Michael Mayer

Totenwache

Cover: Totenwache
Passagen Verlag, Wien 2001
ISBN 9783851654608
Broschiert, 179 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

"Der Tod des Anderen ist der erste Tod." Emmanuel Levinas formulierte mit diesem Diktum einen der spektakulärsten Sätze in der Geschichte der Philosophie überhaupt. Denn der Tod, auf den vorzubereiten schon die antike Stoa als vornehmstes Anliegen philosophischer Praktik charakterisierte, war ihr, wie in einer Art unausgesprochenem Kontrakt, vorab nur dieser eine Tod, den ich zu sterben habe. Der Tod des Anderen war demgegenüber kein anderer Tod, sondern ein nur mehr abgeleiteter, empirischer Modus dieses einen Todes, dessen eigentlicher Sinn sich allein aus der Perspektive der ersten Person schließen sollte. Den Tod der zweiten Person, des Anderen versuchsweise einmal zum Paradigma zu erheben, den Tod überhaupt zu denken, stellt dementgegen ein philosophisches Experiment mit bislang noch völlig unabsehbaren Konsequenzen dar. Diesen Konsequenzen nachzuspüren ist Absicht dieses Buches.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 30.01.2002

Thomas Lachenmaier schwärmt von diesem Buch zum Thema Tod, weil es autobiografische mit philosophischer Reflektion verschränke und zudem einen sehr eigenen literarischen Stil pflegt, der dem Assoziativen Raum gebe. Zunächst einmal sei der Text eine selbstbewusste Kampfansage, so Lachenmaier: an die griechisch-christliche Tradition, die den eigenen "jemeinigen" Tod vor dem Tod des Anderen vorrangig behandelt. Für Mayer aber sei der Tod eines Anderen "der erste Tod", referiert Lachenmaier in der Terminologie des Autors, denn wer erlebe schon den eigenen Tod? Mayers Sprache ist nicht immer sehr zugänglich, gibt Lachenmaier zu, aber sie entfalte in ihrem treibenden assoziativen Stil einen eigenen Sog. Außerdem spüre man eben, dass Mayer seine Überlegungen eigenen Erfahrungen und persönlicher Trauer abgerungen habe. Durch Bezugnahme auf die modernen Biowissenschaften erhalte der Text im übrigen sogar politische Relevanz, so dass Lachenmaier dem Buch möglichst viele Leser wünscht.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 04.10.2001

Der Philosoph Michael Mayer bezeichnet die alte Vorstellung, es gebe einen "selbsteigenen, dem einzelnen Menschen "gehörenden" Tod" als "ego-thanatologische Verblendung", referiert Rezensent Thomas Assheuer. Der eigene Tod beginne nach Meinung des Autors mit dem am anderen erlebten Tod, oder wie Emmanuel Lévinas schreibt: Der Tod des Anderen ist der erste Tod. Assheuer weist darauf hin, dass Mayer dieses Buch seinem Vater gewidmet hat, der bei einem Verkehrsunfall umgekommen war. Damit erklärt er sich auch den persönlichen, "aber nicht privaten" Ton, mit dem der Autor sein Thema umkreise. Die Problematik des Todes ist nach Meinung Mayers bislang von den Philosophen missverstanden worden: Sie "verengen den Fragesinn auf den Tod, den jeder selbst zu sterben hat." Diesen falschen Ansatz vergleiche der Autor mit dem über den vermeintlichen Besitz des Eigennamens, den Derrida problematisiert. Kein einfaches Buch, sagt der Rezensent, auch nicht einfach geschrieben. So kritisch der Philosoph dem Reden über den Tod gegenüberstehe, so kritisch sei seine Haltung gegenüber dem "Zukunfts- und Machbarkeitsglauben" der so genannten "Lebenswissenschaften". Fazit des Rezensenten: "Das Vergessen des Todes geht über in das Vergessen des Lebens."

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 14.08.2001

Michael Mayers "Totenwache", eine philosophische Abhandlung über Tod, Trauer und Überleben, ausgelöst durch den Unfalltod des eigenen Vaters und als Kritik an der abendländischen Todesphilosophie formuliert, scheint nicht allzu leicht verständlich zu sein, liest man die Besprechung von Ludger Lütkehaus, die sich einem in Gänze nachvollziehbaren Verständnis aber auch entzieht. Jedenfalls findet der Rezensent das Buch "bemerkenswert", wenn auch nicht leicht verständlich, wofür er die Interpunktionslosigkeit und den fragmentarischen Stil des Autors verantwortlich macht. Auch missfällt Lütkehaus die sehr deutliche Bemühung des Autors um eine Dekonstruktion der Todesphilosophie, der der Rezensent nicht ganz folgen mag. Nicht erst Immanuel Levinás habe auf die soziale Komponente des Todes hingewiesen, die Bedeutung des Todes für die anderen, den "anderen Tod", wie Mayer suggeriert. Auf die Idee seien auch schon etliche andere Philosophen wie Karl Löwith, Karl Jaspers, Dolf Sternberger, Paul Ludwig Landsberg und Eugen Fink gekommen, korrigiert der Rezensent.