Arnold Stadler

Salvatore

Roman
Cover: Salvatore
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2008
ISBN 9783100751249
Gebunden, 222 Seiten, 17,90 EUR

Klappentext

Ein Mann geht ins Kino und sieht einen Film. Es ist Pier Paolo Pasolinis Il Vangelo secondo Matteo . Dem Film liegt ein Buch zugrunde, und nicht irgendeines: Das Matthäus-Evangelium aus der Bibel, das folgenreichste Buch der Weltliteratur. Pasolinis Film öffnet dem Helden die Augen und verändert sein Leben. Wenn er dies alles auch nicht glauben kann, so ist er doch erfüllt von einer Sehnsucht danach, dass dies die Wahrheit wäre. Stadler und der Leser folgen Pasolini und seinem Film, dessen Kraft jedem, der religiös nicht ganz unmusikalisch ist, das Gefühl des Aufbruchs zurückgeben kann. Pasolini hat aus einem Buch, dem Evangelium, einen Film gemacht, Arnold Stadler macht aus diesem Film wieder ein Buch, das von der Sehnsucht nach dem ganz anderen erzählt.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 07.05.2009

Mit Begeisterung und Faszination hat der hier rezensierende Schriftsteller Andreas Maier Arnold Stadlers neues Buch gelesen, das er "ergreifend disparat" und geradezu absichtsvoll kaputt daherkommen sieht. Beim Lesen fühlte er sich, als wohne er gerade einem Pfingsterlebnis bei. Bereits nach einem Drittel breche der erzählerische Ansatz ab, und es folge eine Nacherzählung von Pasolinis Verfilmung der Matthäuspassion, die zu einem Stadler-Text umgeschrieben werde. Der letzte Teil des Buchs sei ein Essay über Pasolinis Leben und Sterben und seine Liebe, gefolgt von Betrachtungen über die gegenwärtige katholische Kirche sowie einer Beschreibung von Caravaggios Zöllnerbild. Stadler lasse jeden Schutz fallen und schreibe Dinge, die vom öffentlichen Diskurs sofort zerfetzt werden könnten. Alle Teile des Buches fielen auseinander und doch gehe es um dasselbe. Um Glaube, um Gott, aber auch um den Zwang, sich zu so etwas Sterilem wie Homosexualität bekennen zu müssen, wo es doch um Liebe geht. Dabei sieht Maier Stadlers Sprache wie einen Film von Pasolini und das Evangelium selber blühen. Und dieses Blühen möchte der Rezensent gerne "Heiligen Geist" nennen. Und das tut er dann auch.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 06.12.2008

Hart geht Burkhard Müller mit dem neuen Roman von Arnold Stadler ins Gericht. Stadler konfrontiert darin seinen Helden, einen in Deutschland lebenden Italiener namens Salvatore, mit dem Evangelium des Matthäus, und zwar nicht zuletzt in Gestalt seiner Verfilmung durch Pier Paolo Pasolini. Müllers Einwände gegen das Buch sind sehr grundsätzlich und darum entschieden. Zum einen glaubt er Stadler seine Hauptfigur nicht. Die sei nicht mehr als "Gefäß" für die Thesen des Autors. Diese wiederum begreift der Rezensent als "regressiv" und mit voller Absicht wahrheitsfeindlich. Hinter die Quellenkritik nämlich wolle Stadler mit seinem Salvatore (zu Deutsch: "Erlöser") zurück, alle Erkenntnis der Theologen sei ihm Hekuba. Was dabei rauskommt, ist aber, so Müller, nichts als eine "üble Anwanzerei" an einen Kindergott. Und nicht zurechnungsfähig findet er darum, darf man schließen, diesen Roman.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.11.2008

Leicht will es sich Oliver Jungen nicht machen mit diesem neuen Roman des Büchnerpreisträgers Arnold Stadler. Die vom Autor so virtuos hingezauberte Steilvorlage, den Text als piefige Kulturkritik oder gar Depressionsprosa abzukanzeln, schlägt er aus. Apropos Kanzel: Dass der berühmte, lakonisch-komische Stadler-Sound hier eingetauscht wird gegen die "schmerzhafte Ernsthaftigkeit" und den hohen Ton einer Erlösergestalt vor dem Herrn, scheint Jungen gar nicht so unsympathisch. Ob sich so ein Trostbuch voll "christologischer Sehnsuchtspoesie" verkaufen lässt, bezweifelt er allerdings. Beziehungsweise, ja, das wird bestimmt schwierig, nicht zuletzt, weil der Autor seinen Erzähler so emphatisch wie pathetisch drauflos predigen lässt und ihn allen Ernstes in die Folge Caravaggios und Pasolinis stellt. Dass der Roman erzählerisch an der gewollten Verquickung von Poetik und Hermeneutik scheitert, wie Jungen konstatiert, weil Stadler ihn zum Bibelkommentar (gemeint ist das Evangelium nach Pasolini, so Jungen) und schließlich auch noch zum kunsthistorischen Essay (Caravaggio!) umbaut, passt ins Bild vom passionierten Autor.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 20.11.2008

Rezensent Paul Jandl kann seine Enttäuschung über das neue Buch von Arnold Stadler kaum verbergen. Vor allem scheint ihm das Werk unausgegoren und nicht aus einem Guss. Denn "Salvatore" besteht für ihn aus mindestens drei Büchern. Der Anfang sei wie ein Roman, der dann aber unvermittelt in eine detaillierte Nacherzählung von Pier Paolo Pasolinis Film "Das 1. Evangelium - Matthäus" übergehe und schließlich zu einem Essay über ein Gemälde Caravaggios mutiere. Als gemeinsamen Nenner sieht Jandl die zentralen Fragen des Glaubens. Die Wechsel zwischen erzählerischen Passagen und solchen, in denen theologische Theorie erwogen werden, findet Jandl "nahtlos". Er fühlt sich bei der Lektüre an Martin Mosebachs Verteidigung der alten lateinischen Messe erinnert, hebt in diesem Kontext allerdings hervor: "Verglichen mit Martin Mosebachs geschliffenem Essay kämpft Arnold Stadler mit stumpfen Waffen." Zu Jandls Bedauern gelingt es Stadler in vorliegendem Werk nicht, an seine "große Kunst" anzuknüpfen, die Abgründe des Daseins aphoristisch geschliffen darzutun.