Deborah Nelson

Denken ohne Trost

Arbus, Arendt, Didion, McCarthy, Sontag, Weil
Cover: Denken ohne Trost
Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2022
ISBN 9783803151919
Kartoniert, 240 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Birthe Mühlhoff. Diane Arbus, Hannah Arendt, Joan Didion, Mary McCarthy, Susan Sontag und Simone Weil haben heute den Status von Ikonen. Doch während sie wegen ihres Eigensinns und ihrer Stärke mittlerweile als weibliche Identifikationsfiguren gelten, schlugen ihnen lange Zeit massive Anfeindungen entgegen, die bis zu Vorwürfen charakterlicher Deformation reichten. Angeprangert wurde der kalte und unsentimentale Blick, der ihre Werke prägte - für Frauen damals wie heute ein Skandal.Deborah Nelson spürt in ihren konzentrierten Porträts der Künstlerinnen und Denkerinnen systematisch dem Anstößigen ihres Weltzugangs nach. Jenseits von Leidenseinfühlung und ironischer Coolness bildeten sie eine Ethik ohne Tröstung aus, die auch in unseren Zeiten geforderter Identifikation und abgefragter Identität ihren Stachel behält. Deborah Nelson rekonstruiert eine bislang kaum beachtete Gegenströmung zu den etablierten intellektuellen Reaktionsmustern auf die Verheerungen des 20. Jahrhunderts: eine herausfordernde Kultur-, Gefühls- und Geschlechtergeschichte gegen den Strich, die zeigt, wie begrenzt die emotionalen Spielräume für Frauen waren und sind.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.06.2022

Rezensentin Sonja Asal erfährt mit der Studie der Literaturwissenschaftlerin Deborah Nelson, wie Autorinnen der "Kälte" wie Hannah Arendt, Mary McCarthy, Simone Weil oder Susan Sontag sich mit der ihnen angedichteten "Gefühllosigkeit" moralisch und ästhetisch der Wirklichkeit stellten. Nelsons detaillierte Auslegungen von Stil und Inhalten der Texte ihrer Protagonistinnen scheinen Asal erhellend etwa insofern, als sie zeigen, wie Stil und Haltung bei den Autorinnen zusammengehören. Dass Nelson, ausgehend von der Kritik, kein "Gruppenporträt" anstrebt, sondern auf Verbindungen und Resonanzen zwischen den Frauen schaut und im übrigen die ästhetische Variationsbreite der von ihnen angewandten Techniken herausarbeitet, gefällt Asal. Eine Fortsetzung der Studie im Hinblick auf Vorbilder und Bezüge dieser Techniken kann sie sich gut vorstellen.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 28.05.2022

Rezensentin Eva Berger kann nur jedem ans Herz legen, sich von Deborah Nelsons Buch beziehungsweise von den darin vorgestellten Denkerinnen einmal aus der eigenen emotionalen Verzweiflung angesichts des Zustands der Welt herausreißen zu lassen. Denn die laut Berger gleichermaßen gefeierten wie (misogyn) verurteilten Frauen Diane Arbus, Hannah Arendt, Joan Didion, Mary McCarthy, Susan Sontag und Simone Weil, die Nelson in sechs Kapiteln umfang- und "voraussetzungsreich" porträtiert, nahmen in ihrem Denken eine oft als unweibliche Kaltherzigkeit abgetane Haltung ein, die Berger lieber als Haltung der "Unsentimentalität" bezeichnet wissen will und bewundert: Den weltgeschichtlichen Traumata des 20. wie des 21. Jahrhunderts nur mit Empathie und Trostbekundungen zu begegnen, bringt nichts, lernt die Kritikerin; stattdessen müsse man dem Leid ins Gesicht sehen, ohne es zu "sakralisieren", um dann weiterdenken zu können. Ein angesichts der derzeitigen "Häufung des Katastrophischen" sehr aktuelles und hilfreiches Buch, findet Berger, das den Blick für die eigene Einstellung zu den Dingen schärft.