Peter Handke

Das zweite Schwert

Eine Maigeschichte
Cover: Das zweite Schwert
Suhrkamp Verlag, Berlin 2020
ISBN 9783518429402
Taschenbuch, 160 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Zurückgekehrt nach jahrelangem Unterwegssein in die Gegend südwestlich von Paris, drängt es den Helden drei Tage später bereits zu einem erneuten Aufbruch. Im Gegensatz zu vorangegangenen Welterkundungen verfolgt er diesmal ein unumstößliches Ziel: "'Das also ist das Gesicht eines Rächers!', sagte ich zu mir selber, als ich mich an dem bewussten Morgen, bevor ich mich auf den Weg machte, im Spiegel ansah." Rache warum? Für die Mutter, die in einem Zeitungsartikel denunziert worden war, dem Anschluss ihres Landes an Deutschland zugejubelt zu haben. Rache an wem? Eine Journalistin, der Urheberin dieser wahrheitswidrigen Behauptungen, die in Tagesentfernung in den Hügeln um Paris wohnte. Die Erfahrungen all jener Reisenden, die Peter Handke von zu Hause aufbrechen lässt, bestätigen sich jedoch auch hier: "Ich hatte keinerlei Plan ausgeheckt. Es hatte zu geschehen. Andererseits: Es gab ihn, den einen Plan. Aber dieser Plan ist nicht mein eigener." Und so mündet der Rachefeldzug in ein Fest, eine bewusste Entscheidung des Erzählers Peter Handke: In die geschriebene Geschichte erhält nur Zutritt, was in der Realgeschichte Bestand hat. Und umgekehrt: Sich vollziehende Geschichte erlangt nur Wirklichkeit, wenn sie des Erzählens wert ist.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 27.02.2020

Rezensent Paul Jandl freut sich sichtlich über den Schluss von Peter Handkes Erzählung. Nicht nur, weil mit dem dort nachzulesenden Entstehungsdatum klar wird, dass der Autor keine Replik auf die Ereignisse um seine Person während des vergangenen Herbstes schreibt, sondern auch, weil der eingangs als einsamer Rächer losziehende Erzähler am Ende in der Gemeinschaft ankommt und bei der Liebe. Dazwischen folgt Jandl Handkes mannigfachen Selbst- und Fremdreferenzen - durchaus beglückt.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 22.02.2020

Rezensent Helmut Böttiger rät dringend zu einer realitätsfernen Lesart von Peter Handkes neuer Erzählung. Schon dass der Text aus dem Frühjahr 2019 stammt, scheint ihm dies zu rechtfertigen. Doch auch die Rachegeschichte selbst, die erzählt wird, deutet der Rezensent vor allem als anspielungsreiches Bühnengeschehen und "romantische Versuchsanordnung" von Handke-Orten und -Motiven, die der Autor freilich zum "Leuchten und Schillern" bringt durch unerwartete Wendungen und Bezüge (ja, Handke kommt von Homer, erkennt Böttiger).

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 21.02.2020

Rezensent Arno Widmann ist der Meinung, dass man Peter Handkes Erzählung lesen muss. Warum? Um sich darüber zu streiten etwa. Oder um den grotesken Rachefantasien von Handkes Erzähler nachzuspüren. Oder um sich über Handkes opulente Diskussion der Parusie zu wundern. Oder einfach um die Komik der Geschichte zu erfassen. Schließlich vielleicht auch, meint Widmann, um sich am befriedenden Schluss zu erfreuen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.02.2020

Rezensent Tilman Spreckelsen verliert kein Wort über die Handke-Debatte des vergangenen Jahres. Stattdessen liest er den Roman, der den Rachewunsch des autobiografisch geprägten Erzählers an einer Journalistin behandelt, als Prozess einer "heilsgeschichtlich grundierten" Selbstwerdung: Eingebettet in "anmutige" Schilderungen von Frühlingslandschaften folgt er hier dem Erzähler, der in Selbstgesprächen das "Spannungsvehältnis" zwischen Rachegelüsten und Frieden auslotet: Wie kontrast- und referenzreich Handke den Prozess sprachlich abtastet, auch indem er dem Erzähler eine zweite Stimme verleiht, findet Spreckelsen beeindruckend.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 15.02.2020

Lothar Müller liest Peter Handkes neuen Text als Geschichte vom Sieg der Literatur über Hass und Rachegelüste. Angesichts der Ereignisse um die Verleihung des Literaturnobelpreises vom Herbst vergangenen Jahres ließe sich das bereits im Mai 2019 entstandene Buch, in dem der Erzähler loszieht, um eine Journalistin zu töten, die seine Mutter verleumdet hatte, laut Müller als Reaktion auf eben diese Ereignisse lesen. Das muss nicht sein, meint Müller und rät dazu, den Kern der Geschichte im Sammeln von Motiven und Bezügen (von Karl Philipp Moritz über John Wayne bis zum Lukas-Evangelium) aus Handkes Werk zu erkennen und als Rechenschaft über das Erzählen als Chance und Versprechen.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 15.02.2020

Für Philipp Haibach ist Peter Handkes neues Buch ein "zweischneidiges Schwert", einerseits Rachegeschichte, mit der es Erzähler und Autor der Journaille auf "perfide" Weise gebe, andererseits ein Fest für Handkes Bewunderer, das für Haibach mit für Handke üblichen Zutaten aufwartet, mit karger Handlung, mit einem Schriftsteller auf der Suche, mit poetischer Sprechweise und dem Reiz des Unfertigen. Denn, so Haibach, der Racheplan wird nicht ausgeführt. Die Einwände gegen das Buch und sein Thema kann der Rezensent allerdings schon vernehmen. Da hilft es auch nichts, dass der Text Wochen vor dem Literaturnobelpreis-Aufruhr enstanden ist.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 14.02.2020

Rezensentin Siegline Geisel bleibt nach der Lektüre von Peter Handkes neuem Roman unentschieden zurück. Stark findet sie den Autor immer dann, wenn er mit nur wenigen Strichen und präzisen Beobachtungen Figuren lebendig werden lässt. Meist hält sich Handkes Erzähler, der sich an einer Journalistin für den Selbstmord seiner Mutter rächen will, aber in der eigenen Gedankenwelt auf - manieristisch schweifend, reich an literarischen Verweisen und wenig zielgerichtet, so Geisel. Ob das nun "bewusste Selbstparodie oder unfreiwillige Komik" ist, vermag die Kritikerin nicht zu sagen. Ob sie den Roman empfiehlt auch nicht.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 13.02.2020

Rezensent Thomas E. Schmidt liest Peter Handkes neues Buch als souverän verspielte Antwort auf seine Kritiker, auch wenn es schon vor der Bekanntgabe des Nobelpreises entstanden ist. Indem der Autor sich erneut seinen Themen und Motiven widmet, die eigenen Charaktermängel inklusive, so Schmidt, aber ohne jede Stilisierung, in "vollkommener Transparenz", schafft er ein "kleines Meisterwerk". Die Geschichte einer Rachefantasie scheint Schmidt allerdings auch ein gefundenes Fressen für die Kritiker zu sein, denn der erzählende Outlaw und der Autor scheinen ihm nur durch eine "Hautschicht" getrennt. Am Ernst des Ganzen hat Schmidt keinerlei Zweifel, doch auch das Urkomische, Selbstparodistische dieser "metaphysischen Kreuzfahrt" entgeht ihm nicht.