Bruno Latour

Jubilieren

Über religiöse Rede
Cover: Jubilieren
Suhrkamp Verlag, Berlin 2011
ISBN 9783518585634
Gebunden, 247 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Achim Russer. Warum haben wir die religiöse Sprache verloren? Was ist das Spezifikum religiöser Rede im Vergleich zur wissenschaftlichen Sprache? Das sind die tiefen Fragen, denen Bruno Latour in seinem wohl persönlichsten Buch nachgeht. Ausgehend von seiner eigenen religiösen Erfahrung, setzt er zu einer kritischen Reflexion an. Während in den Natur- und Sozialwissenschaften der Forscher die Aufgabe hat, seinen Beitrag zum großen Bau des Wissens zu leisten, zu entdecken und zu erfinden, geht es dem religiös Suchenden laut Latour um die Treue zum Wort, die Genauigkeit der Wiederholung. Er will nicht entdecken, sondern wiederentdecken, nicht erfinden, sondern wiederfinden; er strebt nicht nach dem Neuen, sondern will erneuern. Das ist das Besondere religiöser Rede. Sie ist hierin der Sprache der Liebe verwandt, die mit jedem "Ich liebe dich" den Bund zu erneuern sucht. Bei dieser Verwandtschaft muss ansetzen, wer die Möglichkeit oder Unmöglichkeit religiöser Rede heute verstehen möchte. In einer faszinierenden Mischung aus Analyse und Andacht spürt Latour ihr nach.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 22.12.2011

Der Rezensent kratzt sich am Kopf: Die Religion soll mit dem Glauben nichts zu tun haben? Aber mit der Liebe sehr wohl? Claude Haas hat sich Bruno Latours neueste Schrift gearbeitet, in immer neuen Kapiteln erklärt "gebetsmühlenartig" bekommen, dass Religion und Liebe von Behauptung und Wiederholung leben, während Wissenschaft und Glauben nach der festen Bezugsgröße suchen. Allein, er lässt sich nicht überzeugen. Oft hat Haas nach eigenem Bekunden nicht mal verstanden, wovon Latour eigentlich spricht. Und worauf will er hinaus, wenn er die religiöse Rede als "emphatischen Nullpunkt" beschwört? Dass der Mensch sich auch die Liebe nicht selbst ausgedacht hat? Ratlosigkeit beim Rezensenten. Aber auch bei seiner Leserin.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.10.2011

Kann gut sein, dass diese Kritik des ausgebufften alten Theologen Friedrich Wilhelm Graf um einiges amüsanter zu lesen ist als die wahrscheinlich nur unfreiwillig komischen Erörterungen Bruno Latours, der zu Grafs Befremden trotz eingestandener Unfrömmigkeit an der Großartigkeit religiöser Gefühle festhalten will und sich darum fragt, wie man, unabhängig von lästigen Glaubensinhalten, "Ergriffenheit erneut hervorbringen" kann. Nun, ergriffen scheint vor allem Latour, und zwar vor allem von seiner eigenen Sprachgewalt, so ergriffen, dass er von sich nur in dritter Person redet. Aber Graf ist ungnädig: Das alles ist für ihn nur "Schnellgeschwätz". Am Ende seiner Kritik unterstellt er, dass Latour aus der Familie des berühmten Bordeaux-Gewächses gleichen Namens stammt und sehnt sich nach einem Glas dieses Ergriffenheit zuverlässiger erzeugenden Weins.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 19.09.2011

Sehr persönlich ist Bruno Latours Buch über religiöse Rede zum Erstaunen von Joseph Hanimann ausgefallen. Das hätte er von dem französischen Soziologen und Wissenschaftstheoretikers so nicht erwartet. Der Autor bietet in seinen Augen zunächst einmal eine kritische Auseinandersetzung mit der kategorischen Alternative zwischen Glauben und Nichtglauben. Latours Vergleich des Glaubens mit dem Sprachspiel der Liebenden, das nicht auf Information, sondern auf ritualhafte Wiederholung und Bestätigung angelegt ist, findet er sehr plausibel. Andererseits hält er die Konsequenz, der Religion ihre kognitive Dimension abzusprechen, für fragwürdig. Dagegen scheinen ihm die essayistischen Betrachtungen des Autors zu der Frage, was wir heute tun sollen mit den "angesammelten religiösen Reden, Bildern und Riten", überaus "hilfreich". Lobend erwähnt er nicht zuletzt Achim Russers gelungene Übersetzung des Texts.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 11.06.2011

Verhalten fällt Uwe Justus Wenzel Besprechung von Bruno Latours recht persönlichem Buch über die religiöse Rede aus. Er diagnostiziert bei dem französischen Soziologen und Wissenschaftsphilosophen "selbstquälerische Züge". Allerdings hält sich sein Mitleid in Grenzen. Latours "bildreicher Wortschwall" nämlich und der Umstand, dass sich der Autor permanent selbst unterbricht, sein Scheitern beschwört, um dann wieder neu anzusetzen, machen die Lektüre für Wenzel nicht gerade zu einem reinen Genuss.