tatsache, dass er sich nach der Wende der rechten Hooligan-Szene anschließt, ein Repräsentant dieser DDR-Generation. Die Gründe übernimmt Bartels von der Autorin: weil Felix an "alten Freunden aus dem untergegangenen Land" festgehalten habe und weil sich diese Generation in ihren "vom Hass und der Gleichgültigkeit" geprägten Kindheits- und Jugenderinnerungen vereinigte.