Michael Köhlmeier

Der Tag, an dem Emilio Zanetti berühmt war

Novelle
Cover: Der Tag, an dem Emilio Zanetti berühmt war
Deuticke Verlag, Wien 2002
ISBN 9783216306289
Gebunden, 108 Seiten, 12,90 EUR

Klappentext

Michael Köhlmeier erzählt in seiner Novelle, die in den 50er Jahren spielt, die Geschichte des Emilio Zanetti, der bei einer Auseinandersetzung jemanden verletzt und deshalb vor Gericht muss. Bei der Überstellung gelingt ihm die Flucht, und in seiner scheinbar aussichtslosen Lage klettert er auf einen Hochleitungsmast. Einzig dem 10-jährigen Ich-Erzähler gelingt es, Zanettis Vertrauen zu gewinnen und eine Gesprächsbasis aufzubauen. Während der stundenlangen Verhandlungen mit der Polizei versammelt sich eine schaulustige Menge, die Situation spitzt sich zu: wird Zanetti springen oder wird er sich ergeben ...

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 19.12.2002

Einen "Meister des Indirekten", der es verstehe so filigran wie offen zu erzählen, erblickt Rezensent Hermann Wallmann in Michael Köhlmeier, dessen Erzählung "Der Tag, an dem Emilio Zanetti berühmt war" ihn tief beeindruckt hat. Die Geschichte um den zehnjährigen Ich-Erzähler Zill und seinen Freund, den 26-jährigen Elektriker Zanetti, der unerklärlicherweise einen Mann niederschlägt und sich dann auf einen Hochspannungsmast flüchtet, glänzt nach Ansicht Wallmanns vor allem durch die "erzählerische Raffinesse" Köhlmeiers. Die ganze Erzählung sei von einer Spannung zwischen der äußeren und der inneren Handlung geprägt, nur dass es für Köhlmeier die traditionelle Verbindung von Motiv und Tat nicht gebe. "Man möchte es paradox formulieren", raunt Wallmann: "Das Ereignis dient dem Geheimnis."

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 18.07.2002

Hintersinnig nennt Michael Kothes diese Novelle "im lakonisch-dezenten Berichtstil". Dass sie im kleinen Hohenems in Vorarlberg spielt und den Zeitkolorit der 50er aufweist, hindert unseren Rezensenten nicht daran, "polemische Anspielungen auf die Spektakelsucht und Sensationsgier unserer Tage" in ihr zu entdecken. Doch handelt es sich um kein gesellschaftskritisches Buch. Eher schon um "eine kleine prägnante Psychostudie" mit dem kindlichen Erzähler-Ich, das den Leser durchs "dramatisch sich zuspitzende Handlungsgeschehen" hin zum ersten Blick in die abgründige Realität der Erwachsenen führt, als Mittelpunkt. So "subtil und empfindsam variiert" wie hier ist Kothes das Thema des schmerzlichen Verlustes der Unschuld selten begegnet. Den Autor lobt er für die Fähigkeit, "seine Charaktere ganz aus sich selbst entstehen zu lassen, ohne Deutung und Erklärung, und dabei auf unmerkliche Weise die Zwangsläufigkeit ihres unentrinnbaren Geschicks zu zeigen".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 02.05.2002

Das "Geheimnis des Erzählens" liegt in seiner Aussparung, im "Andeuten", ist Karl-Markus Gauß überzeugt. Diesen meisterlichen Zug hat er in Michael Köhlmeiers neuer Novelle gefunden. Der Autor ist für den Rezensenten ein Phänomen: Er habe sich bereits "in vielen epischen Genres bewährt", kenne sich als Romancier und "Bearbeiter mythischer Grundlagenwerke" bestens aus im Ungesagten - doch gerade in seinen Novellen und Erzählungen wisse Köhlmeier diese Qualität zur Vollendung zu bringen, lobt Gauß. Köhlmeier erzählt in seiner Novelle von einem 26-jährigen italienischen Mechaniker, der aus zunächst ungeklärten Gründen einen Nachbarn in der Vorarlberger Kleinstadt Hohenem ins Koma prügelt, auf einen Strommast flieht und somit ein einziges Mal berühmt wird, verrät der Rezensent über den Inhalt. Vieles davon müsse der Leser sich selbst erschließen. Die knapp 100 Seiten habe man zwar in gut zwei Stunden gelesen, so Gauß, aber damit sei die Geschichte für den Leser längst nicht zu Ende...