Wolf Lepenies

Kultur und Politik

Deutsche Geschichten
Cover: Kultur und Politik
Carl Hanser Verlag, München 2006
ISBN 9783446208070
Gebunden, 439 Seiten, 29,90 EUR

Klappentext

Lange glaubten die Deutschen, unter ihnen auch Intellektuelle wie Thomas Mann, Gottfried Benn oder Theodor W. Adorno, an die Überlegenheit der Kultur gegenüber der Politik und an ihre eigene Überlegenheit gegenüber den Nachbarn. Erst nach der Befreiung vom Nationalsozialismus entwickelte sich eine demokratische Verfassung, deren Autorität akzeptiert wurde und die bis heute die nationale Identität des Landes prägt. Wolf Lepenies beschäftigt sich mit dem in Deutschland so prekären Verhältnis von Kultur und Politik zwischen dem 18. und 20. Jahrhundert und stellt damit die Katastrophen und Träume der Neuzeit in ein neues Licht.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 07.10.2006

Mit großem Gewinn hat Rezensent Jens Hacke diesen "klugen Großessay" des diesjährigen Friedenspreisträgers des Deutschen Buchhandels gelesen. Darin fand er ausgesprochen fruchtbar einige wesentliche Stationen der komplexen und "spannungsreichen" Beziehung von Kultur und Politik in Deutschland beleuchtet. Wolf Lepenies' "origineller" Blick hat Hacke außerdem manche deutsche Eigenheit erhellt. Dabei wurden dem Rezensenten noch mal deutlich die Berührungsängste deutscher Kulturschaffender mit der Politik vor Augen geführt, Lepenies? Sicht zufolge nicht nur Ursache manch typisch deutscher Fehlentwicklung, sondern auch Motor der Selbstmarginalisierung der Intellektuellen in diesem Land. Und Ursache für eine fehlende politische Kultur. Spannend fand Hacke auch den Blick auf die Außenwahrnehmung der deutschen Kultur, die für ihn im "eindringlichen Porträt" des in Buchenwald ermordeten französischen Soziologen Maurice Halbwachs gipfelt. Allerdings reizt ihn Lepenies auch zum Widerspruch, da dessen Zugang bei "politischen Intellektuellen" wie Kant, Heine, Weber und Dahrendorf aus seiner Sicht nicht ganz so gut greift.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 04.10.2006

Was sich bereits Thomas Mann und Norbert Elias vorgenommen haben, nämlich dem "Deutschen" auf den Grund zu gehen, hat sich nun mit diesem Buch auch Wolf Lepenies zur Aufgabe gestellt, erklärt Gangolf Hübinger. Der Autor interessiert sich speziell für den Helmuth Plessners Werk entnommenen Begriff der deutschen "Haltung", der immer wieder die Klammer der zum Teil sehr auseinander fallenden elf Kapitel bildet, so der Rezensent weiter. Die Hauptthese laute, dass die Deutschen in ihre Kulturverehrung zugleich Politikverächter waren, was nicht zuletzt zum nationalsozialistischen Übel führte. Den Widerspruch, dass zwar der "Kulturenthusiasmus" zum Verhängnis der Politik geworden sei, dennoch nicht die politikfeindlichen Intellektuellen maßgeblich für das Scheitern der Weimarer Republik verantwortlich zu machen sind, hätte sich der Rezensent gern genauer und gründlicher erklären lassen. Weniger akribisch dagegen hätte er sich die Debatten unter Soziologen wie beispielsweise Adorno und Gehlen gewünscht, hier, kritisiert er, wird dem Leser kaum Orientierung geboten. Am Ende moniert Hübinger noch, dass Lepenies sich allzu sehr einer literarischen Schreibweise verpflichtet sieht, wo präzise Begrifflichkeiten und gradlinige Argumentationen wohl überzeugender gewesen wären.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 28.09.2006

Zustimmend hat Gunter Hoffmann dieses Werk über das schwierige Verhältnis von Kultur und Politik in Deutschland gelesen, das Wolf Lepenies vorgelegt hat. Eingenommen ist er besonders von dessen differenzierten Blick auf die These von der deutschen Verherrlichung von Kultur und die Geringschätzung des Politischen. Denn die Stärke des Autors sieht Hoffmann in dessen Skepsis gegenüber allen Versuchen, mit Großthesen Geschichte zu erklären. So unterstreicht er etwa Lepenies' Interesse an Grenzverwischungen, wie sie zum Beispiel bei Thomas Mann zu beobachten sind, der sich vom Unpolitischen zum Politischen wandelte und als Emigrant die amerikanische Zivilisation gegen deutschen Hochmut verteidigte. Hoffmann findet bei Lepenies dann auch den Entwurf eines Begriffs von Kultur, der nicht durch Arroganz gegenüber dem Politischen gekennzeichnet ist.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 22.08.2006

Angetan berichtet Rezensent Harry Nutt über Wolf Lepenies? neues Buch, das sich dem Kulturverständnis in der Deutschen Geschichte vom 18. bis zum 20. Jahrhundert widmet. Die Einschätzung dieses Verständnisses als problematisch scheint Nutt überaus plausibel - schließlich ging die deutsche Verheerung der Kultur oft mit einer unreflektierten und arroganten Abwertung des Politischen einher. Deutsche Geschichte zeichne der Autor dementsprechend als eine auf den "Kulturbegriff fixierte Geschichte politikferner Innerlichkeit". Dabei bescheinigt ihm Nutt, die historische Verwurzelung der deutschen Geringschätzung des Politischen überzeugend aufzuzeigen, eine Geringschätzung im übrigen, die er für den Aufstieg der Nazis in Deutschland mitverantwortlich macht. Nutt sieht in dem Werk keine systematische Begriffsgeschichte der Kultur. Er unterstreicht dagegen den essayistischen Charakter des Buchs, das er - obwohl es nicht immer leicht zu lesen ist - überaus anregend findet.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.07.2006

Nicht wirklich gelungen erscheint Jürgen Kaube dieses Werk über das heikle Verhältnis von Kultur und Politik in der deutschen Geschichte, das Wolf Lepenies verfasst hat. Tatsächlich hat er eine ganze Menge zu bekritteln: die Ausführungen über die überzogene deutsche Verherrlichung der Kultur bei gleichzeitiger Abwertung der Politik, die für zahlreiche Übel der deutschen Geschichte verantwortlich sein soll, beurteilt Kaube als zu pauschal, zu widersprüchlich und zu unpräzise. Zudem hält er dem Autor vor, die Kategorien, mit denen er umfassende Phänomene beschreiben will, nicht hinreichend zu reflektieren und zu klären. Schließlich stören ihn einige Passagen wegen ihrer Geschwätzigkeit. Als "Moralpredigt gegen die Überschätzung von Kultur" kann Kaube das Buch zwar durchgehen lassen. Aber eigentlich hatte er sich von Lepenies etwas mehr erwartet.
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