Peter Esterhazy

Die Markus-Version

Einfache Geschichte Komma hundert Seiten
Cover: Die Markus-Version
Hanser Berlin, Berlin 2016
ISBN 9783446250734
Gebunden, 112 Seiten, 16,90 EUR

Klappentext

Aus dem Ungarischen von Heike Flemming. Der Erzähler dieses Markus-Evangeliums à la Esterházy macht sich nichts aus Worten. Er lässt seine Familie - Vater, Mutter, Stiefbruder, zwei Großmütter - in dem Glauben, er sei taubstumm. Und doch ist er der Chronist ihrer Geschichte. Als Volksfeinde gebrandmarkt, leben sie nach der Aussiedlung zusammengepfercht in einem einzigen Raum, aber Nähe gibt es nicht in dieser Enge. Alle sind sie einsam, sogar Gott. Der kann noch nicht einmal beten, zu wem sollte er? Eine Familiengeschichte mit allem, was dazugehört, auf jeden Fall Mord und Totschlag. Geschieht dies alles, auf dass die Schrift erfüllet werde? Aber welche? Nach diesen hundert Seiten Esterházy-Evangelium ahnen wir: Gott kommt aus Ungarn.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 28.05.2016

Selbst wenn dieses Buch äußerlich schmal daherkommt: Einfach zu lesen sei es ganz sicher nicht, schreibt Gisela Trahms. Die Rezensentin erkennt darin Esterházys Liebe zur Anspielung wieder, diesmal vor allem der religiösen, zeigt sich aber zugleich überrascht angesichts der ungewohnten sprachlichen Einfachheit und der kurzen Sätze. Sie erkennt darin einen "Kult der Lücke", der zwar die Lesegeschwindigkeit drossle, die Spannung aber steigere. Gekonnt setze der Autor seine drei Geschichten über Diktaturen und (biblische) Grausamkeiten in Beziehung zueinander, so wird "Die Markus-Version" für Trahms zum "Buch für Gottesgrübler". Der Stil und das Thema des Tagebuchs erinnert sie an "Das große Heft" der Schriftstellerin Ágota Kristóf; die Kritikerin hat Esterházys Buch als Hommage an seine ungarische Landsfrau gelesen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.05.2016

Rezensent Tilman Spreckelsen findet auch im neuen Roman von Peter Esterhazy die Verweise (die ihm der Autor im Anmerkungsteil entschlüsselt) und Erweiterungen, die die Texte des Autor prägen. Obgleich dieser Roman Spreckelsen kompakter erscheint als etwa sein Vorgänger. Das Kammerspiel um den vermeintlich taubstummen Erzähler als Mitglied einer im kommunistischen Ungarn in die Provinz verbannten Familie bietet laut Spreckelsen Raum für Spekulationen über Gott und die Welt bzw. Gott und den Erzähler. Wie sich die ineinander verwobenen Kleinkapitel zu einer kohärenten Erzählung fügen, scheint ihm bemerkenswert. Und wie das Martyrium Christi im Buch in Bezug gesetzt wird zu den Gräueln des 20. Jahrhunderts, ist für den Rezensenten auch wieder echt Esterhazy.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 16.04.2016

Immer wieder gerne lässt Ilma Rakusa sich von Péter Esterházy verwirren. In seiner zweiten "Einfachen Geschichte Komma hundert Seiten" macht sich der Autor hierbei die Bibel zu nutze, vor allem, das Buch heißt ja "Die Markus-Version", das Markus-Evanglium, erklärt die Rezensentin. Esterházy erzählt die Geschichte aus der Perspektive eines scheinbar taubstummen Jungen, der mit seiner Familie von den Kommunisten umgesiedelt wurde, und dessen hauptsächliches Vergnügen es ist, sich von der Großmutter Bibelgeschichten anzuhören, aus denen er anschließend Fragmente in sein Heft kritzelt, beschreibt Rakusa. Dabei blickt man nicht immer durch, wer gerade spricht oder warum, aber das kennt die Rezensentin von Esterházy nicht anders und würde es auch nicht anders haben wollen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 26.03.2016

Auch in seinem neuen Buch "Die Markus-Version" lässt der ungarische Schriftsteller Peter Esterhazy aus Erinnerungen an seine eigene Herkunftsgeschichte wieder eine neue Familie entstehen, berichtet Rezensent Lothar Müller, der in diesem Buch aber vor allem Gottes leibhaftige Bekanntschaft macht. Denn in die hundert knapp gefassten Episoden, in denen der taubstumme Erzähler die Geschichte seiner Familie während der Nachkriegszeit und dem Sozialismus in Ungarn erzählt, wird nicht nur immer wieder die Leidensgeschichte aus dem Markus-Evangelium eingeflochten, sondern auch über die Rätselhaftigkeit Gottes, insbesondere mit Blick auf den Holocaust sinniert, schreibt der Kritiker, der in diesem oft spöttischen Buch auch die Stimmen von Imre Kertesz und Simone Weil vernimmt.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 10.03.2016

Péter Esterházy schreibt schwierige Bücher, selbst wenn er einfache verspricht, weiß Rezensent Andreas Isenschmid. Die zweite "Einfache Geschichte Komma Hundert Seiten" hält sich auf den ersten Blick mehr an die Regeln, verrät der Rezensent, schließlich hat sie wirklich nur hundert Seiten. Einfach aber ist "Die Markus-Version" definitiv nicht, warnt Isenschmid, dafür jedoch großartig. Esterházy erzählt die Geschichte zweier Halbbrüder, die mitsamt der Mutter, dem (Stief-)Vater und ihren zwei Großmüttern väterlicherseits unter Stalin zwangsweise von Budapest aufs Land umgesiedelt werden, fasst der Rezensent zusammen. In dieser kargen Umgebung erzählen die Großmütter den beiden Brüdern Geschichten von Gott, die eine vom christlichen, die andere vom jüdischen, erklärt Isenschmid. Doch nach einigen Katastrophen erleben die Brüder ihre Gegenwart als "Gottes Bankrott" und schreiben ihre eigene Version des Markus-Evangeliums - ohne Auferstehung, verrät der Rezensent.